Berliner Entwurf für „Cluster-Strategie“: Das ist der Öffnungsplan der SPD-Länder für den 3. März
In dem vom Berliner Senat federführend erarbeiteten Plan gibt es auch für Kneipen und Clubs Perspektiven. Er könnte zur Vorlage für das Lockdown-Ende bundesweit werden.
Die Berliner Senatskanzlei arbeitet federführend an einem Öffnungsvorschlag, mit dem die Länder in die nächsten Bund-Länder-Schalte am 3. März gehen wollen. Dieser Plan liegt dem Tagesspiegel nun vor.
Der Entwurf wurde von SPD-Ländern und weiteren Ministerpräsidenten im Austausch erarbeitet. Er wurde den CDU-geführten Ländern bereits zugestellt. Am Dienstag treffen sich alle Chefs der Staatskanzleien mit Kanzleramtschef Helge Braun.
In diesen Tagen werden weitere Anmerkungen anderer Länder diskutiert. Die Stoßrichtung für die Bund-Länder-Schalte kommende Woche steht damit aber fest. Die Inzidenzen 10 und 20 kommen darin nicht mehr vor, stattdessen ist eine sogenannte Cluster-Strategie geplant.
In einem Interview hatte Müller außerdem angekündigt, einen „Vorschlag ohne die Werte 10 oder 25“ zu präsentieren und verabschiedete sich damit von der zuletzt auch von ihm selbst aufrecht gehaltenen Fixierung auf Inzidenzwerte für die Festlegung von Öffnungsschritten.
Das Papier weist Schritte aus dem Lockdown ab Unterschreiten einer 7-Tage-Inzidenz von 50 Neuerkrankungen pro 100.000-Einwohnern und Woche.
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Mögliche Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen sind darin in vier Blöcke gruppiert, die "Cluster". So sind sie strukturiert:
- Cluster 0: Ein Inzidenzwert kleiner als 50 innerhalb von 7 Tagen
- Cluster 1: Ein Inzidenzwert kleiner als 35 innerhalb von 7 Tagen
- Cluster 2: Der Inzidenzwert ist für 14 Tage stabil oder sinkend
- Cluster 3: Der Inzidenzwert ist für weitere 14 Tage stabil oder sinkend
Davor gelten Risikostufe B mit einer Inzidenz von mehr als 100 und Risikostufe A mit mehr als 50. B wäre der harte Lockdown, bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100, also Risikostufe A, soll es nur eine Erleichterung für Kinder geben: Sie dürfen in Gruppen bis maximal zehn Personen unter freiem Himmel wieder gemeinsam Sport treiben. Alle übrigen Einschränkungen jedoch bleiben erhalten – mit Ausnahme der bereits eingeleiteten schrittweisen Wiedereröffnung von Schulen und Kitas.
Museen ab einer Inzidenz von unter 35 wieder offen
„Cluster 0“ träte in Kraft, sobald der Inzidenzwert von 50 sieben Tage am Stück unterschritten wird. Dann wären folgende Lockerungen denkbar:
- Die Altersgrenze beim Sport im Freien fällt. Künftig dürften dann wieder Gruppen jeden Alters gemeinsam draußen Sport treiben, mit Abstand. Die maximale Gruppengröße bleibt bei zehn Personen. Sport drinnen bleibt verboten - nur für die Kategorie "Sport individuell oder zu zweit mit Abstand", also auch Fitnessstudios, ist ein "Erster Einstieg" vorgesehen.
- Friseure werden in der aktuellsten Version des Plans bei den "körpernahen Dienstleistungen" nicht gesondert erwähnt, laut Plan sollen bis zu einer stabilen Inzidenz von 35 oder weniger (Cluster 1) nur medizinisch Notwendiges stattfinden. Am 10. Februar hatten sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder allerdings schon darauf geeinigt, dass Friseure außerhalb der Reihe schon ab kommendem Montag öffnen dürfen. Eine Sonderregelung, die bestehen bleibe, wie eine Senatssprecherin dem Tagesspiegel bestätigte.
Eine Vielzahl an spürbaren Lockerungen ist erst in "Cluster 1" vorgesehen, wenn sieben Tage lang die 35er-Inzidenz-Marke unterschritten wurde.
Hier ein Überblick über die Regelungen in den verschiedensten Bereichen:
- Bibliotheken und Museen dürfen ab einer Inzidenz unter 35 (Cluster 1) für einen eingeschränkten Betrieb öffnen.
- Theater, Konzerthäuser und Kinos erst 14 Tage später (Cluster 2) bei eingeschränkter Besucherzahl.
