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Packstationen: Das Rundum-sorgenvoll-Paket

Um die Hilfsbereitschaft der Nachbarn nicht überzustrapazieren, sollte man große Post an eine Packstation liefern lassen. Aber die stehen immer in den duckelsten Ecken. Ein Kommentar.

Von Katja Demirci

Irgendwann klingelte er gar nicht mehr. Mit Glück fanden wir dann einen Zettel vom Paketboten im Briefkasten: Ihre Sendung liegt bei Nachbar xy. Mit noch etwas mehr Glück erwischten wir diesen Nachbarn dann innerhalb weniger Tage.

Je nachdem, was wir erwarteten, war das ärgerlich. Man kennt das. Das jüngste Beispiel kommt von einer Kollegin, die für Besuch, der sich angekündigt hatte, schnell noch eine Bettdecke bestellte. Der Besuch kam, die Bettdecke vermutlich auch. Nur die Nachbarin, bei der sie lagerte, war tagelang nicht zu erreichen.

Meine Nachbarn sind wunderbare Menschen, freundlich, hilfsbereit. So wunderbar, dass ich bereit bin, einiges für den Erhalt unseres Hausfriedens zu tun. Natürlich kann man in einer Nachbarschaft nicht alles Störende vermeiden. Das gegenseitige Pakete-Annehmen aber gehört dazu. Darüber sollte man spätestens nachdenken, wenn der freundliche Herr im Erdgeschoss das Zeug nicht mehr ganz so freundlich durch die Tür reicht. Ursache muss kein exzessives Internet-Shopping sein, es gibt ja auch Freunde und Mütter, die mal Dinge über Standardbriefgröße quer durch die Republik senden.

Wie ein großer Adventskalender

Meine Lösung hieß: DHL-Packstation. Ideal für alle, die wie ich ungern auf hart arbeitende, schlecht bezahlte Paketboten schimpfen. In der Stadt verteilt stehen diese gelben Kästen, an die man seine Pakete liefern lassen und diese dann innerhalb von sieben Tagen abholen kann. Sogar wegschicken kann man Sachen von dort. Voraussetzung: Man ist ein registrierter Nutzer und im Besitz einer sogenannten Postkarte.

An welche Station eine Bestellung geschickt werden soll, kann man sich aussuchen. Mein Favorit, entnehme ich einer Karte, steht natürlich gleich nebenan. Wenn ich nun ein Paket bekomme, erreicht mich zuerst eine SMS mit einer Pin-Nummer. Damit marschiere ich zum gelben Kasten, in dessen Lesegerät ich meine Karte stecke, die Pin eingebe, woraufhin sich wie in einem riesengroßen Adventskalender eines der vielen unterschiedlich großen Türchen öffnet. Dahinter liegt – mein Paket. So weit die Theorie.

In der Praxis steht die für mich nächste Packstation in einer dunklen Ecke hinter einer Tankstelle. Manchmal parken davor Taxis, deren grimmige Fahrer den Innenraum saugen. Manchmal streiten ein paar Halbstarke über Alufelgen und die Inhalte ihrer Sporttaschen. Ich glaube nicht, dass sie es auf meine Zalando-Schuhe abgesehen haben könnten. Aber ich sehe zu, dass ich dort nicht unbedingt mein Handy zücken und die Pin nachlesen muss. Dass ich die Karte in der Tasche habe und nicht erst aus dem Portemonnaie zu ziehen brauche.

Ich dachte lange, dieser Standort sei ein Versehen. Aber er gehört zum Konzept! Das begann ich zu bemerken, als mir erstmals per SMS mitgeteilt wurde, mein Paket sei nicht in meine Wunschstation, sondern in eine andere gebracht worden – die hinter der Tankstelle war voll. Also fuhr ich mit dem Rad zur wesentlich weiter entfernten Alternative. Dieser gelbe Kasten steht mitten in einer Art Gewerbegebiet, rundherum viele stumme Gebäude und wenige Menschen. Wobei, wer weiß – übersichtlich ist es dort nicht.

Nein, das ist kein "Frauending"

Fortan hielt ich überall in der Stadt nach Packstationen Ausschau. Viele stehen an wenig vertrauenerweckenden Orten, in schrubbeligen Ecken oder am äußersten Rand großer Parkplätze. Inbegriff der Gruseligkeit ist nicht, nach Feierabend in einer Postfiliale anzustehen – ich empfehle stattdessen die Packstation in der Neuköllnischen Allee nach Einbruch der Dämmerung. Und, nein, das ist kein „Frauending“. Ich habe mich erkundigt: Auch Männer gruseln sich im Niemandsland. Ist das Service plus Nervenkitzel? Oder eine Art Kundenspionage: Wie weit wird sie gehen für ein neues Paar Schuhe?

DHL sagt, die Standorte der Packstationen seien immer unterschiedlich, generell seien es einfach gut erreichbare Orte und mein Grusel sehr subjektives Unbehagen. Natürlich.

Mal ehrlich, DHL, rutscht die Dinger raus aus der Einsamkeit und ran an den Bürgersteig! Präsentiert sie mit Stolz und nicht im Schummerlicht. Das haben sie nicht verdient – und ich auch nicht.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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