Fernsehfilm über Bernhard Grzimeks: Das Zebra darf nicht sterben
Bernhard Grzimeks Flugzeug, eine Dornier Do 27, spielt am Karfreitag in einem ARD-Fernsehfilm über sein Leben eine Hauptrolle. Im Technikmuseum Berlin sind Teile jener Maschine zu sehen. Aus ihr filmte der berühmte Tierforscher die Serengeti. Mit ihr verunglückte sein Sohn tödlich.
„Die britischen Luftfahrtbehörden stellten bei der Untersuchung des Wracks fest, dass ein Gänsegeier gegen den rechten Tragflügel gestoßen war und ihn stark verbogen hatte. Dabei waren auch die Züge der Steuerung blockiert worden. So war die Maschine in steiler Rechtskurve in Sekunden geradewegs gegen die Erde geflogen.“
Ob Bernhard Grzimek auch diese Zeilen geschrieben hat, die nüchterne Darstellung des Unfalls, bei dem sein Sohn Michael am 10. Januar 1959 am Ngorongoro-Krater in Tansania zu Tode kam? Das Buch „Serengeti darf nicht sterben“, in der Ich-Perspektive angelegt, endet damit, dass Michael wegfliegt: „Ich höre nur noch eine Weile die Maschine brummen.“ Danach wechselt der Tonfall, folgt ein neutraler Bericht über die Umstände des Absturzes: die Aussagen der Zeugen, die die Maschine aus 200 Metern Höhe niedergehen sahen, die Bergung des Toten, die Benachrichtigung des Vaters.
Mit Ulrich Tukur und Jan Krauter in den Hauptrollen
In dem Biopic „Grzimek“, das die ARD am Karfreitag ausstrahlt, mit Ulrich Tukur als Vater und Jan Krauter als Sohn, werden diese Geschehnisse sehr zurückhaltend dargestellt. Grzimek erfährt von der Tragödie, rast zur Absturzstelle und findet die zerschellte, im hohen Gras halb verborgene Maschine. Eine Szene, die – wie auch die zahlreichen Flugszenen im ersten Teil des 165-minütigen Films von Roland Suso Richter – zu Berlin eine besondere Beziehung hat: Reste des Originalflugzeugs, einer Dornier Do 27, sind im Deutschen Technikmuseum am Landwehrkanal in Kreuzberg ausgestellt.
Komplett ist dort nur der Schattenriss der „D-Ente“ in ihrem berühmten Zebra-Look, geklebt auf den Boden des ihr gewidmeten Nebenraums der Flugzeugabteilung. Drei Wrackteile mit verblasster Bemalung sind an den jeweiligen Stellen aufgestellt und -gehängt worden: der hintere Abschnitt der völlig ausgeweideten Kabine, das Höhenleitwerk und ein Teil der rechten, von dem Geier getroffenen Tragfläche. Dahinter erinnert ein großes Plakat an den Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“, bei dessen Dreharbeiten, Teil der Forschungen der Grzimeks in Tansania, sich der Unfall zutrug. Auch eine Arriflex-Kamera, wie sie damals eingesetzt worden war, wird gezeigt, zudem ein Modell des Flugzeugs mit Farbmarkierungen an den noch erhaltenen Teilen.
Über das Zebraflugzeug wurden Generationen mit Naturschutz konfrontiert
Nur etwa zehn Prozent der Maschine seien in Berlin, berichtet Heiko Triesch vom Technikmuseum, der 2008 die Rückkehr der Teile nach Deutschland organisierte. Für die Luftfahrtgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg sei das Publikum nur schwer zu interessieren, weiß er. Also suchte er nach Exponaten, mit denen sich eine Geschichte, gar Zeitgeschichte verbindet – wie die Cessna 127 des Kreml-Fliegers Matthias Rust, die im Foyer des Museums hängt. Oder aber das Zebraflugzeug, über das Generationen deutscher wie internationaler Leser, Kinobesucher und Fernsehzuschauer zum ersten Mal mit Naturschutz konfrontiert und dafür begeistert wurden. Ein luftfahrthistorisch bedeutsamer Flugzeugtyp, war doch die Do 27 die erste deutsche Maschine, die nach Aufhebung des alliierten Produktionsverbots 1955 in Großserie ging. 627 Exemplare des meist militärisch genutzten Aufklärungs- und Verbindungsflugzeugs wurden gebaut, etwa 100 sind noch erhalten. Auch das Technikmuseum besitzt neben den Resten von „D-Ente“ zwei Maschinen: eine intakte und ein Wrack.
