Kunstprojekt in Berlin-Mitte: "Dau"-Mauerbau abgesagt - Künstler: "Absage gilt nicht"
Am Freitagmorgen bestätigte Verkehrssenatorin Regine Günther das Aus für das Mauerprojekt. Neuer Anlauf 2019? Auch darauf gibt es eine Antwort.
Der Mauerbau ist abgesagt - verkündet am Freitagmorgen. Das Kunstprojekt "Dau" ist gescheitert. Grund: Sicherheitsbedenken und Zeitnot. Lesen Sie hier Stimmen und Nachrichten zu dem turbulenten Vorgang.
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Am Donnerstagnachmittag kam eine Mail aus der Senatsverwaltung für Verkehr, die mit dem Bezirksamt Mitte bekanntgegeben hatte, dass "Dau" 2018 in Berlin nicht die nötigen Genehmigungen erhalten wird. Sprecher Matthias Tang möchte "aufgekommene Missverständnisse" klären und bezieht sich damit wohl auf die Aussage der Berliner Festspiele ("Dau"-Veranstalter), es habe keine behördliche Absage gegeben (siehe unten).
"Die Veranstalterin des DAU-Projekts wurden heute vorab per E-Mail informiert, dass es aus Sicherheits- und Zeitgründen, wie heute beim Pressetermin dargestellt, keine Genehmigung für das Projekt geben kann. Das offizielle Schreiben mit Begründung etc. folgt in der nächsten Woche." Deutliche Worte.
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Am Nachmittag meldeten sich noch mal die Mauerbauer von den Berliner Festspielen, die jetzt melden: "Entgegen der öffentlichen Darstellung hat der Veranstalter des Kunstprojekts DAU Freiheit keine behördliche Absage erhalten." Es habe nur eine Mail der Verkehrslenkung gegeben. Darin stand laut den Festspielen: "Ich muss feststellen, dass Sie als Antragssteller nicht in der Lage sind, die notwendigen Antragsunterlagen fristgerecht vorzulegen. Daher kann ich Ihnen keine Erlaubnis in Aussicht stellen.“ Die Künstler pochen jetzt auf ihr Recht - es sind schließlich auch Vertragspartner der Festspiele betroffen - und daher gilt: "Diese Mitteilung stellt keine formelle Ablehnung des Antrages da, sie ist mit keiner Rechtsmittelbelehrung versehen. Der Veranstalter wird sich daher weiter darum bemühen, im Austausch mit den zuständigen Stellen die Antragsunvollständigkeiten zu beseitigen." Und daher: "Wir gehen davon aus, dass die Unvollständigkeiten innerhalb der früher vom Bezirksamt Mitte öffentlich genannten Frist bis zum 28.09.2018 beseitigt werden können."
Kulturstaatsministerin Grütters, CDU: "Hätte mir mehr Offenheit gewünscht"
"Für Sicherheitsbedenken muss man Verständnis haben, für eine lebendige Auseinandersetzung über Kunstwerke ebenfalls", sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters, CDU, nach der Absage am Freitagmorgen durch Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). "Die Debatte im Vorfeld dieses Kunst-Experiments trug allerdings bedenklich hitzige und von Vorurteilen geprägte Züge. Ich hätte mir mehr Offenheit gewünscht."
Kultur-Veranstalter reagiert verwundert
Die Veranstalter des Kunstprojekts DAU mit dem Nachbau einer Mauer in Berlin haben verwundert auf den Stopp ihrer Pläne durch die Berliner Behörden reagiert. Die Informationen an die Veranstalter seien „inhaltlich völlig anders begründet“ als das, was die verantwortlichen Politikerinnen bei einer Pressekonferenz erklärt hätten, sagte eine DAU-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. „Die Veranstalter prüfen dies nun und werden sich zeitnah äußern“, kündigte sie an.
Kultursenator: Das Projekt hätte gut zu unserer Stadt gepasst
Nach der Absage des Mauerprojekts Dau am Freitagmorgen hat sich auch Kultursenator Klaus Leder zu Wort gemeldet. "Ich denke, dieses Projekt hätte gut in unsere Stadt gepasst, und ich finde auch, dass die Kontroversen das eher bestätigt haben, als es zu widerlegen", schrieb der Linken-Politiker. Aber: "Die Zeit war offensichtlich zu knapp."
Kulturrat: "Die Kunst muss aufregen"
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, twitterte: „Ich hoffe, dass selbst wenn das DAU-Projekt in diesem Jahr in Berlin nicht stattfinden kann, die Diskussion über dieses ungewöhnliche Kunstprojekt weit geht. Denn Kunst muss auch aufregen, polarisieren und zum Streit anregen.“
Stadträtin: "Keine Einverständniserklärung der Eingemauerten"
Das Kunstprojekt "Dau" mit dem Wiederaufbau der Berliner Mauer mitten in der Innenstadt ist seit den Morgenstunden offiziell abgesagt. Einen entsprechenden Tagesspiegel-Artikel vom Donnerstagabend bestätigte Verkehrssenatorin Regine Günther am Freitag: „Die Veranstalter des Projekts haben uns keine Unterlagen vorgelegt, die wir für eine Genehmigung benötigen.“
Und die Bezirksstadträtin aus Mitte, Sabine Weißler, sagte: „Es lag keine Baugenehmigung vor.“ Notfallpläne seien von Polizei und Feuerwehr als unzureichend bewertet worden. Außerdem lagen keine Einverständniserklärung der Menschen vor, die eingemauert worden wären.
