Konstituierende Sitzung im Abgeordnetenhaus: Die AfD stellt sich demonstrativ ins Abseits
Offenbar will die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus von Anfang an ihren Status als besonders oppositionelle Opposition demonstrieren. Ein Kommentar.
Wer den Wandel ignoriert, der wird die Zukunft verlieren. Mit diesem schönen Satz hat die Alterspräsidentin des neu gewählten Berliner Abgeordnetenhauses, die Sozialdemokratin Bruni Wildenhain-Lauterbach, ihre Rede beendet. Sie erhielt dafür Beifall, von allen Seiten. Zu Recht. Alle sechs Fraktionen im Landesparlament, von den Linken bis zur AfD, bekamen bei der Wahl am 18. September auf unterschiedliche Weise zu spüren, dass in diesen unruhigen Zeiten nichts bleibt, wie es ist.
Sich darauf einzustellen, auf die sozialen, ökonomischen und politischen Umbrüche, die an der deutschen Hauptstadt nicht vorbeigehen, auch wenn wir im Vergleich zum Rest der Welt auf einer Insel der Seligen leben, wird nun Aufgabe der 160 Abgeordneten sein. Sie werden das Volk in Berlin für fünf Jahre vertreten. Sie repräsentieren alle – die Verbitterten und Abgehängten, die schrumpfende Mittelschicht, die Kreativen und Intellektuellen, die Reichen und Schönen. Entsprechend werden die Interessen und Weltanschauungen auch im neuen Parlament aufeinanderprallen, das sich am Donnerstag mit der gebotenen Würde und völlig unspektakulär konstituierte.
Die 'A'fD ist nur eine Protestpartei, die keine 'Alternative' darstellt, sondern wie ehemals die Schill-Partei, Reps und NPD auf den sehr emotional aufgeblähten Themen Flüchtlinge und Antiislam schwimmt!
schreibt NutzerIn Ruehmann
Alle benahmen sich ordentlich, als sei man bei der netten Tante zu Besuch. Die Kleiderordnung wurde eingehalten, und die kurze Debatte über die Geschäftsordnung, die sich das Abgeordnetenhaus traditionell in der ersten Sitzung gibt, verlief nicht konfliktlos, aber freundlich. Die Grenze zwischen alter und neuer Regierung und Opposition blieb fließend, was in der Natur der Sache liegt. Denn Rot-Schwarz ist noch im Amt, aber das rot-rot-grüne Bündnis steht ante portas. Doch niemand muss sich darum sorgen, dass es in Zukunft langweilig werden könnte. Das parlamentarische Leben wird an Schärfe und Würze gewinnen, sobald der Senat mit der Arbeit beginnt.
Anspruch und Wirklichkeit
Mit Spannung erwartet wurde der Auftritt der AfD. Aber die Neuen fügten sich am ersten Tag noch unauffällig ein, überraschend war das nicht. Man hörte das eine oder andere kraftvolle „Jawoll!“ Aber zackiges Benehmen schädigt noch nicht die Demokratie. Warten wir ab, was kommt, wenn es ernst wird. Einen Fehler haben die Rechtspopulisten, die wir bis zum Beweis des Gegenteils so nennen wollen, aber doch gemacht. Die AfD-Fraktion sah sich unter fadenscheinigem Vorwand nicht in der Lage, der parlamentarischen Geschäftsordnung zuzustimmen, die im Vorfeld zwischen den politischen Kräften ausgehandelt wurde.
Die 25 Abgeordneten, von denen einer schon fraktionslos ist, wählten auch den Parlamentspräsidenten und dessen Stellvertreter nicht mit, die von SPD, CDU und Linken gestellt werden. Damit zerstörte die AfD gleich zu Beginn ihres parlamentarischen Lebens in Berlin ohne jede Not den politischen Konsens. Denn qua Amt repräsentiert der Präsident des Abgeordnetenhauses das gesamte Landesparlament, und die Regeln der Geschäftsordnung gelten für alle, und dazu gehören viele Normen, die die Opposition ausdrücklich schützen.
Offenbar will die AfD von Anfang an ihren Status als besonders oppositionelle Opposition demonstrieren. Obwohl die Partei sonst gern betont, konstruktive Politik machen zu wollen. Stattdessen stellt sie sich jetzt schon stur ins Abseits. Anspruch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen, ist immer schwierig, aber man sollte es wenigstens versuchen. Das gilt übrigens für alle politischen Akteure.
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