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Die ehemaligen Berliner CDU-Chefs Eberhard Diepgen und Frank Henkel mit der aktuellen Vorsitzenden Monika Grütters.
© TIM BRAKEMEIER/DPA

CDU vor dem Wahlkampf: Christlich-demokratische Jagdsaison

Die Konkurrenz unter den Berliner Parteifreunden um die besten Listenplätze für die Bundestagswahl ist groß.

Mit 17 Jahren stieß Timur Husein 1997 zur Jungen Union und fand Helmut Kohl als Bundeskanzler gut. Zwei Jahre später verteilte die Junge Union in Kreuzberg Aufkleber, auf denen stand: „Deutschland muss in Kreuzberg wieder erkennbar sein.“ Drei Jahre später war Husein Kreisvorsitzender der Jugendorganisation. Nun, mit 36 Jahren und als stellvertretende CDU-Kreisvorsitzender in Friedrichshain-Kreuzberg, will der Jurist mit deutschem Pass für Listenplatz sieben der Berliner Christdemokraten kandidieren und in den Bundestag. In der Union ist der Kampf um die besten Plätze in vollem Gang. Einer aber, der seine Kandidatur angekündigt hat, kann vermutlich nicht mit einem aussichtsreichen Platz rechnen: Ex-Parteichef Frank Henkel.

2013 erlangte die Berliner Union bei der Bundestagswahl mit 28,5 Prozent neun Bundestagsmandate. Jetzt liegt sie laut Umfragewerten für die Bundestagswahl bei 21 Prozent. Damit hätte sie maximal fünf bis sechs Mandate sicher. Umso gewaltiger ist der Andrang potenzieller Kandidaten. Gesetzt sind zwei Frauen: Spitzenkandidatin Monika Grütters, Landesvorsitzende und seit gut drei Jahren Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Und Christina Schwarzer, seit 2013 Neuköllner Bundestagsabgeordnete und Obfrau im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Listenplatz sechs ist ihr sicher, Wünsche von Politikerinnen, Schwarzer auf Platz fünf zu positionieren, wehren führende männliche Christdemokraten fast alle ab, unisono mit den Worten „das wird schwierig“.

Und Christina Schwarzer selbst? Sie sagt: „Ich möchte auf einem besseren Platz als 6 antreten.“ Die Unterstützung von Grütters hätte sie. Denn die Parteichefin will einen Neuanfang für Berlin und möglichst viele junge Gesichter auf den ersten Plätzen. Als moderne Großstadtpartei in einer liberalen Stadt, wie sich die CDU im Wahlkampf präsentieren möchte, stünde es der CDU auch gut zu Gesicht, mit mehreren Frauen im vorderen Listenabschnitt vertreten zu sein. Aber die Männerbünde funktionieren in der CDU immer noch, selbst wenn die Herren gerade in harter Konkurrenz untereinander stehen.

Denn alle, die 2013 auf der Liste standen, wollen wieder ins Parlament. Der Vorsitzende der Berliner CDU-Landesgruppe, Kai Wegner, trat damals auf Platz zwei an und wird wohl auch wieder für diesen Platz antreten. Ex-Generalsekretär Wegner hat das Vertrauen von Grütters – wie auch der neue Generalsekretär Stefan Evers. Beide sind dafür verantwortlich, im Konsens dem Landesvorstand einen Vorschlag für die Liste zu unterbreiten. Derzeit laufen viele Gespräche. Und die Gerüchteküche kocht.

Ungewissheit um Frank Henkel

Was macht Ex-Parteichef Henkel? Er kündigte bei der Nominierung zum Wahlkreiskandidaten in Mitte an, auf der Liste kandidieren zu wollen. Auf welchem Platz ist offen. Ob Henkel seine Ankündigung in die Tat umsetzt? Er selbst schweigt. Aus der Partei hört man bei Henkels Gegnern und Sympathisanten nur einen Satz. „Es wird ein schwieriger Wahlgang, wenn er antritt.“ Im letzten halben Jahr nach der Wahlniederlage hat sich Henkel in der Partei keine Freunde gemacht. Und die, die ihn zu einer Kandidatur bewegen, könnten auch Böses im Schilde führen und ihn mit „gutem Rat“ ins politische Abseits katapultieren wollen.

