Bundespräsident in Cottbus: Der Mutmacher
Nach den Gewaltvorfällen in Cottbus und den Demos gegen Flüchtlinge besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Stadt. Er sprach auch beim Festakt "Tolerantes Brandenburg".
Nach mehreren Gewaltvorfällen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen sowie mehreren rechten Demonstrationen in Cottbus hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Samstag die Stadt besucht. Anlass war auch ein Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Handlungskonzeptes "Tolerantes Brandenburg".
Steinmeier sagte zum Auftakt der mehrstündigen Gespräche mit Bürgern und Vertretern aus der Stadtpolitik, aus Schulen, Polizei und Kultur, es gehe ihm "vor allen Dingen um Ermutigung derjenigen, die sich dafür einsetzen, dass man in dieser Stadt weiterhin gut zusammenleben kann". Die Sorgen und Ängste der Menschen „wollen und müssen wir uns anhören“, sagte Steinmeier. „Niemand hat die Absicht etwas unter den Tisch zu kehren.“
Steinmeier hatte seinen Besuch schon 2017 angekündigt
Steinmeier hatte bereits im vergangenen Jahr sein Kommen zum Festakt in Cottbus zugesagt. Im Februar hatte er Vertreter der Stadt in Berlin empfangen. Anlass waren gewaltsame Attacken von Flüchtlingen auf Deutsche. Zugleich hatten Demonstrationen des rechten Bündnisses „Zukunft Heimat“, bei denen auch Brandenburger AfD-Politiker als Redner auftraten und stets auch Rechtsextremisten dabei waren, Zulauf.
Zuletzt hat sich die Lage in Cottbus aber auch dank massiver Polizeipräsenz beruhigt, allerdings kam es vor knapp zwei Wochen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tschetschenen und Afghanen. Zugleich zeigten sich bei den Feiern von Fußballfans zum Aufstieg des FC Energie Energie Cottbus in die dritte Liga Ende Mai mutmaßliche Rechtsextremisten mit Mützen und Symbolen des rassistischen Ku-Klux-Klan. Mehrere Polizeibeamte hatten dies in der Innenstadt beobachtet, waren aber nicht dagegen eingeschritten.
Oberbürgermeister Kelch: "Unsere Stadt ist offen und gastfreundlich."
Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) sagte am Samstag, er wolle Steinmeier zeigen wie Cottbus wirklich sei: ehrlich, offen und gastfreundlich. Cottbus sei ein Stadt wie andere in der Bundesrepublik und habe dieselben Probleme. Ohne die Unterstützung des Bundes werde Cottbus „nicht das bewältigen können, was uns gebracht worden ist, nämlich die Integration von Flüchtlingen“.
Zugleich gibt es in Cottbus allerdings eine aktive Szene aus Neonazis, Hooligans, Kampfsportlern und Rockern. Die Lausitz ist der Hotspot der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg. Infolge der Demonstrationen des Vereins „Zukunft Heimat“ prüft der Verfassungsschutz mögliche Verbindungen zu Rechtsextremisten.
Das Programm "Tolerantes Brandenburg" wurde vor 20 Jahren gegründet
Das Regierungsprogramm „Tolerantes Brandenburg“ war vor 20 Jahren nach zahlreichen fremdfeindlichen Gewalttaten, rechtsextremen Morden und Angriffen auf Flüchtlingsheime gegründet worden. Steinmeier sagte, er wolle beim Festakt allen danken, die sich beim „Toleranten Brandenburg“ engagiert und Mut gezeigt haben, für die Demokratie einzustehen. Und es gehe ihm darum, denjenigen zu danken, „die nicht nur in der Sofaecke sitzen und schimpfen, sondern die etwas in die Hand nehmen“.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rief zu einem Schulterschluss gegen „das Schüren von Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge und Fremde“ auf. „Gemeinsam wollen wir klare Kante zeigen gegen Rechtsextremismus in unserem Land.“ Woidke, der Steinmeier begleitete, berichtete aus den Gesprächen des Bundespräsidenten mit den Bürgern, es herrsche wieder Optimismus, auch weil die Probleme in der Stadt angegangen worden sind. Dennoch sei die Situation weiter besorgniserregend, es müsse in Cottbus und anderswo alles dafür getan werden, dass die Integration von Flüchtlingen gelinge.
Steinmeier habe eine wichtige Funktion für die Stadt ausgefüllt, sagte Woidke: "Er ist hier her gekommen als Mutmacher - auch für viele Menschen, die ein Stück weit von den Ereignissen zu Jahresbeginn überrollt worden sind. Er hat diese Funktion wunderbar wahrgenommen. Er ist ein schöner Katalysator gewesen."
Der Bundespräsident beklagt Verrohung und Entsolidarisierung
In seiner Rede zum Festakt sagte Steinmeier, es gebe noch immer rechtsextreme Gewalt, aber die politische Lage sei anders. „Wir sehen uns mit Verwerfungen neuer Art konfrontiert“, sagte der Bundespräsident. Das Thema Flüchtlinge spalte Stammtische, Familien und Orte und dominiere die öffentliche Debatte. Die Politik habe viel zu tun, damit die Integration von Flüchtlingen gelinge, die Bürger hätten da hohe Erwartungen. Zugleich wünschten sich viele Menschen, die Politik würde sich mehr anderen Aufgaben zuwenden: Gesundheit, Pflege, Rente und wie jüngere Generationen später einmal leben. „Offenbar ist ein gutes Stück Zuversicht und Vertrauen verloren gegangen“, sagte Steinmeier.
Zugleich beklagte der Bundespräsident Verrohung und Endsolidarisierung, Feindbilder und enthemmte Empörung. Demokratie brauche zwar den Streit, aber wenn politische Kommunikation permanent aufgeladen werde als „die da oben gegen die da unten, werden Argumente überflüssig“, sagte Steinmeier.
"Nicht denen auf den Leim gehen, die ein anderes System wollen"
Die Gesellschaft dürfe „nicht denen auf den Leim gehen, die nicht nach Lösungen suchen, sondern nach einem anderen System, defacto nach einem anderen Staat.“ Zugleich dürfe man auf keinem Auge blind sein: Angriffe von Rechtsextremen auf Flüchtlinge seien genauso eine Straftat wie Attacken von Flüchtlingen auf Deutsche oder jüngste Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingsgruppen. „Recht und Rechtsstaat sind konsequent durchzusetzen".