Flughafen-Retter Lütke Daldrup geht: Das Finanzdebakel am BER kam nicht durch die Coronakrise
Der Mann, der den Hauptstadtflughafen gezähmt hat, geht – gegen das finanzielle Fiasko war er machtlos. Ein glückliches Ende ist nicht in Sicht. Ein Kommentar.
Am BER macht mal wieder ein Manager den Abflug. Das ist nicht ungewöhnlich bei dem 1996 gestarteten Pannen-Projekt, das dem Flugwesen der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland eine langfristige Basis geben sollte. Klar, als Metropole wie Paris oder London brauchte auch Berlin einen großen Airport.
Bekanntlich hat das länger gedauert. Es ging alles schief, was schiefgehen konnte, sogar noch mehr. Geschäftsführer kamen und gingen, manche mit Tamtam gefeuert. Geschadet hat das Versagen am Flughafen Berlin-Brandenburg keinem. Niemand wurde zur Verantwortung gezogen.
Nur, der aktuelle Abflug ist anders. Mit Engelbert Lütke Daldrup geht der Mann vorzeitig, der aus der ewigen Baustelle einen Airport machte, der Monster-Zähmer, nachdem bereits die Finanzchefin vorzeitig das Weite gesucht hatte.
Die Personalien offenbaren, wie es um den BER wirklich steht. Er ist in Betrieb, ein Glück. Er sieht ganz schön aus, er funktioniert, von ein paar Macken abgesehen. Mal regnet es durch. Mal geht ein Brandmelder los, weil die Sonne scheint. Mal ist es eiskalt im Terminal, wenn draußen der Frost etwas klirrender ist. Und bei der Gepäckkontrolle kann einen schon mal der Schlag treffen. Aber sonst wäre der BER nicht der BER. Würde uns nicht etwas fehlen?
Die bittere Wahrheit ist aber: Ein glückliches Ende ist nicht in Sicht. Der Neubau ist saniert. Für den BER sind seit 2006 bereits sieben Milliarden Euro ausgegeben worden, für den Bau, fürs Geldbesorgen, der neue Flughafen ist weitgehend auf Pump finanziert. So hat der BER die Staatsfirma Berlins, Brandenburgs und des Bundes zum Sanierungsfall gemacht: Weitere Steuermilliarden werden benötigt, obwohl der BER fertig ist und, tragisch, kaum einer fliegt. Nur höhere Corona-Gewalt?
Die Version der BER-Verantwortlichen ist nur die halbe Wahrheit
Damit der Aufsichtsrat und die Parlamente die nächsten Spritzen bewilligen und einen Milliardenkredit erlassen, erzählen die Verantwortlichen diese Version: Nach der Eröffnung hätte sich die Firma – bis auf einen überschaubaren Nachschlag der Eigner – bis 2024 selbst konsolidiert, mit immer höheren Einnahmen, weil es die Berliner und Brandenburger in die Ferne zog und der Hype um die hippe Hauptstadt Millionen Touristen einfliegen ließ. Jedes Jahr mehr, Spitzenreiter, wenigstens beim Fliegen. Aber dann sei die furchtbare Pandemie gekommen, die den Flughafenbetrieb ins Verderben stürzte.
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Diese BER-Story ist allenfalls die halbe Wahrheit, der Rest ist Legende. Klar, ohne Flieger und Kunden ist Ebbe in den Kassen. Aber schon vor der Coronakrise steuerte das hoch verschuldete, nicht mehr kreditfähige Unternehmen auf ein Fiasko zu. Schon 2019 war klar, dass nach dem BER-Start – trotz Rekordwachstums – eine Milliarde Steuergeld benötigt wird, um eine Pleite abzuwenden. Die Summen summieren sich jetzt.
Die Coronakrise macht die Riesensummen für den Flughafen wieder bewusst
Freilich, damals konnten die Verantwortlichen darauf setzen, dass mit den im Schönefelder Bermudadreieck verschwundenen Milliarden weithin auch das Gefühl für Dimensionen verloren gegangen war, Millionen, Hunderte Millionen, Milliarden, das machte am BER keinen Unterschied mehr, regte kaum noch auf. Man hatte sich an Wahnsinn gewöhnt.
Und jetzt? Mit der Pandemie, die viele in Unsicherheit, Not und die öffentlichen Haushalte an Grenzen bringt, ist die Sensibilität für Unsummen wieder da. Milliarden für den BER, die anderswo fehlen, werden nicht einfach durchgewunken. Wir ticken wieder normal.