zum Hauptinhalt
Die Berliner Hufeisensiedlung in Britz ist eines der ersten Projekte des sozialen Wohnungsbaus und gilt als Ikone des modernen Städtebaus. Die zwischen 1925 und 1930 in mehreren Abschnitten gebaute "Großsiedlung Britz" ist die prominenteste der sechs Berliner Welterbe-Siedlungen. Im Nicolai-Verlag ist nun ein neuer Architekturführer über das Bauprojekt erschienen.
© Ben Buschfeld

Architekturführer für die Hufeisensiedlung: Dem Wohngefühl der Zwanziger Jahre auf der Spur

Die Berliner Hufeisensiedlung in Britz gilt als Schlüsselwerk des modernen Städtebaus. Ein neuer Architekturführer führt durch die prominenteste der sechs Berliner Welterbe-Siedlungen.

Eine stilprägende Besonderheit der Berliner Hufeisensiedlung zeigt bereits die Collage auf der ersten Seite: 25 Türen sind dort abgebildet, die in der Bauart zwar von mehreren Grundtypen ausgehen, aber dennoch unverwechselbar bleiben. Jede Tür ist farblich anders gestaltet. Komponiert ließe sich fast sagen, denn der Architekt Bruno Taut sah in der farblichen Tonfülle einen Reichtum, "demgegenüber nicht einmal vergleichsweise die Register der Orgel standhalten können". Darauf kommt nicht unbedingt, wer die Wohnmaschinen anderer Berliner Großsiedlungen vor Augen hat.

Reich bebildert zeigt der Autor Ben Buschfeld die Bau- und Sozialgeschichte der Siedlung mit knapp 2000 Wohnungen und 679 Einfamilienhäusern, die in der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahren eines der ersten Projekte des sozialen Wohnungsbaus war. Gesunder und preiswerter Wohnraum für alle war der Anspruch, mehr "Licht, Luft und Sonne". Die Siedlung gruppiert sich um eine mehrgeschossige Gebäudeformation in Gestalt eines Hufeisens auf dem Gebiet des ehemaligen Rittergutes Britz in Neukölln. Großzügige Grünflächen liegen zwischen den Gebäuden, darunter viele Reihenhäuser mit Gärten. Die Mieten des Ensembles blieben in den Dreißiger Jahren für einfache Arbeiter meist unerschwinglich. Daher waren viele Angestellte und Beamte unter den ersten Bewohnern. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Fluktuation gering, viele Wohnungen und Reihenhäuser wurden von den Kindern der Bewohner übernommen.

Aufwertung seit der Jahrtausendwende

Buschfeld befasst sich auch mit der seit der Jahrtausendwende allmählich beginnenden Aufwertung der Gegend, beschleunigt durch den Verkauf der Reihenhäuser an Einzeleigentümer. Viele junge Familien aus der Innenstadt zog es in die grüne Siedlung. Die neue Eigentümerstruktur erforderte Anstrengungen in der Verwaltung. Wie sollte das einheitliche Erscheinungsbild des Denkmals erhalten bleiben, wenn neue Besitzer ohne Abstimmung Türen und Fenster auswechseln wollten? Die Planungen Tauts erstreckten sich selbst auf die Auswahl der Pflanzen in den Gärten, jede Straße erhielt eine eigene Baumart. Bewohner gründeten einen Verein, der mit Denkmalbehörden und Architekten eine Webseite für Eigentümer erarbeitete. Dort lässt sich herausfinden, wie das gekaufte Haus zur Bauzeit ausgesehen hat. Im Jahr 2008 erhielt die Hufeisensiedlung gemeinsam mit fünf weiteren Siedlungen der Berliner Moderne Welterbe-Status, ein weiterer Prestigegewinn. Mit Mitteln von Bund und Land wurden inzwischen wichtige Bereiche der Siedlung instand gesetzt und energetisch verbessert.

Schließlich widmet sich der Autor der Frage, wie es sich wohnt hinter den Fassaden der Hufeisensiedlung. Buschfeld hat gemeinsam mit seiner Frau Katrin Lesser ein Reihenendhaus der Siedlung gekauft und im Stil der Zwanziger Jahre restauriert. In mühsamer Kleinarbeit wurde der originale Zustand auch in der Einrichtung wiederhergestellt. "Tautes Heim" nennen sie das Haus, das sich mieten lässt, um dem Lebensgefühl von damals näherzukommen. Unter anderem haben Lesser und Buschfeld dort nach der Vorlage alter Fotos ein zeitlos elegantes Schrankbett tischlern lassen, das mit hochpreisigem italienischen Design von heute konkurrieren kann.

Eine Kurzübersicht am Ende des Buches zeigt auch die anderen fünf Berliner Welterbe-Siedlungen.

"Bruno Tauts Hufeisensiedlung" - ein deutsch-englischer Architekturführer von Ben Buschfeld, erschienen im Nicolai-Verlag 2015, 16,95 Euro.

Zur Startseite