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Als die Kletterspinne der Kreuzberger Clara-Grunwald-Schule zum Sicherheitsrisiko wurde, musste sie abgebaut werden. Geld für einen Ersatz ist keins in Sicht. Die Schüler protestieren.
© privat

Marode Schulen - ein Kommentar: Den Bezirken ausgeliefert

Das Schuljahr 2014/15 brachte die Erkenntnis, dass Berlin gar nicht weiß, wie kaputt die Schulen der Stadt sind. Deshalb sollte man sie vielleicht besser aus der Trägerschaft der Bezirke herausnehmen. Ein Kommentar.

Noch drei Tage bis zu den Zeugnissen. Große Ferien! Der Blick geht nach vorn – hin zu Sonne und Meer. Man möchte schon nichts mehr hören von Berliner Schulnöten und sich in den Sommer verabschieden. Was gibt es denn auch groß zu sagen über das nun fast vergangene Schuljahr? Große Reformen standen nicht an, und die vielen neuen Quereinsteigerlehrer wurden bislang geräuschlos vom System absorbiert Und doch wird das Schuljahr 2014/15 haften bleiben. Denn es brachte die ungeheuerliche Erkenntnis, dass eine angeblich moderne Stadt, sogar Hauptstadt, nicht weiß, wie kaputt ihre Schulen sind.

Der Erkenntnisprozess war mehrstufig. Er begann im Oktober mit der überraschenden Nachricht, dass für die Sanierung der Schulen nicht nur eine, sondern zwei Milliarden Euro – die Baukosten des halben Potsdamer Platzes – nötig wären. Diese enorme Steigerung wirkte etwas schildbürgerhaft: Wie konnte es sein, dass ein paar hundert Millionen plötzlich aus dem Nichts hinzugekommen waren, fragten sich nicht nur die Schulen.

Noch verstörender war Stufe zwei des Erkenntnisprozesses: Die zwei Milliarden Euro entpuppten sich als bloße Schätzung, denn kein Bauamt in den zwölf Bezirken hat jemals alle Schulgebäude auf ihren tatsächlichen Sanierungsbedarf hin untersucht. Damit wurde gegen eine Grundregel der Immobilienwirtschaft verstoßen. Erst jetzt sollen einheitliche Kriterien ermittelt werden, um den Grad der Baufälligkeit festzustellen.

Die Verantwortung der Bezirke für die Schulgebäude ist so alt wie Groß-Berlin. Mithin hatten sie seit 1920 Zeit, sich an diese Aufgabe zu gewöhnen. Wo aber blieben die Alarmrufe der Bezirksbürgermeister, als der Spardruck der vergangenen 20 Jahre begann, deutliche Spuren zu hinterlassen? Warum haben sie nicht zumindest den Bedarf ermittelt, um Argumente gegen die Sparauflagen in der Hand zu haben?

Stattdessen ließen sie zu, dass die Bauämter auch personell ausgedünnt wurden, als die Sparauflagen weitere Stellenkürzungen verlangten. Und so ist keiner mehr da, der Bedarfe ermitteln oder Aufträge ausschreiben kann. Im Ergebnis sind jedes Mal alle überrascht, wenn wieder eine Turnhalle geschlossen oder eine Aula wegen Baufälligkeit gesperrt wird.

Der Reflex auf Senatsseite ist immer der Gleiche: Sanierungsprogramme werden aufgelegt. Bislang haben diese Programme aber nie dazu geführt, dass sich etwas Grundlegendes geändert hätte. Einige Schulen können aufatmen, andere fallen in sich zusammen. Denn selbst durch die nun bald fließenden 200 Millionen Euro wird das Problem nicht gelöst. Erstens reicht diese Summe nicht, und zweitens gibt es in den Bezirken zu wenig Fachleute, um die Mittel zu verplanen. So werden die Ämter weiterwurschteln und darauf warten, ob irgendwann ein paar Architekten vom Himmel fallen, die für die geringen Bezirkshonorare arbeiten.

So landet man unweigerlich bei Erkenntnisstufe drei, die da lautet, dass es so nicht funktioniert. Dass Berlin seinen Schulen nicht nur mehr Geld geben, sondern sie womöglich aus der Trägerschaft der Bezirke herausnehmen muss, damit die Verantwortung für die Lernräume unserer Kinder nicht mehr auf zwölf verschiedene Arten interpretiert werden kann. Nach den Ferien werden wir sehen, ob Rot-Schwarz noch Kraft für solch große Fragen hat oder lieber den Wahlkampf vorbereitet.

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