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An der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg steht das Ortsschild von Berlin Marzahn.
© Annette Riedl/dpa

Unkontrollierbare Symbolpolitik: Der Berliner 15-Kilometer-Radius ist das neue Beherbergungsverbot

Die 15-Kilometer-Regel ist nicht für diese Millionenstadt gemacht. Dabei könnte sie weiter an der Akzeptanz der Menschen knabbern. Ein Kommentar.

Berlin zieht seine Kreise. Der Radius von 15 Kilometern wird um die Stadt gezogen – zumindest theoretisch. Denn in Kraft tritt er erst, wenn Berlin den magischen Wert von 200 wieder überschritten hat: Doch die 7-Tage-Inzidenz liegt seit einigen Tagen knapp darunter, am Dienstag laut RKI-Zahlen bei beruhigenden 199,9.

Dabei wissen im Grunde schon jetzt alle Beteiligten, dass die vor einer Woche noch als äußerst hart bezeichneten Maßnahmen auch nicht ausreichen. Denn während der Senat mit dem Zirkel über der Landkarte saß (und den Effekt intern selbst als „äußerst gering“ bezeichnete), zieht das Virus innerhalb der Stadtgrenze weiter viel zu große Kreise.

Es gebe deutlich mehr Bewegung in der Stadt als beim ersten Lockdown, sagte Innensenator Andreas Geisel zu Beginn der Woche. „Diese zusätzliche Bewegung führt dazu, dass die Inzidenz deutlich höher ist als gewünscht. Die Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass es zu einer Beruhigung im Bewegungsprofil gekommen ist, die es braucht, um das Infektionsgeschehen eindämmen zu können.“ Und wiederholte damit die Mahnungen, die der Regierende Bürgermeister seit einer Woche bei jeder Gelegenheit äußert.

Zu viel Bewegung führt zu hoher Inzidenz. Das scheint eine recht einfache Rechnung zu sein. Folgen für die Berliner Bewegungsfreiheit hat diese Erkenntnis allerdings kaum. Denn die 15-Kilometer-Regel, das wissen alle Beteiligten sehr genau, ist nicht für diese Millionenstadt gemacht, wo der Radius der Spandauer ebenso bis Königs Wusterhausen reicht wie jener der Frohnauer; wo Reisen aus Pankow nach Potsdam ebenso erlaubt bleiben wie von Zehlendorf nach Oranienburg. Und wo die Frage, wer das alles kontrollieren soll, irgendwo im Brandenburger Forst vergraben wurde. Man weiß doch, wie das gemeint ist, oder?

Der Radius ist das neue Beherbergungsverbot, unkontrollierbare Symbolpolitik, die im besten Fall niemandem schadet, im schlimmsten Fall aber nach der desaströsen Schulwoche weiter an der Akzeptanz der Menschen knabbert. Stück für Stück verlieren sie das Grundvertrauen, dass die da oben schon halbwegs sinnvolle Dinge für ihr Leben entscheiden werden.

Das Gespür für die Stimmung in dieser Stadt ist den Regierenden irgendwo zwischen Weihnachtsgans und Wunderkerze abhanden gekommen

Die Kommunikation des Berliner Senats hat am Dienstag einen neuen Tiefpunkt erreicht: Während sich viele ein paar wärmende Worte erhofft hatten, wie sie nun ihre Kinder betreuen oder die Verwandtschaft in Brandenburg unterstützen sollen, spazierte Finanzsenator Matthias Kollatz in die Pressekonferenz, berichtete zunächst nüchtern über den Haushaltsabschluss und versuchte dann in einigermaßen lustloser Schwammigkeit, die vielen Detailfragen zu den anderen Beschlüssen zu beantworten.

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Eher beiläufig erfuhren die Eltern, dass sie sich zwar mit einer anderen Familie zusammentun dürfen, um Kinder zu betreuen, es mit dem Fußballtraining aber erstmal auch vorbei ist: Kinder unter zwölf dürfen nicht mehr in festen Gruppen gemeinsam Sport machen. Der Organisation kleiner Betreuungsgruppen werden derart enge Grenze gesteckt, dass es für die meisten einfacher ist, die Kinder eben doch in die Kitas zu geben.

Und diese müssen weiterhin ohne feste Regeln im Grunde jeden nehmen, der Bedarf anmeldet. Inwiefern das besser ist, um die Virus-Verbreitung zu stoppen, konnte der Finanzsenator natürlicherweise nicht erklären. Das Gespür für die Stimmung in dieser Stadt ist den Regierenden irgendwo zwischen Weihnachtsgans und Wunderkerze abhanden gekommen.

Und während die Grundschüler bereits am Küchentisch alphabetisiert werden, lädt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop am Donnerstag zu einer digitalen Runde mit Wirtschaftsleuten und Gewerkschaften, um sich zum Thema Homeoffice auszutauschen und „nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Kontakte am Arbeitsplatz und auf dem Weg dahin noch weiter reduziert werden können“. Eine Runde, die in dieser Form übrigens zum ersten Mal stattfindet. Prognostizierter Bewegungsradius bei diesem Thema: 0 km.

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