Entscheidung am Donnerstag: Der Berliner Mietendeckel wackelt – Experten sehen ihn kippen
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mietengesetz soll am Donnerstag kommen. Der Preis für seinen Erhalt sei zu hoch, sagen Fachleute.
Lange wurde sie erwartet: Am Donnerstag gibt das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung über den Berliner Mietendeckel bekannt. Dieser wird entweder als unvereinbar mit dem Grundgesetz verworfen – oder nicht. Dann gilt er für fünf Jahre, gerechnet ab dem Zeitpunkt seiner Erlassung im Februar 2020.
Vermieternahe Experten sagen: Das Mietenwohngesetz wird gekippt. Und auch das Gutachten des Verfassungsexperten Ulrich Battis für die Berliner Senatskanzlei spricht dafür. Mieterverbände halten dagegen: „Das Berliner Verwaltungsgericht und zwei Kammern des Landgerichts haben geurteilt, dass der Mietendeckel verfassungsgemäß ist“, sagt der Chef des Berliner Mietervereins Reiner Wild.
Der Verein war vom Bundesverfassungsgericht – so wie andere Experten und Verbände – um ihre Rechtseinschätzung zum Deckel gebeten worden. Und obwohl noch nie seit der Föderalismusreform 2006 von einer solchen Ausnahmeregelung wegen einer „Notlage“ Gebrauch gemacht wurde, gibt es Wild zufolge gute Gründe für diese Eingriffe.
Doch der Preis für die Bestätigung des Mietendeckels wäre hoch: Jede Stadt und jedes Land könnte seinen eigenen Deckel erlassen, sagt der auf Mietrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Schultz. „Die Rechtsprechung würde völlig zersplittert.“
Mit einem „juristischen Chaos“ im Falle einer Bestätigung des Deckels rechnet auch Carsten Brückner, Chef von Haus und Grund Berlin. „Keiner wird die Hände in den Schoß legen, wenn Karlsruhe entschieden hat.“ Weil viele Vermieter auf stattliche Mieteinnahmen verzichten müssten, würden sie den verbleibenden Spielraum zur Ermittlung der gedeckelten Miete ausloten. „Und dann werden Fachgerichte zahlreiche Einzelfälle zur Prüfung bekommen“, sagt Brückner.
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So stehe im Mietenwohngesetz, dass die „Nettokaltmiete“ als Grundlage für die Deckelung herangezogen wird – eine vereinbarte „Bruttokaltmiete“ falle damit nicht unter das Gesetz. Und: Ist ein Keller in der „Deckelmiete“ enthalten – oder muss dieser extra vergütet werden? Dasselbe gelte für Freiflächen wie Balkone.
Hat Berlin sich widerrechtlich über Bundesrecht hinweggesetzt?
Folgen wie diese könnten die Richter diskutiert haben. In ihrer Entscheidung geht es letztlich um den Grundsatz, wonach eine solche multipel gespaltene Rechtsprechung in Deutschland verhindert werden soll.
Das besagt das Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“, wonach eine Kommune nicht noch einmal eigenmächtig regulieren darf, wenn der Bund – im Fall der Mieten im Bürgerlichen Gesetzbuch – bereits alle erdenklichen Details festgelegt hat.
Demnach könnte sich Berlin mit seinem Mietwohngesetz über den Willen des Bundes hinweggesetzt haben. Darum geht es in der „Normenkontrollklage“, die 284 Abgeordnete der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP in Karlsruhe eingereicht hatten und über die von der Zweiten Kammer des Bundesverfassungsgerichtes entschieden worden ist.
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Zu urteilen hat Karlsruhe außerdem darüber, ob das Gesetz nicht viel zu tief in das Recht auf Eigentum eingreift. Zumal es gültige Verträge gleichsam annulliert, indem es rückwirkend vereinbarte Mieten absenkt. Diese Fragen betreffen aber andere Grundrechte und liegen einer anderen Kammer des Bundesverfassungsgerichtes zur Klärung vor.
Deren Klärung wäre indes überflüssig, falls am Donnerstagmorgen verkündet wird, dass Berlins Mietendeckel allein schon deshalb verworfen werden muss, weil er mit dem Bundesrecht unvereinbar ist. Und weil Karlsruhe darüber als erstes geurteilt hat, stehen die Wetten etwas besser dafür, dass einzig und allein der Bund einen Mietenstopp verkünden darf – und Berlin eben nicht.