Landeseigene Liegenschaften: Der Berliner Drei-Milliarden-Sanierungsstau
Die Sanierung der öffentlichen Bauten Berlins kommt nicht voran. Die Grünen sehen die Ursache bei der Landesfirma BIM.
Berlin ist kaputt und die Liste der reparaturbedürftigen Häuser und Bauten wird immer länger. Dramatisch steigen auch die Kosten, die der Senat zur Beseitigung der Schäden veranschlagt. Diese haben sich verzehnfacht seit dem Jahr 2008: auf gewaltige 2,876 Milliarden Euro. Betroffen sind Oberstufenzentren, Polizei und Feuerwehr, Rathäuser und Bürgerämter, Jugendzentren, Theater, Gerichte und Gefängnisse – so gut wie aus jedem Bereich des öffentlichen Lebens.
Weil die vom Senat mit der Pflege des landeseigenen Immobilieneigentums beauftragte Firma Bim hoffnungslos überlastet ist, stehen inzwischen sogar Bauten wie das frühere Amtsgericht an der Lehrter Straße leer, obwohl in der Stadt Zehntausende händeringend nach Wohnungen suchen, nach Gewerberäumen oder Ateliers. Das Schlimmste aber: Der Sanierungsstau von drei Milliarden Euro betrifft nicht mal den ganzen, sondern nur einen Teil des baufälligen öffentlichen „Vermögens“. Noch gar nicht geprüft ist der notwendige Aufwand für zusätzliche Bauten mit einer Fläche von knapp sechs Millionen Quadratmetern, aus dem erst vor wenigen Jahren gebildeten Sondervermögen für Daseinsvorsorge (Soda).
Sanierungsstau um knapp 1 Milliarde angewachsen
„Die BIM leistet bislang gute Arbeit. Umso mehr müssen wir aufpassen, dass sie nicht Opfer ihres eigenen Erfolges wird", sagt der Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener. Der Haushaltsexperte hatte den Senat um eine Übersicht des Sanierungsstaus gebeten und heraus kamen die alarmierenden Zahlen. Die Überforderung der zentralen Management-Einrichtung für landeseigene Liegenschaften sei besonders deutlich daran zu erkennen, dass in den vergangenen drei Jahren zwar die Zahl der Bim-Immobilien nicht mehr gestiegen sei, aber ihr Sanierungsstau um knapp 1 Milliarde angewachsen ist. Weseners Bilanz: „Die Bim ist am Limit.“
Zu den besonders krassen Beispielen für langen Leerstand öffentlicher Gebäude zählt das frühere Amtsgericht, ein roter Backsteinpalast an der Lehrter Straße 60. Vor etwa fünf Jahren sind die letzten Justizbeamten aus dem markanten Gebäude ausgezogen – seitdem spekulieren Anwohner über die künftige Nutzung. „Mein bestens informierter Kioskbesitzer sagte mir kürzlich, er habe von einem seiner Kunden erfahren, dass dort Wohnungen entstehen sollen“, schreibt ein Leser der Online-Plattform „Moabit-Online“. Andere regen die Umnutzung als „Gefängnishotel“ an, weil eine Haftanstalt an das Gerichtsgebäude grenzt. Aber auch ernsthafte Anfragen sind dem zuständigen Bezirk Mitte bekannt. Anfang vergangenen Jahres hatte der damalige Baustadtrat mitgeteilt, dass ihm „drei Anträge vorliegen auf Erteilung baurechtlicher Vorbescheide zur Nutzung als Künstlerateliers, zur Nutzung als Notübernachtung und zur Nutzung als Räume für Musik und Literatur“.
Auch keine Bedenken gegen die „Überlassung der Gebäude an private Initiativen zur temporären Zwischennutzung“ habe der Bezirk, hieß es weiter. Die gemeinnützige Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) hatte sogar Pläne für eine notfalls auch temporäre Nutzung entwickelt. Geschehen ist trotzdem nichts. Leerstand, im Auftrag des Landes, herrscht an der Lehrter Straße 60, seit mehr als fünf Jahren.
Knappes Budget für Sanierungsprojekte
Dass die Bim mit angezogener Handbremse die Handwerkerkolonnen durch Berlins Gebäudeeigentum steuert, lässt sich am aktuellen Stand der Sanierungsvorhaben ablesen. Wie der Senat mitteilt, sind „zehn Maßnahmen größer als fünf Millionen Euro sowie 54 Maßnahmen größer als eine Million Euro geplant“. Doch dafür stünden nur „insgesamt 36 Millionen Euro zur Verfügung“ – 36 Millionen Euro für Arbeiten, die mehr als 100 Millionen Euro kosten, auch das Budget für die Sanierungsprojekte ist erst mal knapp bemessen.
Am stärksten zu leiden unter dem Sanierungsstau haben der Auflistung des Senats zufolge Wachen, Abschnitte und andere Gebäude der Polizei, deren Wiederherstellung allein fast eine Milliarde Euro kosten würde. Stark sanierungsbedürftig sind außerdem die Kulturbauten (411 MIllionen Euro) und die Schulen (360 Millionen Euro). In Gebäuden der Justizvollzugsanstalten müssen knapp 330 Millionen investiert werden, in Feuerwehrwachen knapp 190 Millionen Euro.
„Um alle Projekte umsetzen zu können, bräuchte die BIM etwa 100 Mitarbeiter im Baumanagement“ – doch 30 Stellen im Baubereich seien „vakant“, sagte ein Sprecher der Firma auf Anfrage. Derzeit erfolgten monatlich Neueinstellungen von Mitarbeitern. Ein immer noch sehr wichtiges Projekt in der BIM sei die Herrichtung von Gemeinschaftsunterkünften, in der Eschenallee, Heckeshorn sowie an der Niedstraße, im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung. „Weiterhin ist die Sanierung der Polizeiliegenschaften, zum Beispiel in der Friesenstraße, ein Projekt mit hoher Priorität“. Ähnliches gelte für die Sanierung berufsbildender Schulen.
DER SANIERUNGSSTAU
Im Jahr 2009 hatte der Sanierungsstau in öffentlichen Gebäuden „nur“ rund 615 Millionen Euro betragen. Polizeigebäude und der „allgemeine Bestand“ wiesen den höchsten Reparaturbedarf auf. Drei Mal so hoch war der Sanierungsstau im vergangenen Jahr, allein eine Milliarde Euro kostet die Sanierung von Polizeibauten.
DER BESITZ DER BIM
Die Bim verwaltet gut 500 Gebäude mit einer Fläche von fünf Millionen Quadratmetern. Darunter sind 67 Häuser zur Unterbringung von Flüchtlingen, 23 Gerichtsgebäude, 67 Kulturimmobilien, 92 Gebäude der Feuerwehr sowie 80 der Polizei. Außerdem verwaltet sie 69 Oberstufenzentren und 88 Bürogebäude.
DIE BIM
Der Senat hat die landeseigene Firma im Jahr 2003 gegründet. Als „Immobiliendienstleister“ des Landes wurden der Bim das Management aller öffentlichen Objekte übertragen, 4700 insgesamt. Mitte 2015 fusionierte die Bim mit dem Liegenschaftsfonds, der viele Jahre lang landeseigenes Vermögen verkauft hatte.