Cottbus: Polizisten lassen Neonazis gewähren: Innenminister nach Ku-Klux-Klan-Aktion: "Dazu fällt mir nichts mehr ein"
Polizeibeamte beobachteten in Cottbus bei der Aufstiegsfeier eine Aktion von Neonazis – und schritten nicht ein. Innenminister Schröter kritisiert das mit deutlichen Worten.
Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat am Donnerstag das Verhalten der Polizei in Cottbus bei einer Aktion mutmaßlich rechtsextremer Fußballfans kritisiert. "Wenn Polizisten die Zeichen des Ku-Klux-Klan nicht kennen, stößt das bei mir auf Verständnislosigkeit. Dazu fällt mir nichts mehr ein“, sagte Schröter am Donnerstag im Landtag.
Mehrere Beamte haben am Sonntag beobachtet, wie Fans des FC Energie Cottbus nach der Aufstiegsfeier auf dem Altmarkt mit KKK-Symbolen aufgetreten waren - schritten aber nicht ein. An diesem Tag waren mehrere Hundert Fans nach dem Spiel gegen Weiche Flensburg und dem Aufstieg in die 3. Liga durch die Cottbuser Innenstadt gezogen.
Auf dem Altmarkt präsentierte eine Handvoll Fans ein Banner mit dem Schriftzug „Aufstieg des Bösen“, darauf das KKK-Kreuz. Dabei trugen sie weiße Kapuzen im Stil des Ku-Klux-Klans. Und auch der Schriftzug war offenbar ganz bewusst gewählt: Den gleichen Namen trägt eine bekannte Filmbiografie über Adolf Hitler. Bekannt wurde der Fall erst durch ein Foto, das im Internet verbreitet wurde.
Die Beamten wollen den Zusammenhang nicht erkannt haben
Um das Verhalten der Beamten kümmert sich nun auch das für polizeiinterne und Amtsdelikte zuständige Landeskriminalamt (LKA). Gegen drei Beamte, darunter die Leiterin der Inspektion Cottbus, wird ermittelt. Der Verdacht: Strafvereitelung im Amt. Polizeivizepräsident Roger Höppner (57) hat am Mittwoch angewiesen, dass gegen die Beamten ein Anzeige erstattet wird. Sie sind vom Dienst suspendiert.
Die drei Beamten hatten - wie erst am Mittwoch bekannt wurden - die Szenerie aus direkter Nähe beobachtet. Nach ersten Erklärungen der Polizei haben die Beamten auf dem Altmarkt in Cottbus die Fans in Kapuzen und mit Bengalo-Feuer gesehen, nicht aber das Transparent. Die Beamten seien aber davon ausgegangen, dass die Kopfbedeckungen nur Maskierung gewesen seien, um Anzeigen wegen des illegalen Feuerwerks zu entgehen.
Einen Zusammenhang zwischen den typischen, weißen Kapuzen und dem Ku-Klux-Klan hätten die Beamten jedoch nicht herstellen können, die Aktion im Kontext nicht erkannt, hieß es zunächst. Von dieser bisherigen Darstellung der örtliche Direktion rückte das Polizeipräsidium in Potsdam am Mittwoch in Teilen sogar ab. Nun heißt es, die Beamten hätte in unmittelbarer Nähe zu den rechten Cottbus-Fans gestanden.
Minister: Verhalten der Beamten ist nicht hinnehmbar
Wie Schröter nun sagte, werde das Vorgehen der Polizei genau geprüft. Etwa warum bereits gegen 18 Uhr eine von zwei eingesetzten Hundertschaften bereits nach Hause geschickt wurde, dies sei erklärungsbedürftig, wenn die Lage bekanntermaßen erst meist nach Fußballspielen eskaliert.
Um 19 Uhr hätten sich mehrere Hundert Fans auf dem Altmarkt befunden, darunter teils stark alkoholisierte Männer und „polizeilich relevante Personen“. Die Bengalos seien gegen 19.15 entzündet worden. Die ganze Flashmob-Aktion habe mehrere Minuten gedauert, sei offenbar gut organisiert gewesen und habe der Aufnahme des Fotos gedient., sagte Schröter.
