Berliner Verwaltung: Der Senat braucht eine personelle Großoffensive
Ein Viertel aller im Landesbediensteten werden bis 2025 in Pension gehen. Warum erklärt der Senat die schnelle Personalrekrutierung nicht zur Hauptaufgabe? Ein Kommentar.
Wer ein altes Auto besitzt, bei dem sich Reparaturen nicht mehr lohnen, fährt eines Tages nicht zur Werkstatt, sondern zum Schrottplatz. Mit der Berliner Verwaltung ist es leider anders, wir können uns keine neue kaufen – auch wenn sich allmählich der Eindruck aufdrängt, dass jeder weitere Reformversuch nur scheitern kann. Jetzt hat sich wieder eine Kommission bemüht, der schier aussichtslosen Lage Herr zu werden. Im Auftrag eines ratlosen Berliner Senats.
Im Schlussbericht, den zwölf sachkundige Experten verfassten, stehen durchaus viele vernünftige Sachen. Die Frage ist nur: Wo fängt man an mit der Reform? Der öffentliche Dienst Berlins war schließlich schon ein Reparaturbetrieb, als die Stadt noch geteilt war. Man hatte es sich bequem gemacht und kam irgendwie zurecht. Dicke Papiere zur Verwaltungsmodernisierung, die in den achtziger Jahren entstanden, wurden zur Kenntnis genommen und ins Archiv gesteckt. Erst nach dem Mauerfall geriet die behäbige und aufgeplusterte West- und Ostbürokratie unter starken Druck. Sie musste zusammenwachsen – und funktionieren.
Das führte immerhin zu Strukturreformen, oder sprechen wir lieber von einem Anpassungsprozess, um die völlig unterfinanzierte 3,5-Millionenstadt Berlin vor dem Zusammenbruch zu retten. Das ist gelungen, aber die Ergebnisse der radikalen Verschlankungskur sind in der öffentlichen Verwaltung bis heute zu besichtigen – auch wenn vor drei, vier Jahren das Ende der Sparpolitik ausgerufen wurde. Seitdem wird gegengesteuert, Geld wäre genug da, um die öffentlichen Verwaltung nicht nur wiederzubeleben, sondern sie kundenfreundlich und konkurrenzfähig zu machen. Aber es fehlt ein klarer Kurs. Wie modernisiert man Behörden, die noch im Modus der neunziger Jahre arbeiten, denen die Fachkräfte weglaufen und die sich gegenseitig Konkurrenz machen?
Mehr Ausbildung, Einstellungen und ein attraktiveres Arbeitsumfeld
Ein Vorschlag zur Güte, der auch mit dem kompatibel ist, was die Kommission „zur Verbesserung der gesamtstädtischen Verwaltungssteuerung“ jetzt ausgetüftelt hat: Fangen wir bei den Menschen an, die großenteils noch in einer Verwaltung 1.0 arbeiten. Oft schlecht bezahlt, wenig motiviert und kränkelnd. Ein Viertel der heute im Landesdienst Beschäftigten werden bis 2025 in Pension gehen, einige Behörden und Fachabteilungen verlieren bis dahin mehr als die Hälfte der Mitarbeiter.
Ohne Personal, in angemessener Zahl und Qualifikation, geht aber nichts, solange noch keine fleißigen Roboter im Bürgeramt sitzen. Deswegen ist es überhaupt nicht zu verstehen, warum der Senat die schnelle Rekrutierung von öffentlich Bediensteten nicht längst zur Hauptaufgabe erklärt hat. Selbst bei Lehrern und Erziehern gelingt es bisher nicht, das akute Problem zu lösen. Tarife müssten angepasst und ein attraktives Arbeitsumfeld geschaffen werden, um im harten Kampf um gute Fachkräfte gegenüber der Privatwirtschaft, dem Bund und anderen Bundesländern zu bestehen. Zusätzliche Ausbildungskapazitäten müssten schnell geschaffen und Stellenbesetzungsverfahren revolutioniert werden.
Es ist in dieser verzweifelten Lage auch nicht akzeptabel, dringend benötigten Berufsgruppen die Verbeamtung grundsätzlich zu verweigern. Und leider ist die Berliner Verwaltung auch nicht dafür bekannt, besonders tolles Führungspersonal zu haben. Trotz alledem folgt der Erkenntnis, dass der öffentliche Dienst der Hauptstadt personell ausdörrt, kein entschlossenes Regierungshandeln. Der rot-rot-grüne Senat nimmt die politische Gesamtverantwortung für eine Lösung des Problems immer noch nicht wahr.
Die Digitalisierung müsste ebenfalls radikal beschleunigt werden
Gleiches gilt für die zweite Großbaustelle, nämlich die Digitalisierung der Behörden. Ohne die Befreiung der 118 400 Landesbediensteten von der analogen Arbeit ist jede Verwaltungsreform zum Scheitern verurteilt. Wobei wir nicht über den Einsatz von Quantencomputern sprechen, sondern über einheitliche IT-Arbeitsplätze und brauchbare Software, über die zentrale Betreuung durch einen kompetenten und kapitalkräftigen Dienstleister und funktionierende Online-Angebote für die Bürger. Stattdessen resignieren in Berlin sogar jene glücklichen Paare, die sich vermählen wollen, aber in absehbarer Zeit keinen Termin dafür kriegen.
Auch die Digitalisierung der Verwaltung, die radikal beschleunigt werden müsste, wird vom Senat als lästiges Problem den Fachleuten zugeschoben. Macht mal, ihr kriegt auch Geld dafür! Man ist schon froh, dass der Parkausweis für Anwohner online beantragt werden kann und das Bürgertelefon 115 während der Sprechstundenzeiten ordentlich besetzt ist. Gleichzeitig brechen IT-affine Bezirksbürgermeister fast in Tränen aus, weil sie nur noch zwei Mitarbeiter haben, die was vom Thema verstehen.
Natürlich gibt es noch viele andere Dinge, über die zu reden wäre. Etwa das peinliche Gegeneinander von Senats- und Bezirksverwaltung. Aber das ist schon seit 98 Jahren so, als Groß-Berlin gegründet wurde. Packen wir erst einmal die wichtigsten Dinge an.