Ärger in Guben: Der Zank-Apfelkönig
Weil er nicht zur lokalen Symbolfigur gewählt wurde, überzieht Marko S. seine Konkurrentin und den Tourismusverein mit Klagen.
Die einen wollen König von Deutschland werden, die anderen Apfelkönig von Guben. Jedenfalls sind die Ämter in der Neißestadt offensichtlich überaus begehrt. Dabei liegt Guben – frei nach Berliner Schnauze – nicht nur „jwd“ (janz weit draußen), sondern sogar „fsd“ (fast schon drüben), in Polen nämlich.
Doch nicht nur der wegen seiner Verurteilung in einem Korruptionsprozess suspendierte Bürgermeister der Grenzstadt Klaus-Dieter Hübner klagt, wie mehrfach berichtet, um seinen Posten, auch der 41-jährige Marko Steidel beschäftigt die Gerichte. Grund dafür ist angeblich seine Begeisterung für das Amt der Apfelkönigin. Das wird seit 1995 jährlich beim Gubener Appelfest, das an die Obstbautradition der Stadt erinnert, vergeben.
Eigentlich wollte er schon immer Apfelkönig werden
„Ich habe diese Wahl immer verfolgt und wollte eigentlich schon 2015 Apfelkönig werden“, sagt Marko Steidel: „Aber da durften das nur Frauen. Das fand ich ungerecht.“
Doch das Schicksal meinte es zunächst gut mit dem 41-Jährigen, der oft auf Trödelmärkten unterwegs ist und ansonsten offenbar von Sozialhilfe lebt. Der Gubener Marketing- und Tourismusverein ließ 2016 wegen der wenigen Bewerberinnen in den Vorjahren erstmals auch Männer und Paare zur Wahl zu. Marko Steidel bewarb sich prompt – doch gewählt wurde nicht er, sondern seine einzige Konkurrentin: die 19-jährige Antonia Lieske. Sie war jung, schön, klug, in Guben geboren – die perfekte Apfelkönigin also, die unter anderem die Aufgabe hat, die Stadt bei Messen zu vertreten.
Antonia Lieske machte nur einen Fehler: Sie erzählte ihrem Mitbewerber, dass sie keinen Führerschein habe. Und weil Marko Steidel seinen eigenen Aussagen zufolge annahm, dass dies eine Voraussetzung für die Wahl zur Apfelkönigin sein müsse, focht er die Wahl an. Als der Tourismusverein das ablehnte, weil der Führerschein kein Kriterium war, zog er vor Gericht. Er verklagte Ihre Majestät Antonia I. wegen Betrugs und Untreue, weil sie „ihre Wähler belogen und arglistig getäuscht“ habe. Vom Verein forderte er außerdem Schadenersatz für den entgangenen Titel und die versäumte Amtsausübung rückwirkend bis zum September 2016 in Höhe von 5000 Euro.
Drei Zivilklagen reichte Steidel ein – ursprünglich sollte die Sache bereits im Februar verhandelt werden, musste aber wegen Krankheit auf kommenden Dienstag verschoben werden. In der Zwischenzeit klagte der verschmähte Apfel-König weiter: Anfang dieses Jahres wollte er ein Auftrittsverbot von Antonia I. auf der Grünen Woche erwirken, das Gericht lehnte ab. Als die diesjährige Wahl des Gubener Apfel-Königs ausgeschrieben wurde, bewarb sich Marko Steidel erneut, doch der Tourismusverein schloss ihn aus.
Daraufhin forderte Steidel Schadenersatz von 20 000 Euro und beantragte eine Einstweilige Verfügung beim Amtsgericht Guben, um am zweiten September-Wochenende erneut antreten zu können. Das Gericht wies den Antrag ab. Nun legte der 41-Jährige sogar Beschwerde ein, doch auch das Landgericht Cottbus wies diese in der vergangenen Woche zurück. Es konnte nicht erkennen, dass Steidel einen Anspruch auf die Teilnahme an der Königs-Wahl habe.
Apfelkönigin Antonia I. hat keinen Führerschein
„Warum sollen wir jemandem, der uns verklagt, auch noch eine Bühne zur Verfügung stellen“, fragt die Geschäftsführerin des Gubener Marketing und Tourismusvereins, Kerstin Geilich. Steidel sei im vergangenen Jahr nicht gewählt worden, weil er jede Frage der Jury mit „Dazu kann ich nichts sagen“ beantwortet habe. „Wie will so jemand die Stadt nach außen vertreten“, fragt Kerstin Geilich. Marko Steidel sieht das anders. „Ich könnte das schon“, sagt er: „Ich habe ja auch einen Führerschein“. Trotzig fügt er hinzu: „Im Gegensatz zu Antonia I.“
Kerstin Geilich winkt nur resigniert ab. „Voraussetzung für die Wahl zum Apfelkönig ist nur, dass man 18 Jahre ist und in Guben oder wie Herr Steidel in der benachbarten Gemeinde Schenkendöbern wohnt“, sagt sie. Im Gegensatz zu vielen amüsierten Lesern der regionalen Zeitung oder auch Internet-Usern, von denen einige die Gubener Zank-Apfel-Posse schon mit dem ebenso skurrilen Streit um den Maschendrahtzaun im sächsischen Auerbach vergleichen, ist der Geschäftsführerin des verklagten Tourismusvereins das Lachen längst vergangen. „Dieser Mann kostet uns Zeit, Nerven und Geld“, sagt sie: „Wir müssen einen Rechtsanwalt bezahlen und wenn Herr Steidel kein Geld hat, um die hohen Gerichtskosten zu zahlen, sind wir schlimmstenfalls als Zweitschuldner dran. Dabei sind wir ein kleiner Verein und auf jeden Pfennig angewiesen.“
Fast noch mehr ärgert Kerstin Geilich, dass Guben jetzt nur wegen des Apfelkönig-Streits wahrgenommen wird. „Hier gibt es so viel zu entdecken“, sagt sie: „Die Klosterkirche, die alte Hutfabrik, die Freundschaftsinsel, die polnische Partnerstadt Gubin. Man kann sogar mit Boot und Fahrrad die Neiße entdecken – aber alle reden nur vom Apfelkönig.“
Dass sich nach dem Gerichtsverfahren am kommenden Dienstag etwas ändern wird, glaubt Kerstin Geilich nicht. Darin zumindest gibt ihr Marko Steidel recht: „Ich werde weiterklagen, bis ich Apfelkönig sein kann“, sagt er. Über die Frage, was ihn so an dem Amt fasziniert, muss er ein wenig nachdenken: „Da kommt man so schön weit rum“, sagt er dann.
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