Es erinnern sich viele in der Union an die CDU-Politiker Frank Steffel und den Ehrenvorsitzenden und früheren Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. Nach dem Bruch der großen Koalition 2001 verweigerte seine Partei Diepgen Platz eins für die Bundestagswahl 2002. Drei Jahre später verzichtete Diepgen freiwillig auf einen Listenplatz, trat als Direktkandidat in Neukölln an und unterlag seinem SPD-Gegenkandidaten Ditmar Staffelt. Die zweite Geschichte handelt von Frank Steffel. Nach der schweren CDU-Wahlniederlage 2001 mit Steffel als Bürgermeisterkandidat kam der Reinickendorfer bei der Bundestagswahl 2005 nicht zum Zug: Er unterlag in der Direktwahl seinem SPD-Gegenkandidaten Detlef Dzembritzki. Und über Landesliste kam Steffel nicht in den Bundestag.

Ein Verlierer sollte Demut zeigen

Was diese beiden Fälle zeigen: Ein Verlierer sollte in der CDU erst mal Demut zeigen. Auch wenn Henkel bei seiner Rede zur Nominierung in Mitte gesagt hatte, er habe Verantwortung nach der Wahlniederlage getragen und hoffe, jetzt nicht geächtet zu werden. Das wird man sehen.

Frank Steffel, der Reinickendorfer Kreischef, ist letztlich 2009 in den Bundestag gezogen. 2013 errang er erneut das Direktmandat mit knapp 45 Prozent der Erststimmen – das beste Wahlkreis-Ergebnis eines Politikers in Berlin. Er kandidierte auch auf Platz vier der Landesliste. Steffel ist im Finanzausschuss und Obmann seiner Fraktion im Sportausschuss des Bundestags. Auch wenn er größte Chancen hat, das Direktmandat in Reinickendorf am 24. September bei der Bundestagswahl zu gewinnen: „Ich möchte auf der Landesliste kandidieren“, sagte Steffel dem Tagesspiegel.

Auch Jan-Marco Luczak aus Tempelhof-Schöneberg gehört zu den Anwärtern auf die ersten Plätze. Luczak ist seit 2009 im Bundestag, Obmann seiner Fraktion im Rechtsausschuss, Mietenrechtsexperte und Beisitzer im Fraktionsvorstand. Auch er wird wohl Ansprüche auf einen besseren Platz als Nummer fünf vor vier Jahren anmelden.

Kann Monika Grütters die CDU einen?

Wer auch immer im größten Berliner CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf am kommenden Sonntag als Wahlkreiskandidat nominiert wird – der Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann oder der Kreischef, Ex-Senator und stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Heilmann: Der Sieger wird wohl einen Anspruch auf Platz drei wie vor vier Jahren anmelden. Da der Kreisverband am 25. März zur Landesvertreterversammlung 43 Delegierte entsendet, könnte es bei der Landeslistenaufstellung spannend werden, ob auch alle Delegierten „ihrem“ Kandidaten aus Südwest in geheimer Wahl die Stimme geben.

Und auf welchen Plätzen werden die weiteren Bundestagsabgeordneten Martin Pätzold aus Lichtenberg oder Klaus-Dieter Gröhler aus Charlottenburg-Wilmersdorf antreten? Auch der Pankower Kreisvorsitzende Gottfried Ludewig will in den Bundestag. Immerhin ist sein Kreisverband in den vergangenen Jahren von 600 auf 950 Mitglieder gewachsen und hat an Bedeutung durch viele Neu-Berliner gewonnen. Wird Ludewig gegen Husein auf Platz sieben oder sechs antreten? Und will der in Mitte gegen Henkel als Direktkandidat unterlegene Philipp Lengsfeld nicht doch noch auf der Liste kandidieren?

Es ist derzeit viel Bewegung und Unruhe in der CDU. Monika Grütters wird sich daran messen lassen müssen, ob sie als Parteichefin die Berliner CDU geschlossen in den Bundestagswahlkampf führen kann mit einer Landesliste, die Neuanfang signalisiert – und mit möglichst wenig Verlierern.

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