Interview mit Berlins Bäderchef Scholz-Fleischmann: "Da kann man schwimmen, bis der Arzt kommt"
Bäderchef Andreas Scholz-Fleischmann plant neue Tarife. Das System sei zu verwirrend. Im Interview stellt er seine Ideen vor. Und gibt einen Ferientipp.
Über dieses Unternehmen wird fast genauso viel diskutiert, wie über die BVG: Denn fast jeder geht mal in eine Schwimm- oder Sommerbad der Berliner Bäderbetriebe. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Andreas Scholz-Fleischmann über die Zukunft der Landesfirma - über Ticketpreise, Öffnungszeiten, Geld- und Personalmangel.
Heute schon schwimmen gewesen, Herr Scholz-Fleischmann?
Nee! Ich sitze seit dem Morgen hier im Trocknen.
Aber gelegentlich gehen sie schon?
Ja, im Sommer im Wilmersdorfer Lochow, wo ich als Kind schwimmen gelernt habe oder in die Halle am Heidelberger Platz.
Das Lochow hat, Verzeihung, einen eher morbiden Charme. Die Sanierung der Bäder wird teuer. Und zur Finanzierung verkaufen Sie die Liegewiesen?
Nein, wir würden nur Flächen hergeben, die nicht betriebsnotwendig sind und keine Liegewiesen. Wegen des Flächenbedarfs der Stadt im Wohnungsbau sind wir aber im Gespräch mit der landeseigenen Firma Berlinovo.
Und wenn Wohnungen am Bad stehen, klagen die Mieter und das Bad schließt?
Jedenfalls ist das ein Risiko, zumal es keinen Bestandschutz gibt. Man muss eben so bauen, dass diese Nutzerkonflikte gar nicht erst auftreten. Deswegen geht Wohnungsbau auch nur auf Grundstücken, die weit weg genug weg sind von den Becken. Die Suche läuft noch.
Haben Sie schon Geld für die Sanierungsaufgaben?
Ja, aus aus Siwa, dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt insgesamt 60 Millionen Euro. Die ersten Maßnahmen sind Abriss und Neubau der Kombibäder Mariendorf und Pankow.
Sanieren geht nicht?
In diesen Fällen nicht. Neue Bäder nutzen auch die Sonne zur Erzeugung von Strom und zur Erwärmung des Wassers. Wir bauen Multifunktionsbäder. Deshalb gibt es eine Halle und einen Außenbereich, es entstehen Sport- und Kinderbecken mit Rutschen. So umschiffen wir die Nutzerkonkurrenz um die Schwimmzeiten. Wir müssen uns auf den demografischen Wandel einstellen. Die Bäder werden seniorengerecht angelegt. Wir bauen Spaßbecken mit Rutschen für Familien. So etwas lässt sich bei Altbauten nur nachrüsten, indem mehrere Schwimmbahnen geopfert werden.
Reißen Sie weitere Bäder ab? Wie gehen sie mit dem Denkmalschutz um?
Im Vordergrund steht die Sanierung, zum Beispiel das 1930 eröffnete Stadtbad Mitte, ein wunderschönes Gebäude. Für kleines Geld lässt sich das nicht sanieren. Die Fliesen zum Beispiel, die Anfang der 90er Jahre erneuert wurden, sind zu ersetzen. Wir müssen Ersatz beschaffen, der wie das historische Vorbild aussieht.
Welche weiteren Bäder stehen zur Sanierung an?
Das Wellenbad am Spreewaldplatz in Kreuzberg für einen zweistelligen Millionenbetrag, das Stadtbad Tiergarten und das Paracelsusbad in Reinickendorf. Das ist das erste Hallenbad, das in West- Berlin nach dem Krieg errichtet wurde und steht auch unter Denkmalschutz.
Gäste beschweren sich, dass sie nicht in die Bäder kommen, weil diese belegt sind.
Unser Auftrag lautet: 50 Prozent Wasserzeiten für die allgemeine Öffentlichkeit, 50 Prozent für Schulen und Vereine. Um die Konflikte zwischen den Nutzergruppen zu entschärften, ist es sinnvoll, sie zu trennen. Dann entsteht auch der Eindruck nicht, die jeweils andere Gruppe würde bevorteilt. Diese Trennung hat sich bewährt.
Bleibt also alles, wie es ist?
