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Ein Wolf steht in seinem Gehege im Wildpark Schorfheide.
© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Brandenburg: Der FDP-Politiker Kubicki plädiert für Abschuss von Wölfen

Im Falle von Notwehr solle es zulässig sein, Wölfe zu töten. Selbstjustiz gibt es in Brandenburg schon - aber illegal.

In diesem Winter hat Frank Michelchen seinen Jagdschein gemacht. Dabei ist er Biolandwirt. In Leibsch im Unterspreewald in Brandenburg hält er etwa 50 Kühe, nebst Kälbern und Jungrindern. Vor Wölfen war ihm nie bange – bis zum Mai 2016. Da fehlte ihm ein Kälbchen, das er lange suchte. Dann fand er die Überreste in der Nähe des Zauns. „Da war nur noch ein wenig Fell, die Wirbelsäule und das Köpfchen übrig“, erzählt Michelchen: „Ich war schockiert, fühlte mich total hilflos.“ Wie andere Weidetierhalter hatte auch Michelchen die von den Behörden empfohlenen Schutzmaßnahmen ernst genommen - und wie andere die Erfahrung gemacht, dass die schlauen Wölfe nach kurzer Zeit alle Hindernisse überwanden.

Seither engagiert sich Michelchen mit vielen Biobauern und Weidetierhaltern im Bauernbund gegen den strengen Schutzstatus für den Wolf. Er und seine Kollegen haben Wolfswachen abgehalten und Proteste vor dem brandenburgischen Landtag organisiert, sich mit Tierhaltern in ganz Deutschland vernetzt und dabei offenbar auch auf politischer und juristischer Ebene Verbündete gefunden.

"Selbstjustiz wird nicht der Weg sein"

Für den heutigen Freitag hat der Bauernbund jedenfalls zu einem Pressegespräch auf den Hof von Michelchen geladen und will dort mit einem prominenten Gast aufwarten. Der soll erklären, weshalb und unter welchen Voraussetzungen es bereits heute zulässig sei, Wölfe zu töten. In der Einladung zur „Notwehr gegen Wölfe“ heißt es: „Ein entsprechendes Gutachten des renommierten Strafrechtlers und Bundestagsabgeordneten Wolfgang Kubicki liegt uns inzwischen vor.“ Ja, es geht um den FDP-Politiker aus Kiel.

Im Potsdamer Agrar- und Umweltministerium gibt man sich gelassen: „Wir sind gespannt, wie das Gutachten eine Möglichkeit begründen will, die streng geschützten Tiere legal zu töten“, sagte Sprecher Jens-Uwe Schade dem Tagesspiegel. „Niemand bestreitet, dass es einen Konflikt zwischen dem Anstieg der Wolfspopulation und den berechtigten Interessen der Weidetierhalter gibt. Hier werden bundesweit bereits viele Lösungsvorschläge geprüft. Selbstjustiz wird aber ganz sicher nicht der Weg sein.“

Doch die Selbstjustiz gibt es längst, behaupten einige Jäger und Landwirte. Auf der Internetseite der Wolfsgegner wird behauptet, dass viele bereits nach der Methode „Schießen, schippen, schweigen“ handelten. Sprich: Wölfe würden – unter anderem auch durch im Wald angepflockte Schafe oder absichtlich schlecht geschützte Herden – angelockt und dann erschossen. Die Kadaver würden vergraben und zwar mindestens einen Meter tief, damit man eventuelle Peilsender an den Tieren nicht mehr orten könne.

Wolfsfreunde seien für sachliche Argumente nicht zugänglich

Im Landesumweltamt hält man das für eine maßlose Übertreibung. „Natürlich haben wir Fälle, wo Wölfe geköpft oder in Fallen gelockt werden“, sagt Sprecher Thomas Frey. „Aber das sind absolute Ausnahmen, die streng verfolgt werden. Ich finde es nicht sehr hilfreich, wenn man immer wieder die zugespitzte Konfrontation sucht, statt sich sachlich mit den Problemen auseinanderzusetzen."

Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung kontert, dass man dies seit Jahren vergeblich versuche. Die sogenannten Wolfsfreunde seien für normale sachliche Argumente nicht zugänglich, sagt er: „Für die ist der Wolf kein Großraubtier, dass täglich drei Kilogramm Fleisch frisst, sondern ein Symbol für die Entfremdung des Menschen von der Natur, ein Arbeitsbeschäftigungsprogramm für Wildbiologen und ein Spendenwerbemaskottchen für Naturschutzverbände.“ Thomas Frey weist das strikt zurück. Jeder Naturschützer und Grüne wisse um die Schwierigkeiten. Frey warf dem Bauernbund vor, die Debatte ins Extreme treiben.

Nach Jungs Ansicht ist eine „Komplettbesiedlung“ des Landes mit Wölfen aber per se unverantwortlich, weil dies zum Rückgang der Weidewirtschaft und einem Strukturwandel noch weiter in Richtung Industrialisierung der Tierhaltung führe. „Für grüne Eiferer ist die Ausbreitung der Wölfe eine Mission, die Natur zu retten“, sagt Landwirt Reinhard Jung: „Tatsächlich gefährden sie damit die Natur.“ Ähnlich hatte die FDP, die eine Bejagbarkeit der Wölfe fordert, bei einer Bundestagsdebatte debattiert, in der auch Wolfgang Kubicki das Wort ergriff. Als die Grünen-Politikerin Steffi Lemke sagte, es gebe in Deutschland wesentlich mehr Probleme mit Wildschweinen, verwies er darauf, dass man diese – im Gegensatz zu Wölfen – schießen dürfe.

Insofern hat Frank Michelchen seinen Jagdschein zumindest nicht umsonst gemacht – auch für den Fall, dass Kubickis Gutachten nicht überzeugen sollte.

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