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Gar nicht mal so schlecht, oder? Der Hauptbahnhof.
© dpa

Zehn Jahre Jubiläum: Der Berliner Hauptbahnhof - gar nicht so übel, oder?

Langsame Aufzüge, überall Schuhshops, schreckliche Nachbarn, aber letztlich ist der Bahnhof nicht mal schlecht, meint unser Autor.

Unser Blick auf den Hauptbahnhof hat sich in zehn Jahren total verändert. Wir wissen: Solche Bauten werden heute überhaupt nicht mehr hergestellt, nicht in Deutschland. Riesig groß, praktisch termingerecht, kostenmäßig auch so lala – längst undenkbar.

Hätte schon damals jemand gefragt, was passiert, wenn es brennt und gleichzeitig zehn Züge mit Höchstgeschwindigkeit durchfahren, wäre das Projekt erledigt gewesen und heute nur noch als ruinöser Mittelpunkt einer peinlichen Stadtbrache zu gebrauchen.

Nur mit der Bahn anreisen - der Rest ist Glückssache

Es ist anders gekommen, der Hauptbahnhof ist nach zehn Jahren akzeptiert und funktioniert ganz gut, wenn auch die Krähen immer wieder auf den Scheiben herumhacken und die Vorfahrt mit anderen Verkehrsmitteln als der Bahn reine Glückssache ist.

Auch der gefühlsmäßige Vergleich mit den großen historischen Bahnhofsgebäuden in Leipzig, Hamburg oder New York fällt auf den ersten Blick negativ aus, weil der neue Berliner Mitbewerber diese kommerzielle, gläserne Kühle abstrahlt und anders als jene nicht selbstbewusst die Mitte der Stadt definiert, sondern halt so irgendwo dasteht – wofür er bekanntlich nichts kann.

Berlins Bahnzentren vorher: der Zoo und Lichtenberg

Aber er ist ein richtiger Hauptbahnhof geworden. Nicht so ein vor Nostalgie platzendes Provisorium wie der Bahnhof Zoo, kein politisch erzwungenes Surrogat wie der Bahnhof Lichtenberg, sondern einer, der ganz stark dasteht in seinem Biotop, ein würdiger Nachbar des gigantesken Kanzleramts.

Sein Plus ist das Raumerlebnis, das sich am besten genießen lässt, wenn man erst mal die verwirrende Grundstruktur begriffen hat und die ebenso verwirrende Verteilung der Informationstafeln. Und für Neulinge ist wohl wichtiger, dass sie vor allem aus der gläsernen Halle schon einen großen Teil des Stadtpanoramas sehen können – das bieten Großstadtbahnhöfe nur selten.

Diese Aufzüge sind unglaublich langsam

Aber über die Jahre hat sich auch gezeigt, wo die Schwächen der Konstruktion liegen. Die theatralisch verglasten Aufzüge sind vermutlich die langsamsten seit der Erfindung des Aufzugs, die Bahnsteige zu eng.

Viele Umsteigeverbindungen erfordern enorm viel Lauferei, und die Bahnsteige unten im Kellergeschoss dementieren die famose Leichtigkeit des Gebäudes über ihnen auf ziemlich deprimierende Weise.

Den schönste Blick gibt es von den Bahnsteigen im Osten

Ein anderer Nachteil ist womöglich gar keiner. Viel wurde ja bekanntlich darüber lamentiert, dass Hartmut „BahnChef“ Mehdorn die gläserne Decke des oberen Bahnsteigs auf beiden Seiten kürzen ließ, um Geld zu sparen und rechtzeitig eröffnen zu können. Der Bau hat dadurch in der Gesamtschau an Eleganz verloren – aber dafür ist am östlichen Ende, wo nur selten Fahrgäste stehen, eine Panoramaterrasse entstanden, die einen schönen, unverglasten Vorgeschmack auf Berlin bietet.

Vergessen wir lieber den Blick im Westen!

Für das Westende des Bahnhofs lässt sich das leider weniger sagen, denn dort ist alles von den mit Schießscharten bewehrten Sandsteinklötzen umstellt, die ein Bahnhofsviertel simulieren sollen, wie es synthetischer und abweisender kaum denkbar ist. Selbst der räudig flaschengrüne Altneubau des Landeslabors rechts vom Gleis an der Invalidenstraße entfaltet mehr Charme als die allfällig glattgebügelten Hotelklötze, in deren Erdgeschossen die Geschäftsräume ihren Beinamen „exklusiv“ dadurch bestätigen, dass keiner sie mieten will.

Und man möchte die Frauenrechtlerin Agnes von Zahn-Harnack durchaus dagegen in Schutz nehmen, dass sie ihren Namen für diese schäbige Sackgasse unter dem Viadukt geben musste. Aber vermutlich ist ein schillerndes Bahnhofsviertel nicht leichter zu bauen als der Bahnhof dazu.

Überall Schuhläden - laufen hier alle weg?

Es ist ja auch nahezu alles, was draußen Kunden finden würde, gleich innen eingebaut worden, seit einigen Tagen gibt es sogar einen Technikmarkt. Die Zahl der Schuhläden legt den Eindruck nahe, dass die Leute von hier aus nicht die Bahn benutzen, sondern zu Fuß in alle Himmelsrichtungen abmarschieren, und dass Fast Food ist nirgendwo schneller als hier.

So schnell, dass die offiziellen Informationstafeln gar nicht nachkommen und den Ratsuchenden über das längst florierende „Backwerk“ beispielsweise mitteilen: „Vrstl. Eröffnung 1. Hj. 2014“. Und wer sich auf die überall verteilte Werbung einlässt, der muss den Eindruck gewinnen, dass das gar kein Bahnhof, sondern das religiöse Zentrum der Anbeter der quadratischen Schokoladentafel ist.

Bald kommt die S 21 und auch die neue U5

Zehn Jahre – und alles wird bald anders. Vom Humboldthafen pirscht sich die S 21 heran, und ab etwa 2020 wird auch die verlängerte U 5 Menschenmengen von Osten her heranschaufeln. „Für mehr Mittendrin“ versprechen die Macher. Mal sehen, ob der Hauptbahnhof auch das noch verkraftet.

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