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Attackierter Rabbiner: Daniel Alter wird Antisemitismusbeauftragter

Der Rabbiner Daniel Alter war Ende August brutal attackiert worden. Nun hat der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ihn zum neuen Antisemitismusbeauftragten berufen.

Die Überraschung ist gelungen. Auf der Sitzung des Gemeindeparlaments am Mittwochabend präsentierte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin einen neuen Beauftragten gegen Antisemitismus: Rabbiner Daniel Alter. Mit großem Applaus wurde Alter von den Gemeindemitgliedern willkommen geheißen. „Gut dass es jetzt wieder eine Anlaufstelle gibt, an die man sich wenden kann, wenn man angepöbelt wurde“, sagte eine ältere Dame. „Da fühlt man sich gleich sicherer.“
Kurz nachdem Gideon Joffe im Frühjahr das Amt des Gemeindevorsitzenden übernommen hatte, setzte er Levi Salomon, den damaligen Antisemitismusbeauftragten, vor die Tür, weil angeblich kein Platz mehr für ihn in der Gemeinde sei. Auch die telefonische Hotline wurde abgeschaltet.
Rabbiner Alter sei ein „konsequenter und doch besonnener Mahner“, sagte Joffe nun als Begründung, weshalb er sich für Alter entschieden habe. Der 53-jährige Rabbiner hatte Ende August traurige Berühmtheit erlangt: In Friedenau war er von Jugendlichen zusammengeschlagen worden, nachdem er die Frage, ob er Jude sei, bejaht hatte. Seine Tochter stand daneben, gegen die Sechsjährige sprachen die Täter eine Todesdrohung aus. Der jüdische Geistliche musste schließlich stationär im Krankenhaus behandelt werden. Der Vorfall sorgte in Berlin, bundesweit und auch international für Bestürzung, mit einem Kippa-Flashmob solidarisierten sich Demonstranten mit Rabbi Alter.
"Ich möchte in der Öffentlichkeit das Bewusstsein dafür wecken, dass es nicht alleine im Interesse der jüdischen Gemeinschaft ist, Antisemitismus zu bekämpfen", sagt Alter nun. Dieser Kampf sei ein Kampf für den Erhalt der demokratischen Zivilgesellschaft und somit im Interesse aller. Besonders wichtig sei es, dass Lehrer mit Jugendlichen über das Thema sprechen. Doch wie? „Viele Lehrer wissen nicht, wie sie mit Gewalt und Rassismus im Unterricht umgehen sollen“, sagt Alter. Zusammen mit Schulen will er Fortbildungsprogramme entwickeln.

Den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde möchte er eine Anlaufstelle bieten, an die sie sich wenden können, wenn sie antisemitisch angegriffen werden. Es soll auch eine Umfrage unter den Gemeindemitgliedern geben, um zu erfahren, ob es bestimmte „Hot Spots“ in der Stadt gibt, wo es besonders häufig zu antisemitischen Pöbeleien kommt. Neben der Präventionsarbeit will er Opfern bei akuten Vorfällen helfen und gegebenenfalls auch Druck ausüben, etwa auf Fußballvereine, sollte sich herausstellen, dass auch nach mehrmaligem Mahnen die Sensibilität für das Thema fehle.

Daniel Alter ist zugleich auch neuer Beauftragter für den interreligiösen Dialog der Jüdischen Gemeinde. „Mit den anderen zu sprechen, steht am Anfang jeder Präventionsarbeit“, sagt der Rabbiner. „Wenn man den anderen als Person, als Individuum, wahrnimmt, beleidigt man ihn nicht so schnell.“ Er will auch verstärkt mit muslimischen Organisationen ins Gespräch kommen, um sie für den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus zu gewinnen. Die Aufgaben seien nicht völlig neu für ihn, sagt Alter. Ein Schwerpunkt seiner bisherigen Arbeit lag beim interreligiösen Dialog.

Sidney Gennies

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