Streit um Kopftuchverbot für Lehrerinnen: Das Bundesarbeitsgericht entscheidet – den Berliner Senat freut's
Stört das Kopftuch einer Lehrerin den Schulfrieden? Das Bundesarbeitsgericht soll erstmals über einen Berliner Fall entscheiden. Den Justizsenator freut es.
Erstmals wird das Berliner Neutralitätsgesetz mit seinem Kopftuchverbot für Lehrerinnen ein oberstes Gericht beschäftigen. Am Bundesarbeitsgericht in Erfurt beginnt am 23. April die Revisionsverhandlung gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg, wie ein Sprecher des Bundesarbeitsgerichts mitteilte. Damit rückt nun eine von vielen lang ersehnte höchstrichterliche Klärung näher.
Das Neutralitätsgesetz untersagt Lehrkräften religiöse Kleidung
Dabei geht es um die Anwendung des Berliner Neutralitätsgesetzes und die Fälle von Frauen, die aufgrund ihres Kopftuchs von der Lehre an Berliner Schulen ausgeschlossen werden. Seit Jahren wird mittlerweile darüber gestritten. Immer wieder klagen Frauen gegen die Senatsbildungsverwaltung, beziehungsweise das Land Berlin, mit dem Ziel, auch mit Kopftuch an Berliner Schulen unterrichten zu dürfen.
Denn Paragraf 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes untersagt Lehrkräften in öffentlichen Schulen das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke. Ausnahmen gelten etwa für Referendarinnen und Lehrerinnen an Berufs- und Privatschulen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg legt diese Vorschrift allerdings mit Blick auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einschränkend aus. Die Karlsruher Richter hatten 2015 die erhebliche Bedeutung der Glaubensfreiheit herausgestellt und entschieden, dass ein generelles Kopftuchverbot ohne konkrete Gefährdung des Schulfriedens unzulässig sei.
Justizsenator: „Gesetz noch in dieser Legislatur anpassen“
Im Berliner Senat sind die Meinungen geteilt, ob das Berliner Kopftuchverbot so zulässig ist. Die SPD-geführte Bildungsverwaltung sagte auf Anfrage des Tagesspiegels, ihre Position sei nach wie vor, „dass das Neutralitätsgesetz verfassungsgemäß“ ist. „Damit Rechtssicherheit herrscht, sind höchstrichterliche Entscheidungen begrüßenswert“, heißt es. Vom Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht werde abhängen, wie es weitergehe.
Der Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) wird da deutlicher: „Ich freue mich, dass sich das Bundesarbeitsgericht nun zeitnah damit befassen wird. Das Neutralitätsgesetz kann dann noch in dieser Legislaturperiode angepasst werden“, sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. Grüne und Linke im Berliner Senat wollen das Neutralitätsgesetz schon länger reformieren. „Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass pauschale Kopftuchverbote verfassungswidrig sind. Ich gehe davon aus, dass das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgen wird“, sagte Behrendt.
Im konkreten Fall geht es um eine Informatikerin
Da dem Senat also insgesamt an einer letztinstanzlichen Klärung gelegen ist, hatte man sich im vergangenen Jahr entschieden, in Revision zu gehen, als sich die Möglichkeit dazu geboten hatte. Das Landesarbeitsgericht hatte in zweiter Instanz im November 2018 das Land Berlin zur Zahlung einer Entschädigung an eine kopftuchtragende Lehramtsbewerberin verurteilt. Dagegen hatte das Land dann also Revision eingelegt.
Im konkreten Fall geht es um die von der Senatsbildungsverwaltung abgelehnte Bewerbung einer studierten Informatikerin, die als Quereinsteigerin in den Schuldienst wechseln wollte. Ihr hat das Landesarbeitsgericht eine Entschädigung von eineinhalb Monatsgehältern zugesprochen, exakt 5.981 Euro. Das Gericht begründete dies mit einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und stellte fest, dass sich das Land Berlin in diesem Falle nicht auf das Neutralitätsgesetz berufen könne, da eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität vorliegen müsse, die das Gericht aber hier nicht feststellte.
Der Senat wird von Seyran Ates vertreten
Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts hatte sich damals Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vorbehalten, „nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung in Revision zu gehen“. Juristisch vertreten wird die Schulverwaltung durch die Rechtsanwältin Seyran Ates, die als Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee weit über Berlin hinaus bekannt geworden ist.
In einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst sprach sich Ates jetzt für eine bundeseinheitliche Regelung für religiöse Symbole im öffentlichen Dienst aus. „Aktuell ist die Rechtslage unerträglich, egal ob ich für oder gegen ein Kopftuchverbot bin.“ Diese Rechtslage sei für einen demokratischen Rechtsstaat ungesund. Ates sprach sich dafür aus, dass das Bundesverfassungsgericht das Berliner Neutralitätsgesetz überprüfe. Ihre eigene Position ist klar. Nach der Entscheidung der ersten Instanz im Mai 2018 sagte sie: „Schon die Tatsache, dass eine Lehrerin Kopftuch trägt, gefährdet den Schulfrieden und birgt die Gefahr der religiösen Beeinflussung der Schüler.“ In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht die Klage der Frau unter Hinweis auf das Neutralitätsgesetz noch abgewiesen. (mit epd)
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