Die drei Beamten, die das alles aus unmittelbarer Nähe gesehen haben, haben das alles laut Schröter auch fotografiert und dokumentiert. Schröter kritisierte, dass die Polizisten weder sofort noch danach eingegriffen haben, um die Personalien festzustellen. Deshalb wissen die Ermittler auch nicht, wer sich unter den KKK-Masken versteckt hat.
Selbst wenn die Beamten aus Sorge um eine Eskalation zunächst nicht eingegriffen hätte, so hätten sie doch im Anschluss unverzüglich die Identitäten feststellen müssen. „Falls staatliche Eingriffsmöglichkeiten vorwerfbar nicht ausgeschöpft worden sein sollten, ist das nicht hinnehmbar“, sagte Schröter.
Schröter: Die Polizei hätte eingreifen müssen
Schröter ist im Landtag auch nach den Schulungen in der Polizei zu rechtsextremistischen Organisationen gefragt worden. Der Ku-Klux-Klan sei in Brandenburg jedoch in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr besonders in Erscheinung getreten, sondern eher andere Symbole rechtsextremer Gruppen, sagte der Minister. Dennoch hätten „drei Dinge“ die Polizei „zum Eingreifen veranlassen müssen“, sagte Schröter und zählte auf: verbotene Vermummung, eine nicht genehmigte Demonstration und das Abfackeln der Pyrotechnik.
Die Ermittlungen liefen nun auf Hochtouren, sagte Schröter. Videos seien ausgewertet worden, erste Beamte vernommen worden. Dies alles sei Donnerstag der Staatsanwaltschaft bereits vorgelegt worden.
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jan Redmann, der auch Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss ist, warnte davor, die KKK-Aktion zu verharmlosen. In den 1990er-Jahren habe es auch in Brandenburg Kreuzverbrennungen des Ku-Klux-Klan gegeben. Damals seien tatsächlich rechtsradikale Strukturen entstanden, die bis hin zum NSU-Terror geführt hätten. Auch der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski bezweifelte, dass die Beamten die Ku-Klux-Klan-Symbole nicht erkannt haben wollen. „Das ist Allgemeinwissen, kein Spezialwissen“, sagte Dombrowski.
In einer internen Infobroschüre des LKA zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, die im Juni 2010 in der neunten Auflage von 10.000 Stück erschien und an alle Beamten verteilt wurde, werden der Ku-Klux-Klan und seine Symbole erwähnt - in der Rubrik über nicht verbotene Organisationen und nicht strafbare Symbole. In einem 2014 eingeführten Computerkurs für die Beamten ist die Organisation nicht erwähnt worden. Ein Polizeisprecher sagte dem Tagesspiegel: Die Broschüre sei weiterhin gültig. Im Klartext: Die Beamten hätten wissen müssen, womit sie es zu tun haben.
Innenminister Schröter will nun mit aller Härte vorgehen. "Das war ein Vorgang, den wir nicht tolerieren können, weil wir ihn nicht tolerieren dürfen", sagte der Innenminister. Wer Unrecht nicht mit Strenge begegne, bahne neuem Unrecht den Weg.
Polizeiführung zeigt sich irritiert
Unverständnis herrscht bei der Polizeiführung über die Beamten wegen der besonderen Rolle und Vorgeschichte der rechten Szene in Cottbus und weil es in der Brandenburger Polizei eigentliche eine klare Linie gibt:-Nämlich bei Aktionen von Neonazis mit aller nötigen Härte und Entschlossenheit vorzugehen. Und zwar unabhängig davon, dass die KKK-Symbole nicht strafbar sind.
