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Ausgedient. Bis Jahresende will der Bezirk das Rathaus Wilmersdorf räumen, um künftig etwa zwei Millionen Euro Kosten pro Jahr zu sparen.
© Cay Dobberke

Berlin: Rathausumzug in der City West: Der kleine BER von Wilmersdorf

Das Rathaus am Fehrbelliner Platz wird aus Kostengründen geräumt. Doch der Umzug verteuert sich um Millionenbeträge. Manche sehen Parallelen zum Großflughafen in Schönefeld.

Dagmar Königs Büro hat eine beachtliche Größe. Vor dem Schreibtisch wuchert ein halber Urwald, dazu ist Platz für eine Sitzecke und einen langen Konferenztisch. So sind diverse Räume im Rathaus Charlottenburg gebaut. Stadträtin König ist auch zuständig für die Immobilien des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf, derzeit ein Job mit überschaubarem Reiz. Die 59-jährige CDU-Politikerin sitzt am Kopf des Konferenztisches und sagt: „Die Kosten sind viel höher als geplant. Wir müssen umschichten, das kann auch zu Lasten einer Kita oder einer Schule gehen.“

Mal wieder eine millionenschwere Fehlplanung, diesmal bei der Räumung des Rathauses Wilmersdorf. Die Mitarbeiter sollen ins Rathaus Charlottenburg und ins Verwaltungsgebäude am Hohenzollerndamm umziehen, das als Bürgeramt bekannt ist. Das landeseigene Rathaus am Fehrbelliner Platz soll zum 1. Januar 2015 an Nachmieter aus der Berliner Verwaltung übergeben werden. Der Plan lautete: Der Umzug kostet drei Millionen Euro plus die Summe x, dafür werden jährlich zwei Millionen Euro gespart.

Jetzt stellt sie die Weichen. Dagmar König (CDU) ist seit November 2013 Stadträtin für Bürgerdienste, Weiterbildung, Kultur, Hochbau und Immobilien.
Jetzt stellt sie die Weichen. Dagmar König (CDU) ist seit November 2013 Stadträtin für Bürgerdienste, Weiterbildung, Kultur, Hochbau und Immobilien.
© Bezirksamt

„Von sechs Millionen war nie die Rede“

Die Wirklichkeit lautet: „Bis jetzt betragen die Kosten sechs Millionen Euro, doch das wird nicht reichen“, sagt Dagmar König. Wie teuer es am Ende sein wird, weiß niemand. Klar war nur: Die Summe x sollte nicht groß sein, auf keinen Fall drei Millionen Euro. Sie bestand aus Kosten, die nicht ganz genau zu kalkulieren waren. „Aber von sechs Millionen Euro war nie die Rede“, sagt Holger Wuttig, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), „dieses Projekt ist unser kleiner BER.“

Die BVV des klammen Bezirks hatte den Auszug im März 2012 beschlossen. Der damals zuständige Stadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU), Königs Vorgänger, hatte geplante jährliche Einsparung vorgerechnet. Für Umbaumaßnahmen und Renovierungen im Rathaus Charlottenburg und am Hohenzollerndamm erhielt der Bezirk von der Senatsfinanzverwaltung ein Darlehen von drei Millionen Euro, rückzahlbar in Raten. „Es war aber immer klar, dass zusätzliche Mittel aus der baulichen Unterhaltung notwendig sein werden“, sagt Gröhler.

Der Platzbedarf wurde unzureichend berechnet

Dass ungeplant Millionen Euro versickern, hat viele Ursachen. Der Platzbedarf wurde nicht genau genug ermittelt, die Zahl der nötigen Büros war nicht geklärt, die Planer beachteten zu wenig, dass sich langgestreckte Büros im Rathaus Charlottenburg nicht einfach durch eine Wand in zwei Zimmer trennen lassen. „Es gab den politischen Wunsch umzuziehen, und man hatte gehofft, dass sich alles irgendwie schon regelt“, sagt König. Sie bekam das Thema auf den Tisch, als sie Gröhlers Amt übernahm. Dieser zog im September 2013 in den Bundestag ein.

Seine Nachfolgerin sagt, ihr erste Amtshandlung „war eine Bestandaufnahme“. Deren Ergebnis fasst sie kurz und bündig zusammen: „Das klappt nicht. Wenn man das größte von drei Gebäuden aufgibt und das Personal in zwei kleinere Gebäude steckt, müssen Zweifel erlaubt sein, dass das so einfach funktioniert.“

