Berlin-Spandau: Der Groß Glienicker See sinkt immer weiter ab
Der Wasserstand des Spandauer Badegewässers lag einst 1,8 Meter höher. Ein Phänomen, das bei vielen Berliner Seen zu beobachten ist.
Im Hochsommer, als es mal so richtig heiß war und nicht ständig vom Himmel geschüttet hat, da zogen die Schwimmer im Glienicker See ihre Bahnen – und starrten am Ufer irritiert in den Himmel. „Ragten die Stege eigentlich immer so weit aus dem Wasser?“
Taten sie natürlich nicht, beziehungsweise: Der Wasserstand dieses beliebten Sees, in dessen Mitte die Landesgrenze zwischen Brandenburg (Potsdam) und Berlin (Spandau) verläuft, war mal viel höher. Das geht aus einem Brief an Swen Schulz (SPD) hervor, der sich danach erkundigt hatte. Absender: Staatssekretär Stefan Tidow, Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz.
Jedes Jahr im Durchschnitt 1,7 Zentimeter weniger
„Seit Beginn der Wasserstandaufzeichnungen 1960 konnte eine durchschnittliche Abnahme um 1,7 Zentimeter pro Jahr beobachtet werden“, heißt es in dem Brief. Das heißt, es verdunstet zu viel Wasser, der Zufluss aus der Havel (via Sacrower See) ist seit den 80er Jahren eh dicht, die Grundwasserspeisung allein reicht nicht aus, um den Pegel zu halten. Zudem sind alle Anwohner seit den 90er Jahren an die Kanalisation angeschlossen und die NVA-Grenzer aus den Kasernen pumpen auch nichts mehr in den See. Höhepunkt laut Tabelle: Frühjahr 1970 mit 32,1 Metern – der vorläufige Tiefpunkt war im Sommer 2016 erreicht mit 30,3 Metern. Differenz: 1,80 Meter, mit entsprechenden Folgen für Tier und Natur am Ufer.
„Derartige Phänomene werden seit längerer Zeit auch an anderen Grundwasserseen in Brandenburg und Mecklenburg beobachtet“, heißt es in dem Schreiben. Im Juni noch hatte es ähnliche Berichte vom Weißen See gegeben, vom Straussee, vom Döllnsee – damals schrieben wir: „Überall in der Berliner Peripherie werden kleine Seen zu Teichen, Tümpel zu Sümpfen und Sümpfe zu Wiesen.“
Grundwasser und Abwasser
Und der Wasserstand des Glienicker Sees zwischen Groß Glienicke – einem Potsdamer Ortsteil mit 4500 Bürgern – und Kladow – einem Spandauer Ortsteil mit 17 000 Einwohnern – werde ausschließlich über das Grundwasser beeinflusst, heißt es in dem Brief. Das Thema Wasserzufluss ist am Kladower Ostufer seit Jahren ein Thema, weil zu oft Dreckwasser in den See gespült wird. Die Kanalisation soll daher erneuert werden – allerdings wäre der Bau nach bisherigen Plänen verbunden mit Baumfällungen, überdimensionierten Neubaustraßen und hohen Kosten für Anwohner, die längst eine Bürgerinitiative gegründet haben. Die Politik setzt mittlerweile auf eine Mediatorin im Streit.
Immerhin: „Aufgrund der hohen Niederschläge im Sommer 2017 kann ein leichter Seespiegelanstieg beobachtet werden.“ Irgendwas Gutes musste der Sommer ja haben.
+++
Immer dienstags - unser Spandau-Newsletter
Jede Woche veröffentlichen wir unseren Tagesspiegel-Newsletter für Spandau - Leseprobe hier, kostenlose Bestellung unter www.tagesspiegel.de/leute
André Görke