Berliner U-Bahn: Dauerbaustelle: Aufzüge in U-Bahnhöfen werden nicht fertig
Alle U-Bahnhöfe sollen Aufzüge erhalten. Doch der Bauplan stockt. Es gibt Beschwerden aus immer mehr Vierteln.
Sie sollen das Leben erleichtern: die Aufzüge der BVG. Doch so leicht ist das alles gar nicht in Berlin.
Ein Blick auf die Statistik: 115 der gut 170 U-Bahnhöfe haben mittlerweile einen Aufzug. Heißt aber auch, dass über 50 U-Bahnhöfe keinen haben – und bei denen gerät die BVG immer weiter in Verzug. Beispiel Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg: Noch im Juni hatte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), das Jahr 2018 als Eröffnungstermin genannt. Das Jahr nähert sich dem Ende – die Bauarbeiten nicht. Zwar wurden im Sommer zahlreiche Bauzäune in der Motzstraße aufgestellt, der hintere Ausgang vergittert und ein erster Schuttcontainer gefüllt. Danach passierte nichts mehr. Mittlerweile liegt das Laub hoch hinter den Bauzäunen. Der volle Schuttcontainer steht immer noch da.
In dieser Woche sahen Anwohner nach einem halben Jahr wieder Arbeiter. BVG-Sprecherin Petra Reetz nennt den Grund: Kurz nach Baubeginn wurden völlig verrostete Stützen um den Ort des geplanten Aufzuges entdeckt. Die Arbeiten wurden eingestellt, ein Prüfstatiker beauftragt. Der prüfte Monate, nun soll es tatsächlich weitergehen, sagte Reetz. Die Schäden seien im Vorfeld nicht bekannt und nicht erkennbar gewesen.
Böse Überraschungen
Eine Dauerbaustelle ist auch der benachbarte Bayerische Platz, ebenfalls in Schöneberg. Das Bahnhofsgebäude war nach Jahren 2014 fertig geworden. Der Haken: Ein Aufzug wurde damals zwar mitgeplant – aber nicht mitgebaut. Dann wurden massive Schäden an Betondecken festgestellt. Auch dieser Aufzug sollte in diesem Jahr fertig sein, auch dieser verschiebt sich nach Senatsangaben auf 2019/2020. Es wird nicht die letzte böse Überraschung gewesen sein.
Natürlich hat die BVG mit den Stationen angefangen, in denen ein Aufzug leicht einzubauen war. Nun kommen die schwierigen. Zuletzt wurde vor einer Woche an der Dahlemer U-Bahn der Aufzug am Bahnhof Freie Universität (früher Thielplatz) fertig. Dazu wurde für zwei Millionen Euro eine Fußgängerbrücke gebaut, die sich quer über den im Einschnitt liegenden Bahnhof spannt. Es war nach Angaben der BVG der 115. Bahnhof mit Aufzug – weitere acht Stationen gelten aus barrierefrei, weil sie Rampen haben. Dies war zu DDR-Zeiten Standard, auch an S-Bahnhöfen. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen U-Bahnhöfe bis zum 1. Januar 2022 barrierefrei sein. Rolltreppen zählen dabei nicht.
Immense Einschränkungen für Fahrgäste
Die BVG hatte schon vom vorangegangenen rot-schwarzen Senat den Auftrag erhalten, alle Bahnhöfe bis 2020 barrierefrei zu machen, dafür wurden im Haushalt dreistellige Millionenbeträge bereitgestellt. Im Sommer wurde im Abgeordnetenhaus bekannt, dass 2020 nicht zu schaffen ist, mit den letzten Bahnhöfen soll es 2021 begonnen werden. Wegen „komplexer bautechnischer Lösungen“ werden fünf Stationen erst 2021 und 2022 barrierefrei, hatte die Verkehrsverwaltung kürzlich mitgeteilt. Nämlich diese: Deutsche Oper (U2), Holzhauser Straße, Borsigwerke, Seestraße (alle U6) sowie Möckernbrücke (U1, U3 und U7).
Die Beeinträchtigungen für Fahrgäste sind teilweise immens. So fahren derzeit an der U7 in Eisenacher Straße in Richtung Rudow durch, damit der Aufzug installiert werden kann. An der Spichernstraße müssen Fahrgäste beim Umsteigen zwischen U3 und U9 seit einem halben Jahr einen mehrere hundert Meter langen Umweg laufen, oberirdisch bei Wind und Regen. Der direkte Weg ist gesperrt – und zwar laut Plan bis Ende Mai 2020, also mehr als zwei Jahre. Ein Bauingenieur, der Einblick in die Arbeit der BVG hat, kritisierte, dass zu wenig an die Fahrgäste gedacht werde. Die Bauabteilung bestimme alleine, eine interne Überprüfung fehle. Zudem könnten Bauarbeiten beschleunigt werden, wenn Gratifikationen gezahlt würden. Dies mache die „Deges“ vor. Die Gesellschaft koordiniert bundesweit größere Autobahnbaustellen. Zuletzt wurden mehrere Baustellen schneller fertig als geplant.
„Bisher ist nichts geschehen“
Dem widersprach BVG-Sprecherin Petra Reetz: „Die BVG setzt großen Wert darauf, die Einschränkungen für den Fahrgast so gering wie möglich zu halten.“ Alle Beteiligten, also BVG, Baufirma und ein begleitendes Ingenieurbüro „arbeiten natürlich eng zusammen“. Am Bahnhof Spichernstraße seien Einschränkungen für Fahrgäste bereits „auf das unbedingt notwendige Maß minimiert“ worden. Provisionen als Beschleunigungsmittel seien angesichts der derzeit stark ausgelasteten Baubranche keine Möglichkeit.
Tagesspiegel-Leser berichteten von weiteren Verzögerungen. So sollte längst Baubeginn für den Aufzug am Bahnhof Schönleinstraße an der U8 gewesen sein. „Bisher ist nichts geschehen. Dafür verwahrlost der Bahnhof jeden Tag mehr“, schrieb eine Leserin. Auch hier wird es nach Angaben der BVG lange Verzögerungen geben. Eigentlich sollte nur ein Aufzug eingebaut werde, bei der Planung wurde festgestellt, dass die komplette Station kaputt ist. Nun soll die „Grundinstandsetzung 2023 beendet sein.
Nur mit einem Bahnhof hat die BVG Glück: Französische Straße bekommt – planmäßig – keinen Fahrstuhl mehr. Denn die Station an der U6 wird dichtgemacht, wenn der neue Umsteigebahnhof zur U5 fertig ist.
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