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Proteste gegen die neuen Landespolizeigesetze gab es bereits in Bayern, NRW und in Niedersachsen.
© Swen Pförtner/dpa

Brandenburg: Demonstration gegen Polizeigesetz geplant

Gegen die Verschärfung des brandenburgischen Polizeigesetzes regt sich Widerstand. Ein linkes Bündnis kündigt für den 10. November Proteste an.

Ähnlich wie zuvor in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen formiert sich auch in Brandenburg Widerstand gegen eine geplante Verschärfung des Landespolizeigesetzes – obwohl der Gesetzentwurf von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf Druck der mitregierenden Linken bereits abgemildert wurde. Für den 10. November kündigt ein linkes, von den Grünen unterstütztes Bündnis mit Vertretern von Parteien, Flüchtlingsorganisationen und Studierenden eine Demonstration durch die Potsdamer Innenstadt mit Start am Bahnhof Charlottenhof an.

Er rechne mit 1000 Teilnehmern, sagte Tom Berthold von der Linksjugend Solid. Dass das Gesetz bereits entschärft wurde, nicht mehr so rigorose Maßnahmen etwa zur Terrorabwehr vorsieht wie ursprünglich, und es bis zur Verabschiedung durch den Landtag auch noch Verhandlungsspielraum gibt, ist für das Bündnis nicht entscheidend. Schröters Gesetzentwurf soll Ende Oktober im Kabinett und Mitte November im Landtag beraten werden. „Wir lehnen es grundsätzlich ab, das Polizeigesetz zu novellieren“, erklärte Berthold. Denn die Gegner sehen gar keine Notwendigkeit dafür, fürchten vielmehr, dass Grundrechte der Bürger durch Überwachung eingeschränkt werden. So sollen Beamte künftig nach richterlicher Genehmigung WhatsApp-Nachrichten von Verdächtigen auslesen dürfen.

Bündnis: Keine Notwendigkeit, der Polizei mehr Befugnisse einzuräumen

„Man sollte keine Instrumente in ein Polizeigesetz schreiben, bei denen man darauf angewiesen ist, dass deren Anwender es gut mit der Demokratie und Meinungsfreiheit meinen“, sagte der Landesvorsitzende der Grünen, Clemens Rostock. Man müsse bedenken, was passieren könne, wenn nach einer Verschärfung des Polizeigesetzes ein AfD-Politiker Innenminister werde.

Auch mit Blick auf die Kriminalitätsstatistik bestehe keine Notwendigkeit, der Polizei mehr Befugnisse einzuräumen, argumentiert das Bündnis. „Brandenburg ist immer sicherer geworden“, sagte der Landesgeschäftsführer der Humanistischen Union Berlin-Brandenburg, Axel Bussmer.

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Zwar ist die Zahl der registrierten Straftaten in Brandenburg im Vorjahr tatsächlich auf ein Rekordtief gesunken, erstmals lag sie unter 180000. Aber, was Bussmer nicht erwähnt: Die Gewaltkriminalität ist deutlich angestiegen. Der Rückgang der Gesamtkriminalität lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass es weniger Diebstähle gibt. Bei Gewaltkriminalität, also bei Delikten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Raub, räuberischer Erpressung sowie gefährlicher und schwerer Körperverletzung, gibt es einen Anstieg. 2017 wurden 5100 Gewaltstraftaten festgestellt – das sind rund 1000 mehr als im Jahr 2015 und etwa 400 mehr als 2016.

Das Gesetz soll verschärft werden, um gegen Gefahren des Terrorismus besser gewappnet zu sein – aber nicht nur. „Unabhängig von den Gefahren des Terrorismus gebietet die Entwicklung auch der allgemeinen Kriminalität wie auch diejenige des allgemeinen technischen Fortschritts eine zeitgemäße Gesetzesanpassung“, heißt es in der aktuellen Version des Gesetzentwurfes. Oder wie Innenminister Schröter es vor einiger Zeit formulierte: Der moderne Kriminelle kommuniziert nicht per Brief und Festnetztelefon.

In der Praxis habe sich auch gezeigt, dass der Korridor von 30 Kilometern ab der polnischen Grenze, in dem anlasslos kontrolliert werden darf, nicht mehr ausreiche, wird in dem Entwurf argumentiert. Etwa beim Autodiebstahl seien Täter mangels Grenzkontrollen derart schnell aus der 30-Kilometer-Zone heraus, dass die Polizei kaum mehr Handlungsspielraum habe. Deswegen möchte das Innenministerium die sogenannte Schleierfahndung mit großflächigen Kontrollen an allen Durchgangsstraßen des Landes ermöglichen.

Ursprünglicher Gesetzentwurf in einigen Punkten entschärft

Auch die Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll ausgeweitet werden. Auf Druck des Koalitionspartners Linke hatte Schröter den ursprünglichen Gesetzentwurf in einigen Punkten entschärft. Im neuen Entwurf wurden die Online-Durchsuchung bei Verdächtigen und elektronische Fußfesseln für terroristische Gefährder gestrichen. Bei Terrorverdacht sollen Gefährder aber zwei, maximal vier Wochen in Gewahrsam genommen werden können.

Es sei gut, dass die Linke Druck gemacht habe, erklärte Grünen-Politiker Clemens Rostock. Mit der Demonstration wolle man der Linken in der Debatte auch den Rücken stärken, wobei auch Rostock die Position vertritt: Die Polizeibefugnisse sind ausreichend, eine Anpassung des Gesetzes ist gar nicht nötig.

Der oppositionellen CDU wiederum geht die jetzige Version nicht weit genug. Der Entwurf sei bis zur Unkenntlichkeit geschliffen worden, hatte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Björn Lakenmacher erklärt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) – früher selbst Innenminister – opfere ein modernes Polizeigesetz auf dem Koalitionsaltar. „Der Sicherheit der Brandenburger wird dadurch Schaden zugefügt“, so Lakenmacher.

„Den Freiheitsrechten der Brandenburger wird Schaden zugefügt“, sagt hingegen Falko Drescher, Rechtsanwalt und Referent für Polizeirecht der Brandenburgischen Strafverteidiger-Vereinigung. Der Protest gegen das neue Polizeigesetz sei keine Kritik an der Institution Polizei. „Polizisten machen einen extrem schweren Job, davor habe ich Respekt“, sagte Drescher. Statt die Polizei mit immer neuen Befugnissen auszustatten, solle besser mehr gut ausgebildetes Personal eingestellt und die Wachen besser mit Alltagstechnik ausgestattet werden.

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Marion Kaufmann

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