Berlin-Prenzlauer Berg: Der letzte Waschsalon im Bötzowkiez muss schließen
Im Bötzowviertel scheint niemand mehr Waschsalons zu brauchen. Der letzte macht jetzt dicht. Von Verdrängung ist die Rede – aber nicht von Gentrifizierung.
Die Nachbarschaft könnte nicht besser sein: Sanierte Altbauten säumen gemütliche Straßen, in denen die Geschäfte Namen tragen wie „Schneewitte“, die Cafés „Knorke“, „Kaffeeraum“ oder „Tous les Jours“ heißen. Individualität ist Programm im Bötzowviertel in Prenzlauer Berg. Da sticht das „Wasch-Center“ über einem Eckladen an der Hufelandstraße deutlich heraus. Was in Kreuzkölln der ironische Name für eine Hipster-Bar sein könnte, ist hier nüchterne Realität. Hier wird tatsächlich Wäsche gewaschen.
Allerdings nicht mehr lange. Eine Ladung wird hier für drei Euro sauber, für einen Euro mehr auch wieder trocken. Alles in einer guten Stunde. Doch von Kunden, von denen es erstaunlich viele gibt in einer Gegend, in der die eigene Waschmaschine eigentlich Standard sein dürfte, weiß fast niemand vom bevorstehenden Aus am Wochenende.
Einer von ihnen ist Alexander Derkam, der hier einmal pro Woche herkommt. In seinem Korb liegen T-Shirts, Shorts und Sportsocken. Er bestückt immer drei Maschinen gleichzeitig. „Eine Waschmaschine wäre eigentlich günstiger“, sagt er. Aber er wohne nur zur Zwischenmiete hier, da lohne sich so eine Anschaffung nicht. Ähnlich geht es auch Heleri Tamm, die seit einem Jahr im Kiez wohnt. „Ich komme eher notgedrungen hierher“, sagt die 28-Jährige.
In ihrer Wohnung gebe es keine Möglichkeit, eine Waschmaschine anzuschließen. Auch zwei Touristen aus Neuseeland können hier zum ersten Mal ihre Trekking-Kleidung waschen. Während der Reise gingen sie oft in Waschsalons, denn in Hostels könnten sie das nur selten. Während die Wäsche läuft, bleibt hier aber niemand länger als nötig in dem etwas stickigen Salon. Man geht einen Kaffee trinken oder macht noch Besorgungen. Seit mehr als 20 Jahren gibt es das „Wasch-Center“ schon. Vor elf Jahren wurde es von Helmut Schörner übernommen. Doch der Mietvertrag sei nicht verlängert worden, sagt der 61-Jährige.
Der Waschsalon, ein Opfer der Gentrifizierung?
Eine Chance, den Laden hier zu halten, habe er nicht gehabt. Zu ernsthaften Verhandlungen sei es erst gar nicht gekommen, sagt er. Vor vier Jahren wechselte der Hauseigentümer, der das bis dahin recht vernachlässigte Gebäude sanieren ließ. Dieser wolle das Haus hübscher machen, vermutet Schörner. „Und da passt so etwas Banales wie ein Waschsalon wohl nicht mehr zu den Schickimicki-Geschäften in der Nachbarschaft“, sagt er. Wie der Eigentümer seine Entscheidung begründet, bleibt unbeantwortet. Eine Stellungnahme war nicht zu erhalten. Die Schließung des Waschsalons im Bötzowkiez – ein weiteres Kapitel in der Geschichte namens Gentrifizierung? So weit würde Schörner nicht gehen. „Das hier Gentrifizierung zu nennen, wäre zu hoch gegriffen. Aber gewisse Verdrängungsmechanismen sind schon am Werk.“
ch auch wenn er nun einen seiner sieben Salons schließen muss, sieht er die Branche nicht in einer Krise. „Ein Waschsalon-Sterben gibt es nicht in Berlin“, sagt er. Die Waschsalons seien schon mal für tot erklärt worden, als in den 1960er Jahren Waschmaschinen flächendeckend von Privathaushalten angeschafft wurden , sagt Schörner.
Dass sich Waschsalons in einer schwierigen Zeit befänden, verneint auch der Verband der Waschcenter-Betreiber: Pro Jahr öffneten deutschlandweit bis zu zehn neue Salons, in Berlin waren es im vorigen Jahr drei. Insgesamt gibt es derzeit rund 50 Salons in der Stadt. „Es wird immer Leute geben, die unseren Service in Anspruch nehmen“, sagt Helmut Schörner. Und die Kunden kommen aus nahezu allen Bevölkerungsschichten: Studenten, Singles, Touristen und Hartz-IV-Empfänger.
In Gegenden mit dieser Kundschaft laufe das Geschäft dementsprechend gut, so Schörner. Gleichzeitig schließt das immer mehr Orte in Berlin aus. „Am Grunewald oder Wannsee, aber inzwischen auch am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg würde ich keinen Laden mehr aufmachen“, sagt er. Von der Filiale im Bötzowkiez aus liegt sein nächster Waschsalon an der Schönhauser Allee und der laufe weitaus besser. Dort sei einfach mehr Durchgangsverkehr, und die Bewohnerschaft in diesem Teil Prenzlauer Berg sei durchmischter als im Umkreis der Hufelandstraße, sagt er.
Kaffee trinken und Wäsche waschen
Um den eigenen Waschsalon aufzuwerten, versuchen Betreiber immer wieder einmal, das Ganze mit einem Café zu verbinden – was nicht immer glückt. Anders beim Waschsalon „Freddy Leck“ in Moabit. In seinem Salon sollen sich die Leute wohlfühlen, Kaffee trinken oder am Laptop arbeiten, während ihre Kleidung wäscht. Auch Simone Blömer von der Industrie- und Handelskammer sieht einen Trend in diese Richtung. „Berlin ist eine Stadt, in der viele Menschen aus aller Welt zusammenkommen und auf Zeit bleiben – da bietet sich ein Waschsalon nicht nur zum Waschen an, sondern auch, um miteinander ins Gespräch zu kommen.“
Von dem Konzept, ein Café in seine Waschsalons zu integrieren, hält Helmut Schörner aber nicht viel. Das mache mehr Arbeit mit strengen Hygienevorschriften, und man brauche Personal, das teuer ist. Auch der Verband der Wasch-Center-Betreiber empfiehlt, sich so eine Kombination gut zu überlegen und genau darauf zu achten, ob die Wohnlage so ein Waschsalon-Konzept überhaupt hergibt. Der Bötzowkiez tut das wohl trotz seiner vielen Cafés nicht mehr. Denn selbst ein Bestattungsinstitut musste einem modernen italienischen Bistro weichen.