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So stellen sich die Grünen den Tauentzien vor.
© Simulation: Bündnis 90/Die Grünen Berlin/MLA+

„Mehr Bullerbü mitten in der Hauptstadt“: Das sind die Visionen der Grünen für den Umbau Berlins

Die Grünen zeigen mit ihrer „Hauptstadtvision“, wie sie sich das Berlin der Zukunft vorstellen: Das Ziel ist mehr Aufenthaltsqualität. Doch es bleiben Fragen.

In den Reden der Berliner Grünen fallen immer wieder die Worte, die Stadt neu gestalten zu wollen – nur was genau damit gemeint ist, blieb bislang häufig offen. Mit einer Präsentation am Mittwochvormittag, hat Spitzenkandidatin Bettina Jarasch erstmals auch bildlich deutlich gemacht, wie ein Berlin unter grüner Führung aussehen würde.

„Wir haben in der Koalition viel geschafft, aber eine klare Vision, wie die Stadt aussehen soll, sind wir den Bürgern schuldig geblieben“, konstatierte Jarasch. Mit ihrer selbstbetitelten „Hauptstadtvision“ will die Partei genau das nun leisten: Dafür präsentierte die Partei Visualisierungen für vier Orte in der Stadt, den Tauentzien, die Danziger Straße, den Elsterwerdaer Platz und den 16. Bauabschnitt der A100.

„Wir wollen Ihnen Bilder aus dem grünen Berlin der Zukunft zeigen, wie Straßen und Plätze zu Lebensräumen werden können“, sagte Jarasch. Die Orte seien exemplarisch gewählt worden. Die Devise jedoch sei klar: „Mehr Bullerbü mitten in der Hauptstadt“, gab die Spitzenkandidatin ihre Vision aus. Die autogerechte Stadt sei keine Zukunft für Berlin. Doch der Umbau dahin bedeute auch viel Veränderung. Längst nicht alle Berliner:innen wollten diesen Weg daher bislang mitgehen. „Wir wollen zeigen, was es für die Menschen zu gewinnen gibt, bei einem zukunftsorientierten Stadtumbau.“

Aus dem Tauentzien, der Einkaufsmeile in der City West, machen die Grünen in ihren Visualisierungen eine Flaniermeile. Heute gebe es keine Möglichkeit zum Ausruhen im Schatten zwischen den Autos und dem Beton, führte Jarasch aus. Die Straßen und Parkzonen trennten die Menschen von den Geschäften ab und böten wenig Anlass zum Aufenthalt für all jene, die keine Einkäufe erledigen.

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Besser werden soll das in der Visualisierung durch einen breiten Fußweg in der Mitte der Straße. Dort wäre Platz für Bänke, Blühstreifen sowie wechselnde Ausstellungsboxen. Herausgenommen würde dafür der Kfz-Verkehr. Stattdessen führen in der Vision nur noch Elektrobusse über die Einkaufsstraße, zudem gebe es Platz für Radwege.

Der Elsterwerdaer Platz: eine „lieblose Betonwüste“

Viel vor haben die Grünen auch mit dem Elsterwerdaer Platz. Die fußballfeldgroße Steinfläche in Biesdorf ist das perfekte Beispiel für einen Ort, wo die Stadtplanung versagt hat. Auf der weiten freien Fläche gibt es heute keinerlei Schatten. Auch sonst bietet der Platz nichts, was zum Aufhalten animieren würde. Eine „lieblose Betonwüste“, sei es, sagte Jarasch.

Auf dem Elsterwerdaer Platz wollen die Grünen mehr Aufenthaltsqualität schaffen.
Auf dem Elsterwerdaer Platz wollen die Grünen mehr Aufenthaltsqualität schaffen.
© Simulation: Bündnis 90/Die Grünen Berlin/MLA+

Die Grünen wollen das durch Bäume und Brunnen ändern. Kinder sollen spielen, Erwachsene an öffentlichen Fitnessgeräten trainieren können. Entstehen solle so ein „lebendiges und grünes Stadtteilzentrum für Jung und Alt“, beschreibt die Spitzen-Grüne die Pläne.

Neuer Abschnitt der A100 soll nur Bundesstraße werden

Jarasch bekräftigte zudem, den aktuell in Bau befindlichen 16. Abschnitt der A100 nicht als Autobahn fertigstellen zu wollen. „Ich habe von Rückbau gesprochen und das meine ich auch so“, sagte sie. Statt am Treptower Park für Verkehrschaos zu sorgen, solle es eine Bundesstraße werden, die sich verjünge.

[Lesen Sie mehr: Schneise der Verwünschung: Darum geht es beim Kampf um die Berliner Stadtautobahn A100 (T+)]

Dies biete auch den Vorteil, dass anders als bei einer Autobahn weniger Pufferflächen rundum nötig wären. So könnten neue Wohnungen sowie Grünanlagen und Radwege zwischen Kiefholzstraße und Treptower Park entstehen. „Diese Art von Rückbau ist möglich“, betonte Jarasch. „Die Mittel im Bundesverkehrswegeplan können auch für Rückbau eingesetzt werden, das passiert in anderen Teilen Deutschlands schon.“

Bettina Jarasch: „Autos wird es weiter geben“

Zugleich machte die Spitzenkandidatin klar, dass dies nicht bedeute, Berlin autofrei zu machen. „Ich möchte eine Stadt mit so wenigen Autos wie möglich. Aber Autos wird es weiter geben.“ Es sei deshalb nötig, den verbleibenden Verkehr emissionsfrei zu gestalten und gut in die Stadt zu integrieren.

Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, macht klar, wie sie Berlin umbauen will.
Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, macht klar, wie sie Berlin umbauen will.
© Paul Zinken/dpa

Auch in anderen europäischen Metropolen ist der Stadtumbau bereits in vollem Gange. Darauf verwies der ebenfalls geladene Martin Aarts in einem Vortrag. Der renommierte, niederländische Stadtplaner ist verantwortlich für den Umbau Rotterdams in den vergangenen drei Jahrzehnten.

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Dort machte er etwa das Umfeld des Bahnhofs, früher eine reine Verkehrsfläche für Busse und Autos zu einem großen Fußgängerbereich. Dadurch sei der Ort in die Stadt integriert worden. Die Reisenden könnten nun von dort direkt zu Fuß in die Stadt treten. „Die Einwohner können sich nicht mehr vorstellen, dass es mal so war wie früher“, sagte er.

Vorbild Paris: 700 Kilometer neue Radwege, 15.000 neue Bäume

Aarts verwies auch auf Paris, wo die sozialistische Bürgermeisterin seit einigen Jahren den Umbau der französischen Hauptstadt vorantreibt. Unter anderem wurde ein Seineufer für den Autoverkehr gesperrt. Seit 2014 seien so unter anderem 700 Kilometer Radwege entstanden und 15.000 Bäume gepflanzt worden. Auf diese Weise müssten sich europäische Städte „gegeneinander herausfordern und stimulieren“, sagte der Stadtplaner.

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Damit auch Berlin in diesem Rennen weiter vorne mitspiele, müssten die Grünen die Regierungsverantwortung übernehmen, sagte Jarasch: „Manche Konflikte lassen sich besser auflösen, wenn der Wandel aus dem Roten Rathaus heraus gesteuert wird.“

Die grünen Visionen sind nicht immer stimmig

Allerdings werfen die grünen Zukunftsvisionen bei aller Euphorie auch Fragen auf. So machten etwa die Visionen für die Danziger Straße eine aufwendige Verlegung der Tramgleise nötig. Ein solches Vorhaben würde Jahre brauchen. Auch am Tauentzien stellt sich die Frage, warum der Flanierbereich in der Mitte der Straße und nicht entlang der Geschäftszeilen vergrößert werden soll.

Auch Straßenzüge wie die Danziger Straße sollen trotz Autoverkehrs mehr Aufenthaltsqualität erhalten.
Auch Straßenzüge wie die Danziger Straße sollen trotz Autoverkehrs mehr Aufenthaltsqualität erhalten.
© Simulation: Bündnis 90/Die Grünen Berlin/MLA+

Unklar erscheint auch, wie die Troglage der A100 nördlich der Kiefholzstraße mit den Plänen der Grünen zusammenpasst. Baulich wollten sie nichts an der Strecke verändern, sagte Jarasch. Doch auf den Visualisierungen zumindest ist der Trog einfach verschwunden. Die Grünen sowie die Macher der Bilder, das Planungsbüro MLA+ verwiesen darauf, dass es sich bei den Bildern eher um Ideen handele, die eher eine grundsätzliche, neue Qualität symbolisieren sollten. Zu ernst sollte man die Darstellungen also nicht nehmen.

Jarasch fordert neuen Landesbetrieb für Verkehrsplanung

Zuletzt bleibt unklar, wer all diese Ideen in Berlin künftig umsetzen sollte. Ziel sei es, die Radwegeplanung an Hauptstraßen künftig zentral aus der Senatsverkehrsverwaltung zu steuern. Doch „nicht alles wird man aus dem Roten Rathaus machen können“, sagte Jarasch. Es käme also auch auf die Bezirke an, Projekte vor Ort anzugehen und umzusetzen.

[BVG-Knoten am Rathaus: Wie stellen sich die Grünen das Zentrum von Berlin-Spandau vor - hier die bunten Simulationen und was längst geplant wird]

Um die Verkehrsplanung in Berlin dennoch effizienter zu gestalten, plädierte die Grüne-Spitzenkandidatin für einen neuen Landesbetrieb für die Planung von Straßen und Schienenwegen. „Ich halte es für klug, die Planungs- und Baukapazitäten, die wir im Land haben, mehr zu bündeln“, sagte sie. Ziel sei eine dem Land unterstellte, unternehmerisch geführte Gesellschaft jenseits der Verwaltung ähnlich der Infravelo, die Berlins Radverkehr planen soll. So könnten Zwänge und Abläufe, die in der Verwaltung bestehen, umgangen werden.

Mit der Vorstellung ihrer Zielbilder, läuten die Grünen in Berlin die heiße Phase des Wahlkampfs ein. Bereits am Dienstagabend gab es dazu einen ersten gemeinsamen Termin von Bettina Jarasch mit der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Bereits dort bekräftigten die beiden Spitzenkandidatinnen, Berlin und andere Städte in Deutschland im Hinblick auf den Klimawandel umbauen zu wollen. Geplant sei dafür unter anderem, aus Parkplätzen Parks zu machen.

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