Zudem sind in Folge des Skandals um die Morde des Neonazi-Trios NSU besondere Schulungen für die Polizei angeordnet worden. Seit 2013 müssen alle Straftaten selbst von normalen Streifenpolizisten schon beim Erfassen auf einen rechtsextremen Hintergrund geprüft werden. Streifenpolizisten wurden mit Taschenkarten ausgestattet, anhand derer sie am Tatort mögliche politische Hintergründe für Straftaten schneller erkennen können - dabei geht es auch um rechte Symbole. Beamte sollten in ihren Dienststellen zudem Schulungen am Computer zu rechtsextremen Straftaten bekommen.
Wollten die Beamten die KKK-Symbole nicht erkennen?
Doch am Sonntag taten die Beamten nichts: Die Staatsanwaltschaft und der Staatsschutz der Polizei ermitteln erst seit Montag, nachdem ein Foto von der Aktion im Internet kursierte und mehrere Medien darüber berichtet haben. Der Vorwurf lautet auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Genau das aber haben die Beamten vor Ort offenbar nicht erkannt. In der Landespolitik werden sogar Zweifel laut, ob die Beamten den Gesetzesverstoß möglicherweise nicht erkennen wollten.
Denn eigentlich steht ein größerer Kreis von rechtsextremen Hooligans seit mehr als einem Jahr im Visier von Ermittlern. Im Januar 2017 hatten mehr als 100 vermummte Neonazis einen Fackelmarsch mitten über den Altmarkt abgehalten - die Polizei bekam davon erst etwas mit, als es zu spät war.
Die Sicherheitsbehörden werteten den Aufmarsch als Machtdemonstration - auch der Hooliganszene. Die Polizei richtete eine bis heute bestehende Ermittlungsgruppe ein, die Sicherheitsbehörden stellten sich darauf ein, dass es zu weiteren derartigen Aktionen und weiteren rechtsextremistischen Straftaten kommt.
Ein Netzwerk mit krimineller Energie
Durch gemeinsame Recherchen der Tagesspiegel-Schwesterzeitung „Potsdamer Neueste Nachrichten“ und des rbb haben 2017 aufgedeckt, dass Neonazi-Hooligans ein kriminelles Netzwerk in der Fanszene aufgebaut haben. Mit Gewalt und Bedrohungen versuchten die Rechtsextremen, die Szene in Cottbus einzuhegen.
Nach den Berichten hatte sich die Hooligan-Truppe „Inferno Cottbus“ 2017 offiziell aufgelöst. Offenbar, um einem Vereinsverbot zuvorzukommen. Die Sicherheitsbehörden gehen aber davon aus, dass die Neonazis im Hintergrund weiter aktiv sind - in einer Mischszene mit Kampfsportlern und Rockern.
Der Verein Energie Cottbus reagierte mit einer scharfen Stellungnahme auf die Aktion von Sonntag: „Das ist eine Darstellungsform, die menschenverachtend, abstoßend und in keiner Weise tolerierbar ist.“ Sollten die Neonazis identifizert werden, werde Energie bundesweite Stadionverbote und lebenslange Hausverbote aussprechen.
Die Innenexpertin der Grünen-Landtagsfraktion, Ursula Nonnemacher, sagte: „Der unsagbare Vorfall auf dem Altmarkt strahlt im Negativen auf ganz Brandenburg aus.“ Es verfestige sich der Eindruck, dass die Schritte des Vereins gegen die Neonazi-Fans „bei Weitem nicht ausreichend waren“, sagte sie.
Jedenfalls haben die, die sich im Cottbuser Stadion Neonazis entgegenstellen, am Sonntag wieder Probleme bekommen. Der Zusammenschluss „Energie-Fans gegen Nazis“ hatte in der Fankurve sein kleines Banner angebracht. Noch vor Spielbeginn wurde das Transparent jedoch abgerissen, es folgten Beleidigungen und tätliche Angriffe gegen die Nazi-Gegner, teilte die Gruppe mit. Es war das zweite Mal, dass die Fans ihr Banner zeigten. Aber auch vor eineinhalb Wochen in Babelsberg hatten es andere Cottbus-Fans im Gästeblock heruntergerissen.