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Es fängt klein an. Bei einer Polizeiaktion am Kottbusser Tor in Kreuzberg wurden am Mittwoch wieder mal Kleinkriminelle festgenommen. Viele stammen aus Nordafrika, steigen hier in den Drogenhandel ein – und einige verfallen radikalen Predigern.
© Paul Zinken/dpa

Islamisten in Berlin: Dealer, Hehler, Salafist: Die Szenen mischen sich

Innensenator Geisel braucht Ausdauer im Kampf gegen Islamisten. Gegen einen Prediger fällt bald ein Urteil.

Im Hausflur stehen Fahrräder, vor den Wohnungstüren liegen Schuhe, eine Mutter legt Spielzeug im Hof ab. Die Briefkästen in der Perleberger Straße 14 in Moabit sehen an diesem Tag im Mai so aus, als wären sie gerade erst geleert worden. Nur einer ist mit Anzeigenblättern und Werbezetteln vollgestopft – ausgerechnet der Briefkasten, der dort nicht mehr hängen sollte: „Fussilet 33 e. V.“ steht auf dem Blech.

„Fussilet 33“ bezieht sich auf einen Koran-Vers und ist der Name eines Salafistenvereins. Die Islamistentruppe wurde im Februar von Innensenator Andreas Geisel (SPD) verboten. In den vom „Fussilet“-Verein betriebenen Gebetsräumen im Untergeschoss in der Perleberger Straße ging Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri ein und aus. Am Briefkasten steht auch der volle Name von Ismet D., 43 Jahre, Türke.

"Emir vom Wedding"

D. wurde ab 2010 als „Emir vom Wedding“ bekannt, dann zog sein „Fussilet“-Verein nach Moabit. Seit 2015 sitzt D. in Untersuchungshaft, er soll Dschihadisten in Syrien mit Geld, Technik und Rekruten geholfen haben. Den tunesischen Asylbewerber Amri hat D. selbst nicht getroffen. Aber seine Zöglinge in der Perleberger Straße kannten Amri. Nur Stunden vor dem Attentat besuchte der Tunesier die Moschee in der Perleberger Straße.

Islamisten – die Stadt, die Polizei und Senator Geisel werden das Problem nicht los. Und vor allem: Die Szenen mischen sich. Dealer, Hehler – und zugleich Salafist? In Berlin keine Seltenheit mehr. So wie Amri als Asylbewerber nach Deutschland kam, sofort mit Schlägereien, Diebstahl, Sozialbetrug loslegte und regelmäßig frommen Imamen lauschte, so tun es – Schätzungen aus Justizkreisen zufolge – Hunderte allein in Berlin.

Erst am Mittwoch wurden bei Razzien neun Männer festgenommen. Sie sollen mit Drogen gehandelt haben – während mindestens vier von ihnen zudem Islamisten seien. Die Männer sind allesamt Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien. Dem Polizeipräsidium zufolge griff der Staatsschutz zusammen mit Spezialeinheiten und einer Einsatzhundertschaft in Neukölln, Köpenick und Zehlendorf zu. Auch ein Steakhouse in Mariendorf durchsuchten die Beamten. Elektrogeräte, Drogen und Waffen wurden beschlagnahmt. „Gerade vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion über den Fall Anis Amri ist es mir wichtig zu sagen, dass das Landeskriminalamt eine hervorragende Arbeit macht“, teilte Senator Geisel nach der Razzia mit.

Geisel: Landeskriminalamt macht "einen harten Job"

So redet Geisel: unprätentiös, umgangssprachlich – und doch so, dass er politisch immer auf der richtigen Seite zu stehen scheint. Am Abend zuvor war Innensenator Geisel vor Spandauer Parteifreunden aufgetreten. Die örtliche SPD hatte ihn eingeladen, der Senator kam, legte die Krawatte ab, das Publikum begegnete ihm gleich mit Sympathie. Vor wenigen Tagen hatte Geisel Anzeige wegen etwaiger Strafvereitelung und Urkundenfälschung im Amt gestellt: Staatsschützer sollen Berichte über Amri verändert haben, möglicherweise hätten sie ihn anderenfalls festnehmen und einen Antrag auf Untersuchungshaft stellen können.

Jetzt stehe das ganze Landeskriminalamt am Pranger, sagte Geisel, und „genau das ist das Ungerechte“ – denn die Behörde mache „einen harten Job“. Dass es nun einen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt gibt, sei „’ne richtige Entscheidung“, sagte Geisel in Spandau – dabei war es im Abgeordnetenhaus die FDP, die den Ausschuss gefordert hatte, die SPD schwieg zunächst.

Die Frage nach der Videoüberwachung

Oder die Videoüberwachung: Da hatte der Innensenator die Kompromisslinie zu beachten, die in seiner Partei die Befürworter und Gegner der Videoüberwachung trennt. Die Linie führt über Ideen wie „mobile Technik“, die auch beim Kirchentag eingesetzt wird, über das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz („nur bei Verdacht auf schwere Straftaten“) bis zu den Bürgerrechten. Geisel sagte: „Die offene Gesellschaft einzuschränken, ist ein Fehler“ – dafür gab es Beifall von den Spandauer Sozialdemokraten. Allerdings sollen bald mehr Polizisten eingestellt werden, sagte Geisel, sodass die Kontaktbereichsbeamten nicht ersatzweise im Streifenwagen mitfahren müssten, sondern wieder zu Fuß auf den Straßen unterwegs sein könnten.

Und überhaupt: die Frage der Präsenz. Er habe „schon Orte gesehen, an denen ich mich unsicher fühle“, sagte der Senator. Der Alex sei ihm tagsüber immer harmlos erschienen. Testweise sei er mal um 22 Uhr dort lang gegangen – „ich habe mich nicht wohlgefühlt“.

Mehr Geld für Prävention

Als SPD-Mann setzt Geisel nicht allein auf Recht, Regeln, Ordnung und deren Durchsetzung – Prävention und Sozialarbeit sind ihm wichtig. So will der Senator nicht mehr 400 000 Euro jährlich, sondern fünf Millionen Euro ausgeben, um zu verhindern, dass junge Muslime zu den Salafisten überlaufen. In Moabit wird das vielleicht nur noch wenig helfen: Rund um die Fussilet-Moschee gibt es seit Jahren eine Dschihadistenszene. Deren Männer dürften sich nun in Privaträumen treffen, einige werden die anderen elf, zwölf Berliner Moscheen besuchen, die offen für Salafisten sind.

Dass es immer mehr Kontakte zwischen Dealern und Islamisten gibt, zeigte sich diese Woche auch bei einer Polizeiaktion in Kreuzberg. Junge Männer, die meist aus Nordafrika eingereist sind und rund um Stationen der U8 mit Drogen dealen, treffen sich zunehmend mit Berlinern, die als Salafisten beobachtet werden. „Beide Milieus“, sagte ein Ermittler, „werden größer.“ In der nächsten Woche sollen die Plädoyers im Prozess gegen den radikalen Prediger Ismet D. gehalten werden. Das Urteil folgt zügig. Senator Geisel wird es als einer der Ersten lesen.

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