Digitales Arbeiten in der Pandemie: Der Berliner Verwaltung fehlt jede Homeoffice-Strategie
Kontaktbeschränkungen gelten auch für Verwaltungsmitarbeiter – zumindest theoretisch. In der Praxis sind die meisten von ihnen zur Arbeit im Büro gezwungen.
Die Worte des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) waren deutlich. „Jeder, der jetzt darauf nicht reagiert, gefährdet Menschen, er verlängert den Lockdown, er ist schlichtweg unsolidarisch“, sagte Müller während seiner Regierungserklärung vom vergangenen Donnerstag in Richtung Arbeitgeber, die ihren Angestellten trotz Lockdown und grassierender Corona-Infektionszahlen die Arbeit im Homeoffice verweigern.
Von einer „Verpflichtung“ zur Kontaktreduzierung sprach Müller und ergänzte, es könne nicht sein, dass in allen Bereichen Kontakte beschränkt würden, nur nicht auf der Arbeit. Es folgten wütende Zwischenrufe und Kritik – vor allem aus der FDP-Fraktion.
Anlass dafür gab es aus Sicht des liberalen Abgeordneten Bernd Schlömer gleich doppelt: Erstens, weil Müller die ohnehin gebeutelten Unternehmen an den Pranger stellte und zweitens, weil der Regierungs- und damit Verwaltungschef selbst Arbeitgeber ist – genau genommen der größte der Stadt. Rund 120.000 Menschen arbeiten für die Berliner Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene.
Deren fehlende Kapazitäten dazu, ihre Arbeit eben nicht im Büro, sondern vom heimischen Schreibtisch aus zu erledigen, waren zuletzt bereits häufiger Thema. Schlömer dazu: „Es mutet schon seltsam an, wenn der Bürgermeister Berlins die Privatwirtschaft zum Homeoffice anhält, aber für die eigenen Landesbeschäftigten überhaupt keine Vorkehrungen getroffen werden, damit diese das auch vollumfänglich tun können.“
Die Probleme sind bekannt: Fehlende mobile Endgeräte, fehlende sichere Internetverbindungen und fehlendes Vertrauen in die Umstellung von Arbeitsprozessen verhindern eine umfassende Homeoffice-Strategie der Berliner Verwaltung. Von anfangs weniger als fünf auf mittlerweile um die zehn Prozent stieg die Quote der zum Homeoffice befähigten Mitarbeiter im Laufe der Pandemie.
Jüngst wiederum beorderte das Bezirksamt Mitte seine mehr als 2500 Beschäftigten zurück in die Büros und damit in die virusbedingt gefährliche Gegenwart ihrer Kollegen und Kolleginnen. „Grundsätzlich kommen alle Beschäftigten zur Arbeit“, heißt es in einer internen Mitteilung. Immerhin: Wer nicht alleine im Büro arbeiten kann, bekommt eine FFP2-Schutzmaske gestellt.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Mit dem Vorgehen ist der Bezirk Mitte nicht allein. Unter anderem aus dem ebenfalls grün-regierten Friedrichshain-Kreuzberg schildern Mitarbeiter des Bezirksamts, dass Anfragen nach der Arbeit im Homeoffice seit Monaten mit Verweis auf fehlende Technik, aber auch aufgrund des fehlenden Vertrauens in die Motivation der Mitarbeiter zur Arbeit am heimischen Küchentisch abgewiesen worden waren.
Ein Vorgehen, dass im krassen Gegensatz zu den politischen Forderungen der Partei der beiden Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Mitte) und Monika Herrmann (Friedrichshain-Kreuzberg) steht.
Ursache für die auch in Monat zehn der Pandemie anhaltende Misere: Fehlende Technik. Zwar wurden Mitte November nach einem Treffen zwischen Müller und dem Rat der Bürgermeister 5000 Laptops für die Bezirke geordert.
16 Wochen Lieferzeit - im Durchschnitt
Mitte Januar und damit wie von der Innenverwaltung angekündigt ausgeliefert werden zunächst aber nur 3000 Geräte. Der Rest folgt laut einer Sprecherin des IT-Dienstleistungstzentrum (ITDZ) „kurzfristig“. Bereits 2020 hatten verschiedene Senatsverwaltungen moniert, beim ITDZ in Auftrag gegebene Bestellungen würden sich verzögern.
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Zur Entlastung der Einrichtung muss erwähnt werden, dass es zwischenzeitlich aufgrund der weltweit gestiegenen Nachfrage zu Lieferengpässen gekommen war. Aktuell liegt die Lieferzeit laut ITDZ bei 16 Wochen ab Bestellung.
Unklar blieb am Montag, wie es mit den sogenannten VPN-Tunneln, also der sicheren Einwahl in das Landesnetz von außerhalb, weitergeht. Zwar wurde deren verfügbare Zahl von ursprünglich 2500 vergleichsweise rasch um 10 000 Verbindungen erhöht.
Seitdem jedoch stagniert der Ausbau der Kapazitäten – weshalb in einzelnen Verwaltungen von „Schichtarbeit“ die Rede ist. Der Vertrag für die zusätzlich eingekauften Tunnel läuft Ende Juni aus, die Perspektive danach ist unklar.