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Blick auf das Hauptterminal des Flughafens Tegel, davor Flugzeuge, im Hintergrund der Fernsehturm.
© dpa

TXL-Volksentscheid: „Der Weiterbetrieb in Tegel ist möglich“

Der Verfassungsjurist Helge Sodan erklärt im Interview, wie es gehen kann. Am Sonntag dürfen die Berliner dann ihre Meinung kundtun.

Herr Sodan, Sie haben die Diskussion um Tegel noch mal in Bewegung gebracht, indem Sie vorgeschlagen haben, den Landesplanungsvertrag zu kündigen.
Dem Weiterbetrieb des Flughafens Tegel stehen keine rechtlich unüberwindbaren Hürden entgegen. Zu unterscheiden sind rechtliche Unmöglichkeit und politische Unwilligkeit. Der einfachste Weg ist, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam den „Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung“, kurz LEP, verändern.

Brandenburg könnte durchaus ein Interesse haben, dass Tegel offen bleibt. So ließen sich seine Anwohner im Umfeld des BER von Lärm entlasten. Zur Not könnte die Veränderung des LEP von Berlin einseitig vorgenommen werden, und zwar nach Kündigung des Staatsvertrags über eine gemeinsame Landesplanung mit Brandenburg.

Man könnte frühestens am 1. 1. 2021 anfangen, daranzugehen, denn die Kündigungsfrist beträgt drei Jahre.
Ja, sofern nicht eine einvernehmliche Änderung der gemeinsamen Landesplanung mit Brandenburg zu einem früheren Zeitpunkt möglich sein sollte. Die Zwischenzeit könnte aber in Berlin mit vorbereitenden Arbeiten genutzt werden.

Die Kündigung bezöge sich auf den Staatsvertrag. Dann sind da noch die Verordnungen, also die Landesentwicklungspläne.
Den als Rechtsverordnung beschlossenen LEP kann der Senat nach Wirksamwerden der Kündigung einseitig verändern, denn er steht einem Weiterbetrieb Tegels eindeutig entgegen.

Diese Offenhaltung kann das Ergebnis einer planerischen Abwägung sein. Eine Flughafenstandortauswahl sieht das Bundesverwaltungsgericht als eine „im Kern politische Entscheidung“, die gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüft werden darf.

Das heißt, wir reden über viele Jahre, und wenn mittendrin der BER eröffnet, tritt die Bedingung ein, und der Vorgang ist tot.
Wenn Brandenburg mitmacht und die Behörden sich beeilen, können die notwendigen Änderungen noch vor der Inbetriebnahme des BER erfolgen. Sollte sich Brandenburg verweigern, könnte der neue Berliner Landesentwicklungsplan am 1.1. 2021 in Kraft treten.

Kurz danach ließen sich die Entwidmungsverfügung, welche die Planfeststellung für den Flughafen aufhebt, und der Widerruf der Betriebserlaubnis widerrufen. Schwierig wird es nur, wenn Brandenburg sich verweigern und der BER mehr als sechs Monate vor dem 1.1. 2021 in Betrieb gehen sollte. Dann würden die Planfeststellung und die Betriebsgenehmigung für Tegel wohl unwiderruflich erlöschen. Es kommt also darauf an, wie lange sich die Inbetriebnahme des BER noch verzögert.

Dennoch: Es erscheint als fiktives Szenario. Und es gibt das Problem des Bestandsschutzes des Planfeststellungsbeschlusses.
Es wird häufig behauptet, dass der Planfeststellungsbeschluss des Landes Brandenburg für den BER gefährdet sei, wenn Tegel offen bliebe. Das ist aber falsch. Paragraf 75 Absatz 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bestimmt, dass nach Unanfechtbarkeit einer Plangenehmigung niemand die Unterlassung des Vorhabens oder die Nichtbenutzung genehmigter Anlagen verlangen kann.

Auch in Tegel müsste kein neues Planfeststellungsverfahren erfolgen, wenn die Entwidmungsverfügung widerrufen würde. Diese Maßnahme kann unmittelbar im Anschluss an die Änderung der Landesplanung getroffen werden und würde keinesfalls Jahre benötigen.

Aber der Vorlauf braucht Jahre.
Wenn alle Unterlagen vorliegen, ist nach dem Raumordnungsgesetz in sechs Monaten das Verfahren abzuschließen. Sofern man ein Jahr lang die Unterlagen sammeln und dann binnen sechs Monaten entscheiden würde, ergäbe sich ein Gesamtzeitraum von anderthalb Jahren.

Warum haben Sie so sehr kritisiert, dass keine Gutachter von außen beschäftigt wurden? Zur Rechtslage kann niemand zu einem anderen Ergebnis kommen als der Notwendigkeit der Schließung.
Eine Beauftragung hätte zwei Fragen umfassen sollen. Zum einen die Analyse der geltenden Rechtslage, zum anderen die Klärung der Frage, ob diese Rechtslage noch verändert werden kann. Die vom Berliner Senat vorgelegten „Gutachten“, die ich gelesen habe, sind relativ knappe Stellungnahmen von Rechtsanwälten.

Ich hätte die Beauftragung unabhängiger, renommierter Universitätsprofessoren für Verwaltungsrecht erwartet, die weder räumlich noch in anderer Weise eine Nähe zur Berliner und Brandenburger Politik haben. Die Senatsverwaltung für Finanzen hat offenbar nur wissenschaftliche Gutachten zu den wirtschaftlichen Folgen einer Offenhaltung Tegels in Auftrag gegeben. Im Übrigen stelle ich mit Genugtuung fest, dass auch Juristen, die zuvor noch den Weiterbetrieb für rechtlich ausgeschlossen hielten, diese Möglichkeit nunmehr einräumen.

Helge Sodan, 58, war von 2000 bis 2007 Präsident des Verfassungsgerichtshofes von Berlin und ist Professor für Öffentliches Recht an der FU.

Das Gespräch führte Fatina Keilani.

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