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Der bekannte Charité-Bettenturm am Campus in Berlin-Mitte.
© imago images/Eibner
Exklusiv

Kampf der Pflegekräfte in Berlin: Charité verschiebt 2000 Termine – Vivantes-Streik ohne Notdienst-Regel untersagt

Ratloser Senat, strenge Gerichte, wütende Pflegekräfte – um deren Tarifkampf ist eine Bewegung entstanden. Ein Verhandlungssignal kommt vom Charité-Vorstand.

Trotz erneuter Gespräche zwischen Verdi-Verhandlern, namhaften Landespolitikern und den Vorständen von Vivantes und Charité werden die landeseigenen Kliniken ab Montag bestreikt. Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Charité deshalb 2000 Termine vorläufig abgesagt, die Behandlungen sollen nach dem Streik ab Mittwoch nachgeholt werden.

Um die Akutversorgung sicherzustellen, sprachen Klinikleiter und Gewerkschafter am Freitag noch – das Arbeitsgericht verbot Verdi jedenfalls, ohne Notdienstvereinbarung in den Vivantes-Kliniken zu streiken. Dabei obliege es dem Arbeitgeber, „die Einzelheiten des Notdienstes festzulegen“, nicht der Gewerkschaft.

Verdi fordert wie berichtet einen „Entlastungstarifvertrag“; einen fixen Schlüssel für mehr Pflegekräfte in der Universitätsklinik und den Vivantes-Krankenhäusern. Zudem solle das Reinigungs-, Transport- und Küchenpersonal der Vivantes-Tochterfirmen den vollen Tariflohn des öffentlichen Dienstes erhalten. Die Charité-Führung zeigte sich zum Wochenende gesprächsbereit.

„Gerade mit den Erfahrungen der Pandemie wollen wir die Personalentwicklung verbessern und für Entlastung auf den Stationen sorgen – insofern kommen die Tarifverhandlungen zu richtigen Zeit“, sagte Carla Eysel, die im Charité-Vorstand seit 2020 für Personal und Pflege zuständig ist: „Geplant ist, nächstes Jahr ungefähr 100 neue Pflegekräfte einzustellen, im Folgejahr vielleicht 120. Diese Zahlen sind netto zu verstehen, die Gesamtzahl an Fachpersonal auf den Stationen soll sich insgesamt erhöhen. Zudem arbeiten wir mit Psychologen und Sabbatical-Angeboten daran, den Stress auf den Stationen zu reduzieren, und hoffen, dass einige unserer Teilzeit-Pflegekräfte aufstocken.“

Warum einigt sich der Charité-Vorstand dann nicht auf einen Entlastungstarif, der über die Jahre graduell weniger Patienten pro Pflegekraft vorsieht? Der aktuellen Verdi-Forderung zufolge müssten – groben Schätzungen nach – zehn, eher 15 Prozent mehr Pflegekräfte von der Charité geworben werden: Zu derzeit 4700 angestellten wären also 500 weitere Pflegekräfte nötig.

[Lesen Sie mehr auf Tagesspiegel Plus: Pflegekräfte denken an Streik - die Corona-Helden begehren auf]

Die gebe der Arbeitsmarkt so schnell nicht her, sagte Eysel, verpflichte sich die Charité jetzt zu den Verdi-Personalquoten, könne man diese nur umsetzen, wenn man 80.000 Patienten pro Jahr weniger versorge. Dann zahlten aber die Krankenkassen entsprechend weniger, was zur Folge hätte, dass fast 2000 Stellen für Ärzte, Servicepersonal, Techniker wegfielen: „Wir müssten auch Hunderte Krankenbetten und Studienplätze streichen.“

Zudem stehe die Charité, sagte Eysel, zu den Flächentarifverträgen, wie sie ja auch Verdi wolle. Sowohl die Hochschulmedizin als auch die Vivantes-Kliniken gehörten deshalb Berlins kommunalem Arbeitgeberverband (KAV) an. Der KAV ist Mitglied im Dachverband der kommunalen Arbeitgeber (VKA), der satzungsgemäß selbst über einen etwaigen Entlastungstarifvertrag verhandeln wolle.

Tarifvertrag oder Dienstvereinbarung mit Streikklausel?

Der Charité-Vorstand biete der Gewerkschaft jedoch eine hausspezifische Vereinbarung an, die rechtlich so wirksam wie ein Tarifvertrag sei, sagte Eysel: In die avisierte Dienstvereinbarung nähme man eigens eine Streikklausel auf. Die Personalschlüssel könnten dann auch mit einem Arbeitskampf durchgesetzt werden.

Carla Eysel ist im Charité-Vorstand für Personal und Pflege zuständig.
Carla Eysel ist im Charité-Vorstand für Personal und Pflege zuständig.
© Hannes Heine

Im Alltag müsste sich mit einer solchen Regelung allerdings der Charité-Personalrat, also die innerbetriebliche Vertretung, beschäftigten – nicht die Gewerkschaft. Verdi verweist darauf, dass es schon Entlastungstarifverträge gebe, so an den Universitätskliniken Mainz und Jena. Dort werde für jede Station der Personalbedarf pro Schicht ermittelt. Wird diese Vorgabe unterlaufen, bekommen die Kollegen einen „Belastungspunkt“ – ab sechs Punkten können sie einen Tag freimachen. Diese beiden Krankenhäuser, so die Verhandler der Pflegekräfte, funktionierten schließlich noch.

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Auch dem rot-rot-grüne Senat gelang es nicht, den Tarifkampf in seinen Kliniken zu entschärfen. Alle Koalitionsfraktionen haben sich zwar mit den Pflegekräften in Charité und Vivantes-Kliniken solidarisch erklärt. Doch den Krankenhauskonzernen entsprechende Mittel zugesagt, um den Tarifforderungen entgegenkommen zu können, haben Linke, Grüne und Sozialdemokraten nicht. Nach Tagesspiegel-Informationen sprach Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) mit Verdi-Verhandlern.

Eine Verdi-Kundgebung im Tarifstreit um mehr Pflegepersonal an Charité und den Vivantes-Kliniken.
Eine Verdi-Kundgebung im Tarifstreit um mehr Pflegepersonal an Charité und den Vivantes-Kliniken.
© Mario Heller

Um den Tarifkampf ist längst eine Krankenhaus-Bewegung entstanden. Am Samstag richtet das Bündnis „Gesundheit statt Profite“ ein Solidaritätscamp im Urban-Hafen aus, vor dem Kreuzberger Vivantes-Krankenhaus. Nicht der Streik, hieß es, sondern der personalknappe Normalbetrieb gefährde die Gesundheit. Einzelne Ärzte riefen auf, den Streik der Pflegekräfte zu unterstützen.

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Verdi-Verhandlerin Meike Jäger sagte, der dreitägige Ausstand ab Montag sei „die letzte Warnung“, ab 30. August würden die Verdi-Mitglieder in den Kliniken über einen unbefristeten Streik entscheiden.

Einig sind sich Gewerkschafter und die Krankenhausleiter darin, dass sich die Finanzierung der Kliniken ändern müsse. Letztere rechnen bei den Kassen sogenannte Fallpauschalen pro Diagnose ab. Die Krankenhäuser erhalten also hauptsächlich dann Geld, wenn eine Behandlung stattfand; für strategische Daseinsvorsorge bleibt da wenig.

Die Carité-Hotline ist unter 030 / 450 550 500 zu erreichen.

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