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Schwieriger Start im Roten Rathaus. Statt über Inhalte haben die Berliner Koalitionspartner zuletzt vor allem über Personalfragen diskutiert.
© Maurizio Gambarini/dpa

Fall Holm: Linke setzt sich durch: Der Ärger der Anderen

Im Fall Andrej Holm setzte sich die Linke gegen die Koalitionspartner SPD und Grüne durch – vorerst. Doch viele Fragen müssen noch beantwortet werden.

Der SPD-Politiker Tom Schreiber twitterte am Samstagmorgen: „Alle sprechen nur noch vom Stasisekretär & nicht mehr vom Staatssekretär. Die gestrige Entscheidung ist falsch!“ Der Köpenicker Abgeordnete meinte das Ergebnis der fast vierstündigen Krisensitzung der neuen Regierungskoalition im Roten Rathaus am Freitagabend: Die Spitzen von SPD, Linken und Grünen hatten sich wegen der Personalie Holm außerplanmäßig zum Koalitionsausschuss getroffen. Kurz vor Mitternacht verkündeten sie, Holm vorerst im Amt zu lassen und auf die Ergebnisse weiterer Überprüfungen zu warten.

Der Soziologe steht in der Kritik, weil er über seine Stasi-Tätigkeit gegen Ende der DDR falsche Angaben machte und 2005 in einem Fragebogen der Humboldt-Uni, bei der er beschäftigt war, die Frage nach einer Stasi-Mitarbeit verneinte.

Den SPD-Politiker Schreiber ärgert, dass die Diskussion über Holm den Start der neuen Koalition ausbremst. „Ich hätte anders entschieden“, sagt er auf Anfrage. Das Problem werde jetzt nur in die Länge gezogen, möglicherweise mehrere Monate lang biete die neue Koalition eine überflüssige Angriffsfläche.

Dass am Freitag wie berichtet plötzlich der Koalitionsausschuss zusammentrat, hat viele überrascht. Zwar hatten SPD, Grüne und Linke vereinbart, dieses Instrument künftig regelmäßig und nicht nur in Krisen zu nutzen – nun fand die erste Zusammenkunft doch wegen einer konfliktträchtigen Entwicklung statt.

„Völlig überzogen und eine totale Vorverurteilung“

Dreieinhalb Stunden tagten die Koalitionsspitzen im Roten Rathaus – und nach Tagesspiegel-Informationen drängten vor allem Vertreter der Grünen und der SPD darauf, Andrej Holm aus dem Amt abzuziehen. Doch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) habe es am Ende abgelehnt, ein Machtwort zu sprechen. Linke-Fraktionschef Udo Wolf wollte dies zwar mit Hinweis auf die Vertraulichkeit der Debatte nicht bestätigen, lobte aber ausdrücklich, dass sich die Vertreter aller Parteien „viel Zeit für eine tiefgehende Diskussion“ nahmen.

Bei den Grünen schien man genau dies am Tag danach eher kritisch zu sehen. Man bedauere, dass die Debatte um Holm den „Start der Koalition überschattet“, heißt es in einer Erklärung: „Im Ergebnis soll nun die Überprüfung durch die Humboldt-Universität und die Stasi-Unterlagenbehörde abgewartet werden. Wünschenswert wäre, dass es sehr bald wieder um die Herausforderungen in der Berliner Mieten- und Wohnungspolitik geht und weniger um die Biografie des zuständigen Staatssekretärs.“

Unter der Hand machen viele Sozialdemokraten, Grüne und sogar einige Linke kein Hehl daraus, dass ein schneller Rücktritt von Holm das Beste wäre. Fraktionschef Wolf kann das verstehen: „Natürlich denken manche, dass ein Rücktritt von Holm der einfachere Weg sowohl für Rot-Rot-Grün als auch für die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte wäre. Aber wer jetzt einer Stimmung nachgibt, ohne in der Sache genau zu sein, der verliert später vielleicht auch die Maßstäbe, wenn es um andere Probleme geht.“ Rechtsstaatliche Prinzipien müssten auch für Politiker gelten, meint Wolf.

Dazu gehöre die genaue Prüfung der Vorwürfe, unter anderem durch das von der Humboldt-Universität eingeleitete arbeitsrechtliche Verfahren. Das finden auch einige Sozialdemokraten. „Man sollte jemanden erst bewerten, wenn man alle notwendigen Informationen hat – vor allem, wenn das 27 Jahre her ist“, sagt der SPD-Vizefraktionschef Jörg Stroedter: „Was derzeit stattfindet, ist völlig überzogen und eine totale Vorverurteilung.“

„Wir kommen nicht zur Facharbeit.“ 

Für die politische Wertung des Vorgangs sei das entscheidende Kriterium, ob Holm versucht habe, sein Verhältnis zum Ministerium für Staatssicherheit zu verschleiern, findet Udo Wolf: „Das gibt die Aktenlage bisher nicht her.“ Kämen allerdings weitere belastende Sachverhalte auf den Tisch, müsse man die Situation neu bewerten. Dann wäre Holm im Zweifel nicht mehr als Staatssekretär zu halten.

„Ich hoffe und bete, dass Holm nicht noch weitere Dinge in petto hat“, sagt auch SPD-Politiker Tom Schreiber. Er spielt damit auch auf die Kontakte des Wissenschaftlers zur linksextremistischen Szene an. Bekanntlich war Holm 2007 wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden. Der Haftbefehl war später vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden, das Ermittlungsverfahren wurde 2010 eingestellt, weil Holm nicht Mitglied der „militanten Gruppe“ war.

Angesichts dieser Nähe findet Schreiber neben der obligatorischen Stasi-Überprüfung auch eine Überprüfung sinnvoll, ob ein Beamter auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Für ihn ist Holm die „Beule“ im „Neuwagen“ Koalition: Das Auto fahre zwar, alle gucken aber auf die Beule. „Das ist schade, wir kommen nicht zur Facharbeit.“ Schreiber fordert Holm – anders als zuvor SPD-Mann Sven Kohlmeier – allerdings nicht zum Rücktritt auf, sondern zum Nachdenken: „Weihnachten ist doch eine besinnliche Zeit.“

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