"Geschichten aus Jerusalem": Dani Levy bringt Virtual Reality ins Jüdische Museum
Spitz und humorvoll verfilmt Dani Levy den spannungsgeladenen Alltag in Jerusalem. In 360° VR 3D.
Eine kaum als solche identifizierbare kleine Kamera, befestigt auf einer alten Kuchenform, die wiederum auf einem Reithelm vom Flohmarkt thront. Mit Bedacht und prüfendem Blick auf die angebaute Wasserwaage balanciert Kameramann Filip Zumbrunn die improvisierte Konstruktion auf seinem Kopf und bietet ein kurioses Bild auf der belebten Yafo-Street inmitten Jerusalems. Fast könnte man meinen, er wäre Teil der Stand-up-Comedy eines jungen Israelis, die er gerade filmerisch dokumentiert.
Eigentlich ist diese amüsant anmutende Szenerie jedoch eine einfache, improvisierte Reaktion auf die technische Herausforderung des Filmdrehs in 360 Grad VR 3D, der sich Regisseur Dani Levy mit typisch Berlinerischem Pragmatismus stellt. Durch die höchstmoderne Technik der 360-Grad-Aufnahme befindet sich der Mann hinter der Kamera plötzlich störend mit im aufgezeichneten Bild? Dann setzt ihm Dani Levy eben die Kamera einfach auf den Kopf. Leicht in die Knie zu gehen, und diese Position sieben Minuten zu halten, um die Kamera auf Augenhöhe mit den Protagonisten zu bringen, erweist sich als zu anstrengend? Filip Zumbrunn schnallt sich eine Art Melkschemel um die Hüfte und kann sich so während der Standbilder setzen.
Bereits in den achtziger Jahren zog die Liebe den Schweizer Dani Levy nach Berlin. Zunächst als Schauspieler im Theater Grütze, dann als Regisseur und Drehbuchautor der Filme „RobbyKallePaul“ und „Alles auf Zucker“. Heute bewegt er Besucher des Jüdischen Museums direkt in die konfliktgeladene ambivalente (virtuelle) Realität Jerusalems, eine Stadt, „in der sich die Probleme der ganzen Welt bündeln“, sagt Levy. In den vier „Geschichten aus Jerusalem: Glaube, Liebe, Hoffnung, Angst“, versetzt er den Zuschauer in traurig-absurde Alltagssituationen. Ein israelischer Scharfschütze verhandelt lautstark über den Preis einer Kette, zwei arabische Wächter zeigen dem Zuschauer das zerfallene Parlamentsgebäude des ersten palästinensischen Staates. Präsentiert werden die Filme seit dem gestrigen Donnerstag von 12 bis 18 Uhr im Glashof des Jüdischen Museums. Der Eintritt ist frei.
Antonia Bretschkow