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Ben Wagin in seinem "Parlament der Bäume".
© Doris Spiekermann-Klaas

Gedenken an Mauertote in Berlin: Der Bundestag bedroht das "Parlament der Bäume"

Die einzigen originalen Mauerteile im Regierungsviertel stehen im „Parlament der Bäume“. Doch die Erinnerungsstätte ist bedroht – ausgerechnet vom Bundestag. Das ist nur noch peinlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Anarchie ist produktiv. Anders hätte das „Parlament der Bäume“ nicht entstehen können. Am Vorabend der einzigen freien Volkskammerwahl im März 1990 hat der Künstler Ben Wagin die DDR-Grenzer dazu gebracht, mit ihrem schweren Baugerät mitzuhelfen, eine einzigartige Gedenkstätte für die Toten der Mauer zu schaffen. Heute gibt es neben der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße und der East Side Gallery in Berlin nur hier im Schatten der Bundestagsbauten so viele originale Mauerteile. Doch das Erbe ist in Gefahr. Es ist beschämend.

In den nahezu 30 Jahren sind die Bäume, gepflanzt von Bundespräsidenten und Ministern, groß geworden, gesichert ist das „Parlament der Bäume“ bis heute nicht. Es ist ein Ort in der Schwebe, in der Luft hängend zwischen dem Land Berlin und dem Bundestag.

Das ist nicht gut, selbst für einen eingefleischten Anarchisten wie Ben Wagin nicht. Die Zeit läuft, nicht nur für Wagin, der im kommenden Februar 90 Jahre alt wird. Ende 2018 läuft ein zehnjähriges Nutzungsrecht für das Gelände aus, welches dem Bundestag gehört.

Ernsthafte Bemühungen, die Kunstinstallation zu sichern, die aus 58 Mauerteilen, aus Granitplatten mit den Namen von Maueropfern, einem Karree von 16 Bäumen, die von 16 gesamtdeutschen Ministerpräsidenten gepflanzt wurden, und den Bildern und Texten besteht, gab es durchaus. Doch alle Gespräche um einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Sicherung des Geländes scheiterten 2010; erst im Vorjahr teilte Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit, dass der Bund die Fläche für eine mögliche Erweiterung des Bundestags vorhalten möchte.

Unter Denkmalschutz

Zumindest aber die Berliner Landesregierung hat zwischenzeitlich reagiert und Ende 2017 das „Parlament der Bäume“ unter Denkmalschutz gestellt. Verpflichtungen sind damit aber für die Stadt über den Eintrag in eine Denkmalliste nicht verbunden. Weder ist damit die Frage einer dauerhaften Pflege geregelt – es heißt in der Senatsverwaltung nur, dafür sei der Eigentümer zuständig – noch die komplizierte rechtliche Gemengelage aufgelöst.

Dazu bräuchte es eine Festlegung des Bundestags – eine solche Entscheidung ist aber nicht abzusehen. Vage teilt der Bundestag mit, dass sich die Kommission des Ältestenrates im Herbst mit der Thematik befassen wird. Nach einem Abschied von eventuellen Bauplänen klingt das nicht.

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Im kommenden Jahr würdigt die Bundesrepublik den Mauerfall vor 30 Jahren. Es wäre eine politische Blamage, wenn dann die Zukunft des „Parlaments der Bäume“ immer noch nicht gesichert ist. Ohne Ben Wagins Einsatz gäbe es heute im Regierungsviertel keinerlei Relikte des mörderischen Grenzregimes mehr. Vor dreißig Jahren war das „Parlament der Bäume“ der einzige grüne Fleck in der sandigen Einöde des wachsenden Regierungsviertels. Damals wurde schon ein Teil des Geländes weggerissen, mit einigen Mauerteilen schmückt sich heute der Bundestag.

Ein peinlicher Anblick

Der Einzelkämpfer Wagin ist trotz seiner kaum genug zu würdigenden Arbeitseinsätze nicht in der Lage, die Anlage dauerhaft so zu pflegen, wie es dem Ort angemessen wäre. Derzeit ist die Gedenkstätte, verborgen hinter dem Haus der Bundespressekonferenz und dem Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages, auch nur nach Vereinbarung zu besichtigen und ansonsten verschlossen. Wer nicht weiß, welchen Schatz es dort gibt, ahnt nicht einmal dessen Existenz.

Dem Bundestag und der Bundesregierung, deren Kanzlerin Angela Merkel täglich aus ihrer Regierungszentrale auf das „Parlament der Bäume“ blickt, müsste dieser elende Zustand eigentlich peinlich sein. Zumal Lösungen vorstellbar sind. Die Pflege und die Instandhaltung könnte der Bundestag zum Beispiel der Stiftung Berliner Mauer übertragen, die erst kürzlich auch die Verantwortung für die East Side Gallery am Ostbahnhof übernommen hat.

Dann wären alle Gedenkstätten in einer Hand. Es könnte auch andere Ideen geben; der Bundestag könnte die Pflege in die eigene Hand nehmen. Jede Lösung wäre jedenfalls besser als dieser unwürdige Schwebezustand!

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