Mitarbeiter beharrten auf Büros für sich allein

Es funktionierte nicht, auch weil Abteilungen unangemessen großen Platzbedarf anmeldeten. „Es gab Bereiche, die man nur mit viel Mühe auf weniger Platz reduzieren konnte“, sagt König. „Zudem hatte keiner überlegt, wie man die Räume nutzen kann. Der Zuschnitt wurde nicht überprüft.“ Die Planer hätten einfach den Platzbedarf pro Mitarbeiter ausgerechnet. „Aber einen Raum, der acht Meter lang und zwei Meter breit ist, kann ich nicht einfach teilen.“ Und noch etwas: „Man hatte nur ein Prozent der Gesamtfläche als Reservefläche eingeplant. Das ist deutlich zu wenig. Erfahrungsgemäß muss man von zehn Prozent ausgehen.“

Sie kämpft auch mit trotzigen Mitarbeitern. „Viele haben gesagt, dass sie noch nie anders als in Einzelbüros gearbeitet hätten“, sagt König. In einer Abteilung legten 18 Mitarbeiter privatärztliche Atteste vor, die den Bedarf an einem Einzelarbeitsplatz zeigten. Als dann allerdings ein Amtsarzt die Mitarbeiter begutachten sollte, hätten plötzlich nur noch zwei dafür bereitgestanden.

Am Fehrbelliner Platz ist erst eine Etage geräumt

Laut Haushaltsplan sollten schon wesentliche Teile des Rathauses Wilmersdorf geräumt sein. Seit Anfang dieses Jahres ist der Bezirk nur noch Mieter der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die Kosten wollte man durch den Auszug sukzessive reduzieren. In Wirklichkeit steht bisher nur der fünfte Stock leer – zehn Prozent der genutzten Fläche. „Das Bezirksamt war bei der Haushaltsplanung sehr optimistisch“, sagt König. Selbst der Auszug zum Jahresende ist keinesfalls gesichert. Allerdings werden Nachnutzer wie der Landesrechnungshof voraussichtlich nicht gleich am Stichtag 1. Januar einziehen. „Einen gewissen Puffer danach haben wir noch“, sagt König.

Für SPD-Fraktionschef Wuttig ist sie nur unschuldige Verwalterin des Mangels. „Sie hat dieses schwere Erbe von ihrem Vorgänger übernommen“, sagt er. „Gröhler hat diesen Umzug als solide und machbar dargestellt.“ Ein anderes BVV-Mitglied ist sauer, weil nun Gelder abgezweigt werden, mit denen Schulen und Kitas saniert werden sollten.

Gegen die Rathausräumung hatten 2012 die Piratenfraktion und Marlene Cieschinger (Linke) votiert. „Man hätte den Status quo eine Weile erhalten können, um eine adäquate Lösung zu finden“, sagt Siegfried Schlosser (Piraten).

Ateliers mussten schließen, die Musikschule soll umziehen

Betroffene gibt es auch außerhalb der Ämter. Acht Künstler verloren Ateliers im Verwaltungsbau am Hohenzollerndamm, nun bauen Arbeiter für das Stadtplanungsamt um. Für die meisten Künstler habe man Ersatz gefunden, heißt es.

Seit März protestieren Eltern von Kindern, die an der bezirklichen Musikschule aktiv sind oder auf die Carl-Orff-Grundschule gehen. Denn die Musikschule soll ihren Sitz im Rathaus Schmargendorf dem Vermessungsamt überlassen und in den benachbarten Schulhort ausweichen. Zumindest eines haben die Eltern erreicht: Der Bezirk hat die Umsetzung für sechs Monate ausgesetzt, um Alternativen zu prüfen.

Unterschiedliche Meinungen gibt es zum Umzug des Bürgeramts aus dem Rathaus Charlottenburg in die Wilmersdorfer Arcaden. Als die neue Anlaufstelle im Mai öffnete, kritisierten manche Besucher das „Warten im Konsumtempel“. Außerdem zahlt der Bezirk dort Miete. Aber an alter Stelle stand das Amt geplanten Büros für Beamte aus Wilmersdorf im Weg.

Platz schaffen sollte auch die Schließung der Bücherei im Rathaus Charlottenburg zugunsten einer Bezirkszentralbibliothek in angemieteten Räumen am Kaiserdamm. Doch die rot-grüne BVV-Mehrheit wollte keine Zentralbibliothek.

„Das war sehr kontraproduktiv“, sagt Gröhler, der die Entwicklung weiter verfolgt. Das Umzugskarussell sei unverzichtbar gewesen, um das „satte Minus“ im Bezirkshaushalt zu verringern. „Wir hatten unter allen Bezirken die höchste Quadratmeterzahl pro Mitarbeiter, ein irrer Raumverbrauch.“ Objektiv gesehen, hätte man das Rathaus Charlottenburg räumen müssen, wo Zuschnitte schlechter seien und es mehr „Schmuck- und Verkehrsflächen“ gebe. Doch niemand wollte den fast 110 Jahre alten Stolz Charlottenburgs preisgeben. Das Rathaus Wilmersdorf hingegen wurde erst 1954 in einem Gebäude aus der Nazizeit eröffnet.

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