Nein, wir evaluieren diese Regelung genauso wie das gesamte Bäderkonzept und werden schauen, was wir verbessern können. An der einen oder anderen Stelle werden wir auch Dinge reformieren. Auch die Tarifstruktur werden wir auf den Prüfstand stellen. Viele sagen, ich finde zu recht, wir verwirren sie durch die vielen Tarife. Ein paar davon werden wir abschaffen.
Welcher neue Tarif ist vorstellbar?
Ein Zwei-Stunden-Tarif mit der Möglichkeit nachzuzahlen. Das gäbe einen Anreiz, sich zu überlegen, wie lange man wirklich bleiben möchte. Der Tagestarif verlockt dazu, möglichst lange zu bleiben. Der günstige Familientarif hat sich bewährt. Auch die Öffnungszeiten wollen wir vereinheitlichen. Sinnvoll wäre es, mit dem Frühschwimmen um 6.30 Uhr anzufangen, ab 8 Uhr die Schulen reinzulassen bis 14 Uhr, danach wären die Vereine dran und um 21.30 Uhr ist Schluss. Die Arbeitszeit wäre also von 6 bis 22 Uhr, das ist in zwei Schichten abzudecken. Und es würde den Tausch von Schichten unter Kollegen vereinfachen und das Aushelfen in einem anderen Bad.
Dann kommt es zum Streik. Als flexibel gelten die Bäder-Angestellten nicht gerade...
Streik ist erst mal nicht in Sicht. Veränderungen sind nicht beliebt, das stimmt schon, das gilt für Mitarbeiter und Gäste gleichermaßen. Dass unsere Beschäftigten stur sein sollen, kann ich aber nicht bestätigen. Ich habe den Eindruck, sie identifizieren sich mit ihrem Bad und dem Unternehmen, sie wollen aber bei Veränderungen mitgenommen werden. Da geht nichts von oben nach unten. Man muss die Dinge besprechen auch unter Einbeziehung des Personalrats. Unsere Beschäftigten werden auch weiterhin ihre 39-Stunden-Woche haben, aber es wird einfacher und planbarer für sie.
Nicht, wenn ein Bademeister schnell mal woanders aushelfen soll...
Doch, wir würden ja niemanden von Marzahn nach Zehlendorf schicken. Wir wollen die Bäder zusammenfassen, die nicht weit auseinander liegen. Innerhalb dieser Bäder würden Beschäftigte ausgetauscht. So können wir einen Teil der personalbedingten außerplanmäßigen Schließungen verhindern.
Viele Bäder sind – gefühlt – ständig zu.
In der Realität nicht. Wir erfüllen die Wasserzeiten zu 94 Prozent. Das ist nicht schlecht. Aber wir haben durchaus zwei Bäder, die wir in der Vergangenheit öfters schließen müssen.
Schwimmer fordern, die Hallenbäder wie in München und Hamburg auch im Sommer offen zu halten. Kommt das?
Das wollen viele, aber niemand will es bezahlen. Abgesehen davon würden wir das auch organisatorisch gar nicht hinkriegen. Dazu bräuchten wir 280 Mitarbeiter zusätzlich und je Stelle 50 000 Euro im Jahr. Und selbst wenn wir das Geld bekämen, wir würden die Leute nicht bekommen, das gibt der Arbeitsmarkt nicht her. Bundesweit werden 2000 Fachkräfte für Bäderbetriebe gesucht. Das Abgeordnetenhaus hat uns 25 Stellen bewilligt, nicht mal die bekommen wir auf einen Schlag besetzt. Unsere älteste Auszubildende ist 52.
Auch über die Preise klagen die Schwimmer. Geht da noch was?
Kinder bis Fünf haben freien Eintritt. Schulen, Kitas, Vereine auch. Dann gibt es den Super-Ferienpass für neun Euro, da kann man schwimmen, bis der Arzt kommt. Auch der Familientarif ist günstig: Ein Ehepaar mit fünf Kindern zahlt 11,50 Euro. Es ist aber auch richtig, dass unsere Preise als relativ teuer wahrgenommen werden, bezogen auf das Berliner Durchschnittseinkommen. Berlin ist die einzige Hauptstadt, wo das durchschnittliche Einkommen niedriger ist als im Landesschnitt. Pariser verdienen fast das Doppelte als der Durchschnitt. Wir müssen daher aufpassen, dass wir nicht in ein Preisgefüge kommen, das die Leute abschreckt. Mit 5,50 Euro für den Normaltarif sind wir an der Grenze. Unser Auftrag ist es ja nicht, die Leute davon abzuhalten, in die Bäder zu kommen.