Auf das Flugzeug der Grzimeks stieß Triesch über die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, deren Wiedergründung Anfang der fünfziger Jahre ohne Bernhard Grzimek, den langjährigen Direktor des Frankfurter Zoos, kaum denkbar wäre. So erfuhr der Luftfahrthistoriker von dem Wrack, das lange Zeit in der Savanne verrottet war. Souvenirjäger, vielleicht auch Einheimische hatten es bereits gefleddert, als es schließlich geborgen und in einem Wildhütercamp eingelagert wurde. Mit Zustimmung der Familie Grzimek flogen Triesch und zwei weitere Mitarbeiter des Museums nach Nairobi, als persönliche Gäste des Piloten einer Lufthansa-Frachtmaschine, suchten und fanden das Wrack, bauten die drei Teile ab und wurden von dem Piloten samt der Fracht zurück nach Frankfurt gebracht, wonach es per Auto nach Berlin ging.
Seit Sommer 2006 sind die drei Trümmerteile im Technikmuseum zu sehen – die zerknautschten Überreste der Maschine, die für die Arbeit der Grzimeks so entscheidend gewesen war, ohne die ihre Zählung der Wildbestandes in der Serengeti nicht möglich gewesen wäre.
In Grzimeks Buch spielt die "D-Ente" eine wichtige Rolle
So übernimmt der Zebra-Hochdecker in Roland Suso Richters Film zeitweise so etwas wie die dritte Hauptrolle. Gedreht wurden die Afrika-Szenen in Südafrika, wo noch zwei flugtaugliche Maschinen existieren. „Durch lange Recherche und viel Überzeugungsarbeit gelang es uns, einen Sammler und seinen versierten Buschpiloten zu überzeugen, ihr Flugzeug aufwendig umlackieren zu lassen“, schildert Ausstatter Michael König.
Schon in Bernhard Grzimeks 1959 erschienenem Buch „Serengeti darf nicht sterben“ wie auch in dem gleichnamigen, nach Michaels Tod fertiggestellten und 1960 mit dem Bundesfilmpreis und dem Oscar prämierten Dokumentarfilm spielt die „D-Ente“ eine wichtige Rolle. Das Flugzeug musste dabei schon vor dem Absturz einiges durchmachen: Beim Flug nach Afrika über dem Mittelmeer ein plötzlich aussetzender Motor, verdrecktes Flug- oder zur Not auch mal Autobenzin, ein anfangs sich leicht überhitzender Motor beim Langsamflug – das waren noch Kleinigkeiten. Ein abgerissenes Fahrwerk schon nicht mehr. Zweimal ist das passiert: Beim ersten Mal geriet die Maschine mit einem der Räder in ein Warzenschweinloch – Bauchlandung mitten in der Wildnis. Beim zweiten Mal schaffte sie es bei einem ähnlichen Unfall noch in die Luft, Michael Grzimek flog danach mit beschädigtem Fahrgestell bis nach Nairobi, es gelang ihm sogar, ohne weitere größere Schäden zu landen.
Der Film feierte 1956 bei der Berlinale einen glänzenden Erfolg
Dass die Wrackteile der Do 27 nun in Berlin gezeigt werden, ist nicht nur aus museumspädagogischen Gründen erfreulich, sondern auch biografisch gerechtfertigt. Bernhard Grzimek kannte die Stadt gut, an der heutigen Humboldt-Universität hatte er Veterinärmedizin studiert und auch promoviert, später arbeitete er bis Kriegsende als Regierungsrat im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das seinen Sitz in der Wilhelmstraße hatte. Und mit Michael konnte er bei den Filmfestspielen 1956, der ersten Berlinale mit A-Status und internationaler Jury, mit dem Dokumentarfilm „Kein Platz für wilde Tiere“ einen glänzenden Erfolg feiern. Beide kamen sich vor „wie Schuljungen zu Ostern in der Aula, wenn bekanntgegeben wird, wer versetzt und wer sitzengeblieben ist“ – so schildert es Bernhard Grzimek in „Serengeti darf nicht sterben“. Eine überflüssige Sorge: „Als drei Giraffen wie Schattenbilder vor dem roten Abendhimmel entlangzogen, fingen die Zuschauer an, mitten im Film zu klatschen.“ Gleich zwei Preise waren der Lohn, ein Goldener Bär der Internationalen Dokumentarfilmjury und eine Große Goldene Plakette vom Publikum. Konkurrent Disney („The African Lion“) war geschlagen.
Der Fernsehfilm „Grzimek“ läuft Karfreitag um 20.15 Uhr in der ARD, um 23 Uhr folgt eine Dokumentation von Erika Kimmel und Bernd Isecke.
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