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Ende der 80er drängt sich das Publikum bei einem Konzert vor dem Reichstag.
© Günter Schneider/Imago

Die 80er Jahre in Berlin: Das ist ja so 80er

Im Westen Diepgen, Bowie und Badekappen; im Osten Honecker, Springsteen und Kadarka: Wir zeigen ein Berliner Jahrzehnt in Bildern – und erinnern uns persönlich.

UNSER WEST-BERLIN

Irre, die West-Berliner Achtziger. Jahrhunderte weg – aber sofort wieder da, wenn man als Zeitzeuge diese Fotos ansieht. Der Jungpolitiker Eberhard Diepgen steht vor der Mauer vor dem Brandenburger Tor, das passende Wetter dazu: neblig-trist. Immer wieder morsche S-Bahnhöfe, zerstörte Infrastruktur. Die karge Wiese vor dem noch unverkuppelten Reichstag, Aufmarschplatz der großen Kundgebungen des Kalten Kriegs, später eher improvisierte Konzertarena, 1987 mit David Bowie, Genesis und den Eurythmics. Badekappenzwang im überfüllten Insulanerbad.

Im Westen ging, was im Osten unmöglich war

„Wie haltet ihr es bloß aus in diesem Gefängnis?“ fragten uns West-Berliner damals die Besucher aus „Westdeutschland“, und wir antworteten: „Ach, man gewöhnt sich dran, wir kennen es ja gar nicht anders.“ Woher das trügerische Gefühl der Sicherheit kam? Auch das zeigen diese Fotos: Es war die enorme, als selbstverständlich hingenommene Präsenz des Militärs, im Osten naturgemäß noch schlimmer.

Aber auch im Westen: Militärparaden, Panzer, wartende Soldaten, die gigantische Infrastruktur der West-Alliierten, Übungen unangekündigt mitten im Alltag. Im Westen ging, was im Osten natürlich unmöglich war: spielen, laufen, saufen unmittelbar neben der Mauer – oder Graffiti sprühen gleich auf sie drauf.

Eine Magnetbahn im Niemandsland

Im Osten die graue Patina, die nervtötenden Klassenkampfparolen, im Westen bunte Autos, laute Reklame; ein Klischee, aber von den Fotos bestätigt. Dazwischen singuläre Ereignisse, der Besuch von Lady Di, der Einsturz des Kongresshallendachs.

Und Dinge, die kaum noch jemand parat hat: Tatsächlich, die Budapester Straße ging mal pfeilgerade durch und konnte von einer Fußgängerbrücke in Höhe des Zoo-Eingangs aus fotografiert werden. Wie traurig sah die tote Oberbaumbrücke ohne die Türmchen aus! Was sollte eigentlich die Magnetbahn im Niemandsland? Wer sich an die Achtziger erinnern kann, habe sie nicht erlebt, heißt es. Für West-Berlin gilt diese Regel ganz sicher nicht. Bernd Matthies

Unser Ost-Berlin

Lichtenberg, 1986. KWV steht für „Kommunale Wohnungsverwaltung“, VEB für „Volkseigener Betrieb“.
Lichtenberg, 1986. KWV steht für „Kommunale Wohnungsverwaltung“, VEB für „Volkseigener Betrieb“.
© Sven Simon/Imago

UNSER OST-BERLIN

Ost-Berlin in den Achtzigern - das waren Erich Honecker und Bruce Springsteen, Rias2 und Sputnikverbot. Die Lehrer sprachen im Staatsbürgerkunde-Unterricht von den „antagonistischen Widersprüchen“ zwischen Imperialismus und Sozialismus, dabei verstärkten sich die Gegensätze in der Hauptstadt der DDR damals immer mehr. Irgendwie hatte es der Arbeiter- und Bauernstaat geschafft, Bruce Springsteen hierher zu lotsen. 1988 trat der Boss auf der Radrennbahn Weißensee auf . 160 000 Tickets waren verkauft worden, aber bis zu 500.000 Fans drängten aufs Gelände. Es ist bis heute eines der größten Freiluftkonzerte. In Ost- wie West-Berlin.

Vergebliche Hoffnungen

Nicht wenige erwarteten, dass noch mehr Stars, deren Musik sie bei den aus West-Berlin herüberstrahlenden Radiosendern wie Rias2 hörten, kommen würden, dass sich das Land weiter öffnen würde. Bestärkt wurde das Hoffen auf mehr Öffnung und Freiheit von einem Mann, der 1985 das Ruder in der UdSSR übernommen hatte: Michail Gorbatschow. Doch Springsteen war kaum acht Wochen weg, da verbot Honeckers SED die sowjetische (!) Zeitschrift „Sputnik“, in der viel über Glasnost und Perestrojka zu lesen war, zu viel für die Zensoren. Hoffnungen lösten sich in Rauch auf.

Wer nicht ganz verbohrt war, dem wurde spätestens jetzt bewusst, in welchem Staatstheater er den Statisten geben durfte, in dem Berlin die Hauptbühne war. Die DDR-Führung ließ sich für die x-tausendste Neubauwohnung in Hohenschönhellerzahn feiern, während hinterm Hackeschen Markt der Schwamm die Häuser auffraß. Der Rentner bekam nach 40 Arbeitsjahren kaum mehr als 400 DDR-Mark im Monat, dagegen kosteten 125 Gramm „Mokka fix“-Kaffee gleich mal 8,75 Mark.

Steak au four und Rosenthaler Kadarka gegen den Ärger

Die Versorgungslage verschlechterte sich, gut gefüllt zeigten sich nur die „Delikat“-Läden. Offiziell waren sie für exklusive Lebensmittel gedacht, doch nicht selten verschwanden Waren aus dem Angebot normaler Geschäfte, um dort wieder aufzutauchen – zu gepfefferten Preisen. Nicht gerade billig war auch der Trabi mit rund 10.000 Mark. Mit dem knatterte der DDR-Bürger dann vielleicht zum Palast der Republik, verspeiste Soljanka, Steak au four und spülte mit einem Glas Rosenthaler Kadarka den Ärger über die Verhältnisse runter. Björn Seeling

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