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Die Container-Siedlung an der Gerlinger Straße in Neukölln ist das fünfte "Tempohome" in Berlin. Viele Nachbarn kamen zur Eröffnung im Februar.
© Thomas Loy

Flüchtlinge ziehen aufs Tempelhofer Feld: Containerdorf bleibt nur zwei Jahre

Das Flüchtlingsdorf Tempelhof kostet 16 Millionen Euro. Abriss: nach zwei Jahren. Auch anderswo zahlt der Senat drauf.

Das größte Berliner Containerdorf für Flüchtlinge entsteht derzeit auf dem Tempelhofer Feld, im Spätsommer sollen die ersten Flüchtlinge einziehen. Doch das Dorf mit 1200 Plätzen hat einen entscheidenen Makel: Statt drei Jahre wie üblich wird es nur zwei Jahre betrieben werden können. Bei Baukosten von 16 Millionen Euro ein entscheidender Nachteil. Die Investition müsste schon nach zwei Jahren abgeschrieben werden. Die Initiative 100 Prozent Tempelhof kritisiert den Bau als „Massenunterkunft“. Die Flüchtlinge sollten besser in Wohnungen untergebracht werden.

Nach dem 2016 geänderten Tempelhof-Gesetz dürfen Flüchtlingsbauten zwar für drei Jahre errichtet werden, aber bis maximal Ende 2019. Der Staatssekretär für Integration, Daniel Tietze (Linke), versicherte vor Kurzem auf einer Sitzung der Feld-Koordinatoren, der Senat werde sich ans Gesetz halten und im Spätsommer 2019 mit dem Rückbau der Container beginnen. „Zu Ende 2019 wird diese Unterkunft abgebaut sein.“ Das betrifft auch die neu errichteten Cabuwazi-Zelte, allerdings hoffen die Betreiber, dass bis dahin eine dauerhafte Lösung gefunden ist.

Die BIM will die Container bis 2020 stehen lassen

Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement (BIM), die das Containerdorf errichtet, legt das Tempelhof-Gesetz anders aus. Demnach beginnt die Dreijahresfrist erst mit der Baugenehmigung, die am 1. Februar erteilt wurde, also vor wenigen Wochen. Die Container könnten also bis zum Februar 2020 stehen bleiben. Das wäre zwar nur vier Wochen länger, aber eine klare Abkehr von der bisherigen Senatslinie. Die BIM ist Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) unterstellt.

Die Hangars sollen bis zum Spätsommer freigezogen werden.
Die Hangars sollen bis zum Spätsommer freigezogen werden.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Landesvorstand der Linken erklärt: „Am 31. Dezember 2019 ist endgültig Schluss. Vor diesem Hintergrund ist die BIM gut beraten, ihre Pläne zur Aufstellung des Container-Dorfs zu überprüfen.“ Die Initiative 100 Prozent Tempelhof, die sich als Wächter des unbebauten Feldes versteht, argwöhnt erneut, der Senat wolle seine alten Baupläne durch die Hintertür erneut ins Spiel bringen. Darauf deute der „verschwenderische Einsatz von Steuermitteln“ hin. Die hohen Baukosten könnten später ein schlagkräftigtes Argument sein, die Flüchtlingsunterkunft länger zu betreiben. Dafür müsste das Tempelhof-Gesetz erneut geändert werden.

Kapek: Koalition hat "einhellige Position"

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, erklärte, es gebe in der Koalition die „einhellige Position, dass Ende 2019 Schluss ist mit den Containern auf dem Tempelhofer Feld“. Generell seien Containerdörfer nur eine Übergangslösung, weil sie als abgeschlossene Siedlungen nicht der Integration dienten. Alle 20 Containerdörfer, die bereits fertig oder in Planung sind, haben eine Laufzeit von drei Jahren, wobei eine Verlängerung im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist. Die geschätzten Gesamtkosten von 78 Millionen Euro werden als Flüchtlingskosten verbucht. Die AfD prangert das als Verschwendung von Steuergeldern an: „Angesichts der im Vergleich zu 2015 zurückgegangenen Migrantenzahlen ist es unverantwortlich, auf dem Vorfeld des Flughafens Tempelhof Containerunterkünfte für mehr als 16 Millionen Euro zu errichten, während an anderer Stelle Migrantenunterkünfte leer stehen, aber Geld kosten“, erklärte Gottfried Curio, integrationspolitischer Sprecher der AfD.

Tetrapak-Fabrik kostet 1,5 Millionen Euro Miete

Curio spielt auf zwei Unterkünfte an, die praktisch leerstehen, aber von Berlin bezahlt werden. Ende 2015, als jede Woche tausende Flüchtlinge in der Stadt ankamen, suchte der Senat dringend nach weiteren Unterkünften. Im Reinickendorfer Ortsteil Heiligensee wurde die ehemalige Tetrapak-Fabrik für drei Jahre angemietet, angeblich zu einer Miete von 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Eine Senatsprecherin wollte dazu keine Angaben machen. Es liefen Verhandlungen, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Die Fabrik wurde nie als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt, weil sich die Sanierung der Heizungsanlage als viel zu teuer erwies.

Nach langwierigen Verhandlungen mit Brandenburg verkündete der Senat im Oktober 2016 den Abschluss eines Vertrags zur Aufnahme von Berliner Flüchtlingen in der Kaserne Wünsdorf. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag schon wertlos, denn es kamen gar nicht mehr genügend Flüchtlinge in Berlin an. Etwa vier Millionen Euro kostet das den Senat im Jahr. Auch diesen Vertrag möchte Sozialsentorin Elke Breitenbach (Linke) möglichst schnell beenden.

Hangar 4 bleibt als Havarie-Reserve

Wie viel Geld die Hangars kosten, die weit unter ihrer Kapazität nur noch mit knapp 600 Flüchtlingen belegt sind, wollte eine Sprecherin der BIM nicht sagen. Der Betreiber Tamaja werde pauschal bezahlt, nicht nach Tagessätzen – „wegen der schwierigen Bedingungen“, heißt es. Die Flüchtlinge sollen so schnell wie möglich ausziehen, die Hangars dann an die Tempelhof Projekt zurückgegeben werden, bis auf einen. „Hangar 4 brauchen wir für den Havariefall“, sagte Tietze. Falls die Flüchtlingszahlen plötzlich wieder drastisch steigen. Derzeit suchten täglich 60 Menschen in Berlin Schutz.

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