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Die Polizei war in der Stendaler Straße nicht zu übersehen; im Kiez, wo Georgine Krüger und ihr mutmaßlicher Mörder wohnten.
© Sven Goldmann

Vermisstenfall Georgine Krüger: Der Nachbar soll der Mörder sein

Vor zwölf Jahren verschwand die 14-jährige Georgine Krüger in Moabit. Jetzt kamen die Ermittler dem mutmaßlichen Täter auf die Spur.

Es ist einer bewegendsten Kriminalfälle, Berlins: Die Ermittler sind erleichtert, nach jahrelanger Suche den mutmaßlichen Mörder von Georgine Krüger gefasst zu haben. „Mehr als zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden nahmen Spezialeinsatzkräfte in Moabit einen Mann fest, der die damals 14-jährige Georgine Krüger getötet haben soll“, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Dienstagmittag Twitter mit.

Später wird noch Martin Steltner, der Sprecher der Staatsanwaltschaft im Kriminalgericht Moabit vor die Kameras treten und erklären: Ein 43 Jahre alter Familienvater, ein Deutsch-Türke sei festgenommen worden. Ali K., Vater von drei Kindern, sitzt wegen Mordes in Untersuchungshaft und ist dringend verdächtig, das Mädchen am 25. September 2006 getötet zu haben.

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Sie lebten "Tür an Tür"

Einen Kilometer weiter nördlich, in der Stendaler Straße, hat Georgine Krüger gewohnt. Der mutmaßliche Täter und Georgine waren Nachbarn, „lebten Tür an Tür“, sagt Steltner. Dort im Kiez ist Georgine vor zwölf Jahren spurlos verschwunden. Es war ein Montag: Das Mädchen war „fröhlich, lebenslustig, begeisterungsfähig“, wie ihre Mutter später sagte.

An diesem Tag wollte Georgine eine Casting-Agentur aufsuchen, die ihr eine Fernsehrolle angeboten hatte. Ihr großer Traum: Schauspielerin werden. Sie kam von der Schule, stieg gegen 13.50 Uhr an der Perleberger Ecke Rathenower Straße aus dem Bus der Linie M27 und wurde dort zum letzten Mal von Zeugen gesehen. Von der Haltestelle bis zu ihrer Wohnung sind es 200 Meter. Doch dort kam sie nie an. Seither kennt Berlin den Namen Georgine Krüger. Was mit ihr geschehen ist, wusste zwölf lange Jahre niemand.

Am Dienstagmorgen wurde die Mutter informiert

Die Polizei ging mehr als 300 Hinweisen nach, durchsuchte Keller und Dachböden im Kiez – ohne Erfolg. Auch Mantrailer-Suchhunde, die kleinste Spuren kilometerweit verfolgen können, waren im Einsatz. Die sechste Mordkommission des Landeskriminalamtes (LKA) legte den Fall nie zu den Akten, Kriminalhauptkommissar Thomas Ruf hielt immer engen Kontakt zur Familie Krüger. Immer „weitermachen, den Mut nicht verlieren“, sagte Ruf dem Tagesspiegel im Mai.

Da hatten er und seine Kollegen nach einem anonymen Anruf ein Waldstück bei Brieselang im Havelland umgegraben, mit Hunden und Drohnen abgesucht – aber nichts gefunden. Georgines Mutter Vesna Krüger saß noch vor zwei Monaten in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ und sagte: „Ich glaube, dass meine Tochter noch lebt.“

Die vermisste Georgine Krüger
Die vermisste Georgine Krüger
© picture alliance / Polizei Berli

Seit Dienstagmorgen hat die Mutter Gewissheit, Ermittler informierten sie: Ihre Tochter wurde ermordet. Die Polizei rückte in der Stendaler Straße an, auch Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) waren dabei, weil es Hinweise auf Waffen im familiären Umfeld des Mannes gegeben habe. Die Verhaftung sei aber problemlos verlaufen. Richter hatten bereits einen Haftbefehl ausgestellt, der dem 43-Jährigen noch am Dienstag vom Richter verkündet werden sollte. „Die Beweislage ist nicht schlecht“, sagte Steltner.

Ermittler setzten Undercover-Spezialisten auf Ali K. an

Die Fahnder sind Ali K. durch einen verdeckten Ermittler auf die Spur gekommen. 2017 bekamen sie Hinweise, dass der Mann das Mädchen getötet haben könnte. „Er war in besonders auffälligen Maße an minderjährigen Mädchen interessiert“, hieß es. Die Ermittler entschieden, einen Undercover-Spezialisten auf den 43-Jährigen anzusetzen.

Der Ermittler ist dem Mann offenbar sehr nahe gekommen. Die Staatsanwaltschaft deutete an, dass der verdeckte Ermittler Tonaufnahmen von Gesprächen mit dem mutmaßlichen Täter gemacht hat. Diese Aufzeichnungen mit Äußerungen zur Tat hätten bei den Ermittlungen „den Knoten zum Platzen gebracht“, sagte Steltner. Ali K. hat die Tat gegenüber dem unerkannt gebliebenen Beamten gestanden. Erhärtet wurde der Verdacht durch Bewegungsprofile vom Tattag, die anhand von Funkzellenabfragen erstellt und mit den Handydaten von Georgine abgeglichen wurden. Auch sein Telefon wurde abgehört.

Martin Steltner, Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, berichtet auf einer Pressekonferenz von einer Festnahme.
Martin Steltner, Pressesprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, berichtet auf einer Pressekonferenz von einer Festnahme.
© dpa

Die Leiche des Mädchens ist noch nicht gefunden worden

Ali K. war bereits nach Georgines Verschwinden als Zeuge vernommen worden, hatte damals aber erklärt sie nicht zu kennen. Zudem war der heute 43-Jährige 2012 vom Amtsgericht Tiergarten wegen sexueller Nötigung einer Jugendlichen verurteilt worden. Er hatte laut Urteil 2011 versucht, ein 17-jähriges Mädchen in das Mietshaus in Moabit und in seinen Keller zu locken, um es zu missbrauchen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass Ali K. genauso bei Georgine Krüger vorgegangen ist. Als sie aus dem Bus stieg, soll er sie „von der Straße ins Haus gelockt und dort getötet haben“. Und zwar in jenem Kellerraum, in dem er 2011 versucht hat, die 17-Jährige zu vergewaltigen. Georgine Krüger sei vermutlich noch am Tag ihrer Entführung getötet worden. Die Leiche des Mädchens ist bislang noch nicht gefunden worden. Ob das jemals geschehen wird, da ist sich auch Martin Steltner von der Staatsanwaltschaft nicht sicher.

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