Columbiadbad in Berlin-Neukölln: Der Imam am Beckenrand
Im Columbiabad in Neukölln prallt alles aufeinander, was an Konfliktstoff so durch die Welt geistert. Und so musste in letzter Zeit regelmäßig die Bereitschaftspolizei anrücken. Bernd Matthies fragt sich, ob der Imam nun für Ruhe sorgen kann.
Wer nach einem Experimentierfeld für fruchtlose Sozialarbeit sucht, der muss in Berlin nicht weit fahren: Es gibt das Bad am Columbiadamm, das bei seiner Kundschaft als „Kulle“ weltbekannt ist. Dort prallt alles aufeinander, was an Konfliktstoff so durch die Welt geistert, und alle paar Wochen knallt es mit schöner Regelmäßigkeit in derartigen Dimensionen, dass die Bereitschaftspolizei anrückt; man darf annehmen, dass die verantwortlichen Polizisten alljährlich das Ende der Badesaison ungefähr so inbrünstig herbeisehnen wie Andrea Nahles den Mindestlohn.
Dabei galt bisher ein einfaches Deeskalationsmodell. Eine bunt gemischte Gruppe von „Konfliktlotsen“ mit dem Titel „Cool am Pool“ hatte das Ohr am Badevolk und sollte beschwichtigend einwirken, unterstützt von den Schwimmmeistern – insgesamt ein Trupp eher geringer Autorität. Scheiterte dieser Anlauf an allzu massiver Aggression, dann kam die Polizei, je nach Lage als Duo oder auch Hundertschaft.
Neu ist nun die Idee, zwischen diesen beiden Stufen eine weitere zu installieren, eine Autorität, die im deutschen Rechtssystem noch nicht vorgesehen ist, nämlich den Imam aus der Moschee nebenan. Das klingt auf den ersten Blick wie verzweifelter Pragmatismus: Wenn es halt außer dem gerade nicht anwesenden großen Bruder keine akzeptierte Autorität gibt und die Polizei auch nur eskalierend wirken kann, dann muss es eben einer richten, den ein Teil der Randalierer als Autorität akzeptiert.
Autorität des Imam auch von Biodeutschen anerkannt?
Nein, ich glaube nicht, dass das nun schon die Einführung der Scharia light durch die Berliner Hintertür ist. Aber falls es so kommt, ist damit in gewisser Weise amtlich bestätigt, dass die typischen Kulle-Konflikte eben nicht nur vom aufschäumenden Testosteron befeuert werden, sondern einen religiös-kulturellen Hintergrund haben, was eben doch etwas anderes ist als die übliche Gesundbeterei nach dem Motto „So sind junge Leute nun mal“.
Offen bleibt natürlich, ob der gute Imam besondere Lust hat, sich derart zwischen die Fronten werfen zu lassen. Und offen bliebe auch, ob seine Autorität denn auch von gründlich durcherhitzten Biodeutschen anerkannt würde? Also werden auch die christlichen Kirchen einen ökumenischen Badehosenpastor entsenden müssen.
Am Ende ist das einzig wirklich effektive Gegenmittel ein verregneter Sommer. Aber bevor wir den heraufbeschwören, sollten wir dem Imam eventuell doch eine Chance geben.