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Ein bekennender Karnevalist: Der Theologe Heiner Koch hat über "Befreiung zum Sein" seine Doktorarbeit geschrieben. Im "Kreuzberger Himmel" demonstriert er heitere Gelassenheit.
© A. Ernst

Karnevals-Lektion im "Kreuzberger Himmel": Der Scherzbischof

Heiner Koch, der katholische Hauptstadthirte, bereitet seine Berliner bei einem Kneipenauftritt auf den Karneval vor. Und verrät auch einen Lieblingswitz.

„Kommt ein Luftballon zum Psychiater und sagt: Ich hab’ Platzangst.“ Erzbischöflicher Lieblingswitz Nummer 1: Applaus! Überhaupt kommt Heiner Koch gut an im überfüllten „Kreuzberger Himmel“.

Obwohl die Verkabelung des hohen Gastes zu Beginn seines Auftritts als Erzähler närrischer Anekdoten schiefgegangen war. Der bekennende Karnevalist hatte in ordensverzierter blauroter Gardeuniform mit Glitzerkäppi den Raum betreten, war mit Microport und Sender am Gürtel ausgestattet worden, drang aber zum vollbesetzen Tresensaal nicht durch. Von wegen versteckte Kamera: Ein TV-Team und versammelte Fans, alle guckten zu, während der verschmitzte Hauptstadt-Hirte mit rotem Kopf immer wieder „Hören Sie was, 1, 2, 3“ sagen musste und ein Assistent das Kästchen an der erzbischöflichen Hüfte ein-/ausschaltete. Der Test auf Engelsgeduld war bestanden, die Technik blieb tot, der Prominente gelassen. Gäste im Seitentrakt murrten oder rückten mit spitzen Ohren ganz nah ans Zentrum des Geschehens.

Als Haushälterin in die Bütt

Der Kuschelfaktor steigt. „Kreuzberger Himmel“ (nicht zu verwechseln mit dem von schwul-lesbischer Tradition verklärten „Bierhimmel“ an der Oranienstraße) ist die Gemeindekneipe der Bonifatius-Pfarrei an der Yorckstraße. Gegenüber Table Dance und Grieneisen, an der Decke gemaltes Wolkenblau, an der Wand Orgelpfeifen, ein Riesenrosenkranz. Vorm Fenster ein leuchtender Stern, denn trotz nahender toller Tage endet der Weihnachts-Festkreis, liturgisch gesehen, erst am 2. Februar mit dem Fest „Darstellung des Herrn“ (Mariä Lichtmess). Aber Koch, der fast noch neue Chef in St. Hedwig, hält keine Predigt, er kramt Spickzettel aus der Uniform, skizziert seine karnevaleske Biografie:

Wie er, als schlesisches Flüchtlingskind faschingsmäßig unbelastet, in Düsseldorf die Tage der Verkleidung („Jemand anders sein!“) lieben lernte; das „Mainz bleibt Mainz“ im familiären Pantoffelkino, die Pfannkuchen, das Kamelle-Scheffeln beim Rosenmontagszug. Wie er lernte, als Kaplan in Kaarst, nein als fiktive Pfarrhaushälterin in die Bütt zu steigen, sich über seinen Pfarrer, sich selbst und seine Schäfchen „mit viel Herz und Liebe“ lustig zu machen. Wie er als Prälat in Köln bei der einen Sitzung als Einziger kostümiert unter lauter schwarzen Anzügen, bei der anderen in Schwarz unter lauter Kostümierten erschien, die Rituale der Hochburg allmählich kapierte, zum Regimentsbischof der Prinzengarde avancierte und es sogar schaffte, dass Teilnehmer des katholischen Weltjugendtages einen Rosenmontagswagen mit „Wurfmaterial“ spendiert bekamen – „ein unvergessliches Erlebnis für junge Menschen aus der ganzen Welt, fünf Stunden lang vor Millionen Zuschauern“. Er strahlt, als er davon berichtet.

"Ich versteh auch, wenn einer nicht lacht"

Heiner Koch läuft in sich rund als Mann des Volkes, bei ihm ist Basisgespür kein pastoraler Habitus. Natürlich verrät er an diesem Abend auch, was spirituell hinter seiner Karnevalitis stecken könnte, erwähnt seinen Wahlspruch „Freut euch allezeit, der Herr ist nahe“; auf Zitate aus seiner Dissertation („Befreiung zum Sein als Grundperspektive christlicher Religionspädagogik“) verzichtet er. Lieblingswitze hatte er zu Beginn schon avisiert mit der Warnung, „sie seien bescheiden, meinem Niveau entsprechend. Um ehrlich zu sein, ich tu mich am einfachsten mit den blöden Witzen. Ich versteh auch, wenn einer nicht lacht.“ Sie handeln vom Cowboy am Friseursaloon (Pony weg), vom Häschen mit Föhn, das des Schneemanns Möhre erpresst, und von zwei Himmelstoren, eines für von ihren Frauen unterdrückte (lange Schlange), eines für nicht unterdrückte Männer, wo Petrus den einzigen Wartenden befragt, der gesteht: „Meine Frau hat gesagt, du stellst dich da an.“

Dass Karneval in Dresden, wo er kurz Ordinarius war, nicht funktioniert, akzeptiert Koch: „Tut mir nicht weh, wenn es keinen gibt.“ In Berlin sieht er das ähnlich, „hier ist das eben für Heimatvertriebene“. Zudem gebe es den Karneval der Kulturen. In Köln habe er, sagt der Priester, beim Besuch einer Krebsklinik stärkste Faschingsmomente erlebt, und im Kinderhospiz. Vor dem Aufbruch plaudert er sich von Kneipentisch zu Kneipentisch durch die Schar treuer Gottesdienstbesucher; ein Bischof zum Anfassen. Sein nächster Integrationskurs fürs Ankommen an der Spree führt den Migranten, so hoffen wir doch, in den „Bierhimmel“ an der Oranienstraße.

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