Frühling in Berlin: "Der Nord-Berliner mag Schlumpf-Eis"
Viel Sonne, zwölf Grad: Ein Gespräch mit dem Chef von Florida Eis über Pankower Vorlieben, bequeme deutsche Arbeitnehmer und Kriminalität im Eisladen.
Die Aussichten: herrlich. Dieser Donnerstag ist sonnig bei zwölf Grad. Na dann: Rufen wir doch mal bei einem der bekanntesten Berliner Eishersteller an – bei Olaf Höhn, dem Chef von „Florida Eis“. Woher eigentlich der Namen stammt? „Ich bin Fan der USA und vor allem von ,Miami Vice‘. Daher sollte mein Laden ,Miami Ice‘ heißen. Gab’s aber schon. Und so kam ich auf ,Florida Eis‘.“ Der 66-Jährige wurde als Sohn eines Bäckers in Mitte geboren, wuchs in Neukölln auf und wohnt in Lichtenrade. Seit 1984 ist er Chef von Florida Eis.
Herr Höhn, schon auf den Wetterbericht geschaut?
Aber natürlich! Bei uns ist Hochbetrieb, aber nicht nur wegen der Sonne. Ostern ist ja immer Saisonstart, Mitte März stellen wir um von Vier-Tage- auf Fünf-Tage- Schicht. Hier klingelt dauernd das Telefon … einen Moment, bitte ... (im Hintergrund geht die Tür auf, Gemurmel ist zu hören) ... wo waren wir?
Beim Saisonstart.
Ach ja! Wir wollen 300 Menschen in diesem Sommer einen Arbeitsvertrag geben, ich will 2000 Tonnen Eis produzieren – voriges Jahr waren es 1200 Tonnen. Dolles Ziel, aber Ziele muss man ja haben, oder? Wissen Sie, wir haben gerade neun neue Lastwagen bestellt – auch einen richtig großen –, wir liefern unser Eis aus Staaken überallhin. In Privathaushalte, in 1300 Supermärkte, aber auch nach Zwickau, Thüringen, an die Ostsee, sogar aus Saudi-Arabien habe ich einen Anfrage gehabt, aber das ist mir zu weit weg. Wir haben gerade einen super Auftrag bekommen: Wir beliefern in diesem Sommer auch 75 Läden der Supermarktkette „Sky“ an der Nordsee – toll!
Auf Sylt haben Sie ja Ihre fünfte Florida-Eis-Filiale eröffnet ...
... nee, der heißt nur „Florida Eis Sylt“. Ich kenne den Mann schon lange, das ist unser Original-Eis, aber eher im Franchise-Prinzip.
Also gut: Dann haben Sie vier Filialen.
Nein, stimmt leider auch nicht. Wir haben uns in diesem Jahr von den zwei Standorten in Tegel getrennt.
Warum?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Es ist schwierig, in Berlin gutes Personal zu finden. Wir haben Wochenenddienst, von morgens bis abends, wir verhängen einen Urlaubssperre für den gesamten Sommer – das wollen sich viele Deutsche nicht mehr antun, schon gar nicht, wenn es warm ist und das Geld auch so regelmäßig und bequem vom Staat aufs Konto überwiesen wird. Da liegen viele lieber am See. Bei uns arbeiten seit vorigem Jahr viele Polen. Sie sind ausgebildet, wollen arbeiten, sind zuverlässig, wir zahlen pünktlich – das spricht sich auch in Polen herum. In Tegel kam noch hinzu, dass gleich mehrere Verkäuferinnen schwanger geworden sind. Find’ ich klasse, ich mag Kinder – ich mag aber auch Verkäuferinnen in meinem Eisladen (lacht).
Zahlen Sie zu wenig?
Mindestens 8,50 Euro. Wer länger dabei ist, bekommt mehr Geld und auch mehr Urlaub – 30 statt 25 Tage.
Haben Sie Flüchtlinge im Betrieb?
