Volksfest 1993 in Lichtenberg: Der Tag, an dem der erste ICE in Berlin hielt
Im Mai 1993 hielt der erste ICE in Berlin. Tausende kamen, applaudierten, jubelten. Der Zug hielt nicht am Zoo, sondern in Lichtenberg. Erinnern Sie sich?
Diese Feste sind ja mitunter schön speziell. Da rollt ein Zug in den Bahnhof ein und plötzlich werden Kameras gezückt, hektisch geknipst, im Stoffbeutel herumgenestelt und gefachsimpelt. Aber so sind sie nun mal die Eisenbahnkenner, liebevoll auch "Pufferküsser" genannt. Wird nicht anders sein, wenn am Mittwoch, 14 Uhr, der dolle, dicke, neue ICE 4 im Hauptbahnhof gezeigt wird.
Wir erinnern an dieser Stelle an ein hübsches Ereignis aus dem Jahr 1993, am 22. Mai war's soweit. Damals rollte der allererste ICE nach Berlin. Schon das Foto: Aufgeregte Jugendliche, strahlende Gesichter, Applaus, Applaus. Toll!
Lesen Sie hier, wie der Tagesspiegel an jenem großen Eisenbahner-Tag berichtete. Reporter war natürlich Klaus Kurpjuweit, der seit 1984 für den Tagesspiegel über Verkehrsthemen berichtet:
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"Der Intercity-Express der Bahn ist für Brandenburg und Berlin so wichtig wie der gestrige Regen für die Landwirtschaft." So begrüßte am Sonnabend Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe bei der offiziellen Eröffnungsfahrt den ersten Superzug in Michendorf vor der Stadtgrenze.
Der erste Zug hielt damals in Michendorf
Dort können die Fahrgäste in einen Zubringerzug zum Bahnhof Zoo umsteigen, während der ICE über den südlichen Außenring weiter nach Lichtenberg fährt, da die Strecke in die Innenstadt nicht rechtzeitig zum heutigen Fahrplanwechsel fertig geworden ist. Neuer Termin für den ICE zum Bahnhof Zoo Ist jetzt der 4. Juli.
Für den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ist die Ankunft des ICE in Berlin ein weiterer Schritt in Richtung europäische Metropole. Die Premierenfahrt mit geladenen Gästen am gestrigen Sonnabend war eine länderübergreifende Angelegenheit. Im niedersächsischen Braunschweig und Helmstedt wurde die Ankunft des Zuges ebenso gefeiert wie in Magdeburg, der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt und in Michendorf in Brandenburg sowie anschließend auf dem Bahnhof Lichtenberg in Berlin.
Bahnchef Heinz Dürr bezeichnete die Aufnahme des ICE-Verkehrs durch die neuen Länder in die Hauptstadt als einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen Deutschlands. Ulrich Klimke, der Leiter der Außenstelle Berlin des Verkehrsministeriums, der Verkehrsminister Wissmann vertrat, war von dem Zug wohl so begeistert, dass er von einem Zeichen sprach, "wie die beiden deutschen Staaten" zusammenwachsen. Peter Münchschwander vom Vorstand der Deutschen Bahnen bezeichnete das gestrige Ereignis als einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen Bahn.
Tausende Berliner empfingen den ersten ICE um 14.08 Uhr auf dem Bahnhof Lichtenberg und drängten in die Wagen, um den Zug zu besichtigen. Nur mit Mühe gelang es den Verantwortlichen, die Schaulustigen zum Ausssteigen zu bewegen, da der Zug gleich wieder weiterfuhr. Zu besichtigen war später eine andere Einheit. Achtmal täglich startet der Superzug nun voraussichtlich bis zum 4. Juli in Lichtenberg Richtung München. Für die ersten Züge sind die Plätze, wie berichtet, zum Teil schon bis zu 90 Prozent ausgebucht. Auch wenn der Hochgeschwindigkeitszug, der auf neuen Strecken Tempo 280 fahren kann, im Berlin-Verkehr auf den alten Gleisen jetzt nur maximal 160 km/h fahren kann, war es für Bahnchef Dürr wichtig, diesen Paradezug des Unternehmens schon jetzt nach Berlin zu schicken.
Im Juli 1993 hielten die ICE in Wannsee und Zoo
Seine Fahrt über Gleise der Bundesbahn und der Reichsbahn solle zeigen, daaa es in Deutschland nur noch ein Bahnnetz gebe. Gleichzeitig wolle die Bahn ihren Kunden gerade im Berlin-Verkehr mehr Komfort bieten. So wie die geladenen Gäste im Premierenzug werden die Fahrgäste im Planbetrieb aber nicht verwöhnt werden. Essen und Getränke gab es am Platz - in der 1. und in der 2. Klasse."
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Am 3. Juli ("20.37 Uhr") war es dann soweit: An jenem Tag fuhr der erste ICE zum Bahnhof Zoo, mit Halt auch am ICE-Bahnhof Wannsee. Das Bezirksamt Zehlendorf ätzte damals im Tagesspiegel: "In Wannsee bietet die Reichsbahn dem modernsten Zug einen Bahnhof mit Dorfcharakter an." Ein Jahr später begann die Sanierung der Stadtbahn zwischen Zoo und Hauptbahnhof (heute: Ostbahnhof). Die Intercity-Züge nach Hamburg hielten deshalb in einer anderen Kleinstadt vor den Toren Berlins: in Nauen.