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Präsidentin Hanna-Renate Laurin und der damals Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen bei der konstituierenden Sitzung.
© picture-alliance / ZB

30 Jahre im preußischen Prachtbau: Das Berliner Abgeordnetenhaus blickt auf eine Geschichte voller Wechsel zurück

Heute vor 30 Jahren konstituierte sich das Gesamtberliner Abgeordnetenhaus, das im Preußischen Landtag sitzt. Seitdem ging es nicht immer feierlich zu.

Es war ein grauer, regnerischer Tag, als die Abgeordneten, Ehrengäste und Berichterstatter leicht fröstelnd das älteste Gotteshaus Berlins betraten. An jenem 11. Januar 1991 konstituierte sich in der Nikolaikirche das Gesamtberliner Abgeordnetenhaus. Die Festansprache hielt der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

In den folgenden drei Jahrzehnten ging es in der Volksvertretung des Landes Berlin nicht immer so feierlich zu. Häufig vermisste man jene rhetorische Brillanz, die eine Plenarsitzung zur Sternstunde erheben kann. Erschwerend kam hinzu, dass die mentale und politische Kluft zwischen den Volksvertretern aus dem Osten und Westen der Stadt unerwartet lange bestehen blieb. Außerdem versteht sich das Abgeordnetenhaus bis heute auch als Kommunalvertretung, in der jedes Problemchen der 78 Wahlkreise umfänglich zur Sprache kommt.

Dies alles in einem Haus, von dessen „Größe, Glanz, Licht und Schönheit“ der Alterspräsident Franz von Voß bei der Eröffnung des Preußischen Landtags am 16. Januar 1899 schwärmte. Dort, in der Niederkirchnerstraße in Berlin-Mitte, arbeitet die Berliner Volksvertretung seit 1993.

Nach dem Festakt in der Nikolaikirche vor 30 Jahren mussten die Abgeordneten vorerst noch im engen Rathaus Schöneberg ausharren. Zwar war der Umzug in den Preußischen Landtag, der auf Initiative des damaligen Parlamentspräsidenten Jürgen Wohlrabe (CDU) zustande kam, schon beschlossen. Aber der kriegszerstörte Prachtbau musste erst grundsaniert werden.

Das würde rund 20 Millionen Euro kosten, hatte Wohlrabe versprochen. Der gesamte Umbau kostete schließlich 83 Millionen Euro, immerhin kam etwas Gutes dabei heraus. Als das Abgeordnetenhaus am 29. April 1993 nach Mitte zog, war Wohlrabe schon nicht mehr Präsident. In der konstituierenden Sitzung in der Nikolaikirche wurde Hanna-Renate Laurien an die Spitze des Gesamtberliner Parlaments gewählt. Die CDU-Politikerin war die erste und bisher einzige Frau im hohen Amt, das protokollarisch dem Regierenden Bürgermeister gleichgestellt ist.

Die Präsidenten nehmen das Hausrecht und die Polizeigewalt im Abgeordnetenhaus wahr und kümmern sich um die Parlamentsverwaltung. Aber vor allem vertreten sie das Parlament „in allen Angelegenheiten“, wie es in der Berliner Verfassung steht. Grund genug, um jene Frau, und die ihr nachfolgenden vier Herren, zu würdigen. Denn sie haben das Außenbild der Berliner Volksvertretung in den letzten drei Jahrzehnten mitgeprägt.

Laurien, die 1981 vom Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker (CDU) als Schulsenatorin nach Berlin geholt wurde, war eine starke Parlamentspräsidentin. Charismatisch, zielstrebig und unbeugsam. „Politik ist die Kunst des Möglichen, die immer wieder das Einbeziehen der Meinung der anderen erfordert“, sagte sie in ihrer ersten Rede im Amt. Ein demokratisches Grundverständnis, das sie ein Leben lang begleitete.

Zu seiner konstituierenden Sitzung 1991 traf das neue Berliner Parlament in der Nikolaikirche zusammen.
Zu seiner konstituierenden Sitzung 1991 traf das neue Berliner Parlament in der Nikolaikirche zusammen.
© picture alliance / dpa

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Als Laurien nach der Wahl 1995 altersbedingt ausschied, folgte ihr der Professor für Volkswirtschaft und Ex-Verkehrssenator Herwig E. Haase (CDU). Er wurde von der stärksten Fraktion, wie es die Regel ist, ins Präsidentenamt gehoben, das er freundlich bemüht, aber wenig souverän ausübte. Nach einer illegalen Baumfällaktion in Haases Garten und einer umstrittenen Gehaltserhöhung für den eigenen Büroleiter forderten die SPD und die Oppositionsfraktionen Grüne und PDS (heute Linke) vergeblich den Rücktritt des Christdemokraten.

Nach vier Jahren war dann Schluss. Neuer Abgeordnetenhauspräsident wurde für zwei Jahre, bis zum Bruch des CDU/SPD-Bündnisses, der gebürtige Österreicher und Betriebswirt Reinhard Führer. Politisch erzkonservativ, persönlich sehr angenehm, als Parlamentspräsident ein korrekter und zuverlässiger Partner aller Fraktionen. Als eine Koalitionskrise die nächste jagte, war Führer ein Fels in der parlamentarischen Brandung.

Walter Momper: keinesfalls unangefochten

Dann kamen die Sozialdemokraten an die Reihe. Nach dem Wahlsieg der SPD 2001 saß der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper für zehn Jahre auf dem Präsidentenstuhl. Keinesfalls unangefochten. Sein berufliches Engagement in der Immobilienbranche war ebenso umstritten wie Mompers burschikose Art, Sitzungen zu leiten und dabei seine überparteiliche Rolle zu vergessen.

Ein hohes Verdienst hat er sich trotzdem erworben: Momper schaffte es, die Denkmale des Freiherrn vom Stein und des Fürsten von Hardenberg, den Ur-Vätern der modernen städtischen Selbstverwaltung, vor das Abgeordnetenhaus zu holen. Hardenberg war nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen und der Freiherr stand Unter den Linden an falschem Ort. Ehemals standen beide auf dem ehemaligen Dönhoffplatz in Berlins historischer Mitte. Seit einem Jahrzehnt begrüßen sie von hohem Sockel herab wieder gemeinsam die Besucher des Landesparlaments.

Seit 2011 präsidiert der SPD-Mann Ralf Wieland. Damals, und erneut 2016, machte ihm die Parteifreundin und Ex- Staatssekretärin Iris Spranger das Amt streitig, zog aber jedes Mal den Kürzeren. Wieland, ein ausgleichender und entspannter Charakter, repräsentierte das Parlament mit Berliner Witz und großer politischer Erfahrung von Beginn an tadellos. Kurz nach der Wahl im Herbst wird er 65 Jahre und geht in den Ruhestand. Dann wäre es, nach 30 Jahren, wieder Zeit für eine Präsidentin.

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