Ja, einen jungen Mann aus Syrien. Er kann sehr gut mit Zahlen umgehen, lernt Deutsch, kann Englisch. Für die Speiseeisproduktion benötigen wir aber Kräfte, die mit Lebensmitteln umgehen können, Köche und Bäcker. Fachpersonal nimmt die Hygienevorschriften auch ernst, das ist mir heilig.
Dann bleibt es bei zwei festen Läden in Spandau.
Uns wurde angeboten, eine neue Filiale am Humboldt-Forum zu eröffnen. Aber da sagt mein Bauchgefühl: Passt nicht. Mein Sohn, der ja vielleicht die Firma übernimmt, hat auch schon mal gesagt: ,Wollen wir ein Premiumcafé in Mitte aufmachen?‘ Ich würde ja auch gern eine feste Filiale in Prenzlauer Berg eröffnen. Aber wie gesagt: Wo sind die Angestellten dafür? Die Leute werden immer älter, schauen Sie an der Ampel nach links und rechts. Wir expandieren allerdings schon, nur eben mit unseren Partnern. In Pankow haben wir mit einem Supermarkt einen Tresen aufgebaut, Schirme hingestellt am Garbátyplatz. Keine schöne Ecke, direkt am S-Bahnhof Pankow gelegen – aber der Laden brummt!
Weil in Pankow so viele Familien leben?
Ja, vielleicht. Wir sind dort gut, wo neue Kieze entstehen, wo die Menschen auf Nachhaltigkeit achten und auf gute Produkte und auf Regionalität. Ich schaue mal hier in meinen Unterlagen ... (Höhn blättert, es raschelt) … wir verkaufen auch auffällig viel Eis in Weißensee. Und in einem Kaisers-Supermarkt in einem Neubaugebiet in Spandau, unten in Kladow, aber da ist ja auch ein See nebenan. Auch das Geschäft in den Supermärkten in Hohenschönhausen lief zuletzt richtig gut – keine Ahnung, warum, aber: toll!
Isst denn der Spandauer da draußen anderes Eis als der, sagen wir, Pankower?
Draußen? Hören Sie mal: Spandau ist doch nicht der Nordpol. Aber stimmt schon. Platt gesagt: Der Spandauer mag traditionelle Sorten – Rum-Traube. Der Pankower mag Minze, Limette, auch Prosecco-Eis. Und der Nordberliner mag Schlumpfeis, bunte Sorten!
Das sind doch jetzt Klischees.
Das denke ich mir nicht aus, das geht aus meinen Unterlagen hervor.
Herr Höhn, und was wird das Eis des Jahres 2016?
Oh, warten Sie mal. Bei Trends frage ich meine Kollegin, Frau Gürgen. Sie kommt aus dem Kempinski, ist meine Geschäftspartnerin und ... ach, Frau Gürgen kommt gerade rein! (die beiden unterhalten sich) Waldmeister, sagt sie. Und Cheesecake – das werden die Hits des Sommers.
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"Spandau verfällt nicht mehr so"
In der Klosterstraße liegt der erste Flordia-Eisladen. Kennt jeder, der in Spandau aufwächst. Olaf Höhn sagt über den Bezirk: „Spandau hat sich stabilisiert. Ich sehe hier keine Menschen mit Anzügen, die Geld haben. Aber der Bezirk verfällt nicht mehr so.“ 2010 entstand am Busknotenpunkt und U-Bahnhof die Ellipse, in der sich mehrere Geschäfte befinden – auch ein Eisladen. „Wir hatten da früher viel Kriminalität. Das schwappte aus der Altstadt und vom Bahnhof zu uns rüber. Taschendiebe, Drogenhändler – die Polizei ist da aber jetzt sehr energisch.“ Sein Verhältnis zur Politik? „Ich komme mit allen klar, ob mit dem Regierenden Michael Müller oder mit Ramona Pop von den Grünen. Ich denke ökologisch, bin aber Unternehmer. Ich mag fleißige Politiker. Und Bezirkschef Helmut Kleebank ist kein begnadeter Redner, aber er ist fleißig.“