Kommt die Mauer 2019? Regine Günther: "Das Areal ist nicht geeignet"
Kommt die Mauer stattdessen 2019? Dazu sagte Regine Günther: „Die Tatsache, dass kein Ort für einen Kran zur Aufstellung der Mauer gefunden wurde, ist ein Indiz, dass Areal nicht geeignet ist.“ Generell meinte die Verkehrssenatorin: "Es hat nichts mit mangelndem Mut zu tun, sondern mit Vorsicht und Umsicht." Und: "Dau wäre kein Kleinkunstprojekt gewesen, sondern ein Riesenvorhaben mitten in der Innenstadt." Zum Vergleich meinte sie: "Es spielt in einer Liga mit dem Marathon, Kirchentag und Fanmeile. Da wird der Antrag ein Jahr vorher gestellt, nicht zwei Monate."
Abgeriegelt werden sollte ein Viertel ab 12. Oktober
Bei dem Projekt sollte vom 12. Oktober an ein Viertel am Boulevard Unter den Linden mit einer Betonmauer abgeriegelt werden, um dahinter ein diktatorisches System nachzuspielen. Dagegen hatte es große Proteste gegeben, auch von Anrainern wie Kirchen. Es gab aber auch Befürworter.
Bürgermeister Mitte: "Gasleitungen unter der geplanten Mauer"
Am Donnerstag hatte der Tagesspiegel von der Absage des Projekts erfahren - am Morgen danach nannte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) die Gründe. Es war bereits da von großer Zeitnot, von Sicherheitsproblemen und technischen Gründen vorab die Rede.
In der "Morgenpost" hatte Mittes Bezirkschef Stephan von Dassel (Grüne) zuvor gesagt: Das Genehmigungsverfahren sei in zwei Monaten nicht zu stemmen. Er verwies auf Gasleitungen, die unter der geplanten Mauer verlaufen, und auf Sicherheitsbedenken.
Wo lagern die Mauerteile? "Ich muss auflegen"
In welchem brandenburgischen Ort die Mauerteile lagern, ist derzeit das bestgehütete Geheimnis der Hauptstadt. Doch in der Nacht tauchten Bilder auf, die die Mauer zeigen - bei dpa, Fotograf: Mathias Schwerbrock, Autor und Produzent. Ob er sagen kann, wo das Foto entstanden ist? Nein. In was für einer Verbindung er zum Projekt stehe? Kurzes Stottern, „das führt hier glaube ich zu nichts. Ich muss auflegen.“ (siehe Meldung im Tagesspiegel-"Checkpoint")
Donnerstag: Das Kunstprojekt wurde von der BVV-Liste gestrichen
"Wegen Medienberichten" war in der BVV Mitte am Donnerstagabend das Thema Punkt „Dau“ von der Tagesordnung der BVV Mitte gestrichen worden. Stadträtin Weißler bestätigte dort den entsprechenden Tagesspiegel-Bericht, verwies dann aber – wie Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) - auf die Pressekonferenz.
Grütters hatte von einem "Weltereignis" gesprochen
Das außergewöhnliche Vorhaben des russischen Filmemachers Ilya Khrzhanovsky sollte am 12. Oktober in einem ummauerten Areal rund um das Kronprinzenpalais in Mitte starten. Als Veranstalter traten die Berliner Festspiele auf, unterstützt wurde „Dau“ unter anderem von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die sogar von einem „Weltereignis“ sprach. Auch Berlins Regierender Michael Müller, SPD, hatte sich positiv über das Projekt geäußert. Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) hatte sich am Montag im Abgeordnetenhaus noch abwartend geäußert.
Lesen Sie mehr zum Mauerbau in Berlin
- Wenn die Berliner Mauer wiederkäme - Riesige Logistik: Über das umstrittene "Dau"-Projekt werden immer mehr Einzelheiten bekannt. "Umfangreiche Sperrungen" sind dafür nötig. Hintergründe.
- Befürworter: Grütters verteidigt umstrittenes Berliner Kunstprojekt „DAU“.
- Kritik: Offener Brief gegen "Dau"-Projekt: "Wir wollen keine Mauer mehr sehen". Widerstand gegen das "Dau"-Projekt: Lea Rosh, Wibke Bruhns, Michael Cullen und andere wehren sich gegen den Plan, die Mauer als Kunstprojekt wieder aufzubauen.
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