- Clubs weitere 14 Tage später (Cluster 3), allerdings mit Personenbeschränkung, Hygienekonzept – und ohne Gesang.
- Der Einzelhandel soll ebenfalls erst ab einer Inzidenz von 35 wieder öffnen dürfen, zunächst mit einer Zugangsbegrenzung mit 10 Quadratmetern pro Kunde, ab einer Fläche von 800 Quadratmetern mit 20 Quadratmetern pro Kunde. Letzteres soll in Cluster 3 wegfallen.
- Tennisspielen in der Halle (Sport zu zweit mit Abstand) soll ab Cluster 1 wieder uneingeschränkt möglich sein, Fußball (Sport in Gruppen ohne Abstand) bis 10 Personen erst in Cluster 3.
- In der Gastronomie dürfen die Außenbereiche ab einer Inzidenz von 35 öffnen (Cluster 1) allerdings mit Beschränkung auf maximal vier Personen aus zwei Haushalten. An Imbissen darf vor Ort verzehrt werden. Innenräume dürfen mit Personenbegrenzung öffnen, wenn die Inzidenz 14 Tage lang stabil ist (Cluster 2), das gilt auch für Kneipen.
- Auch bei Veranstaltungen soll ab einer Inzidenz von 35 ein „Erster Einstieg“ möglich sein mit maximal 250 Personen im Freien. Ab Cluster 2 auch drinnen mit maximal 150 Personen.
- „Einrichtungen der Freizeitgestaltung“ dürfen ab Cluster 1 draußen öffnen, 14 Tage später auch drinnen.
- Touristische Übernachtungen sollen bei 14 Tagen stabiler Inzidenz unter 35 wieder möglich sein (Cluster 2).
- Die Kontaktbeschränkungen werden ab einer Inzidenz kleiner als 35 gelockert auf maximal fünf Personen aus zwei Haushalten (Cluster 1), dann zehn Personen aus drei Haushalten (Cluster 2) und zehn Personen (Cluster 3).
Schulöffnung „zur Disposition gestellt“
Wichtig: Neben den Inzidenzen und Zeitpunkten spielen bei der Entscheidung darüber, ob Lockerungen umgesetzt werden oder nicht, auch noch andere, sogenannte „dynamische Faktoren“ eine Rolle. Unter dem Stichpunkt „Handlungsleitende Faktoren" ist in dem Papier von „Bewertungsfaktoren“ wie dem R-Wert, Intensivbettenkapazitäten sowie der perspektivischen Impfquote die Rede.
Der Übergang in die jeweils folgende Clustergruppe soll nur dann möglich sein, „wenn zum stabilen oder sinkenden Inzidenzwert gleichzeitig der 7-Tage-R-Wert und die ITS-Kapazitäten mindestens stabil bleiben.“
Darüber hinaus enthält der Plan auch eine Festlegung für den Fall, dass die Infektionszahlen wieder deutlich steigen. Die schrittweise Öffnung von Schulen und Kitas etwa darf laut Papier wegen ihrer hohen "insbesonderen sozialen Bedeutung" auch unabhängig von den Clustern geschehen. Auch sie ist aber an „ein weiter abgesenktes Infektionsgeschehen geknüpft“. Bei einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 100 stehe der Präsenzbetrieb wieder „zur Disposition“, heißt es.
Wirtschaft sieht Öffnungen nach Clusterplan weit entfernt
Am Dienstagvormittag diskutierte der Berliner Senat über den Vorschlag aus der Senatskanzlei, Teilnehmer sprachen anschließend von einem "Zwischenstand", der "zur Kenntnis" genommen wurde. Zuvor hatte sich am Wochenende Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) dazu mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) ausgetauscht. Beide erklärten im Nachgang der Sitzung, das Papier werde nun mit Expert:innen beraten werden. Beschlussreif sei der Stufenplan zum aktuellen Zeitpunkt nicht, Änderungen würden in den kommenden Tagen erfolgen.
Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) äußerte am Dienstag deutliche Kritik an der Clusterstrategie des Berliner Senats. „Ein an Inzidenzwerte gekoppelter Öffnungsplan ist noch keine Strategie“, sagte Präsidentin Barbara Kramm. Unternehmen fürchten, dass die Erreichung der im Clusterplan vorgesehenen Inzidenzen noch in weiter Ferne liegt, auch wegen der Unberechenbarkeit von Virusmutationen. Die IHK fordert deshalb am Dienstag unter anderem den Einsatz von Schnelltests, um die „Rückkehr zur Normalität“ zu unterstützen.