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Auch in der CDU nicht unumstritten: der Rein-raus-Spruch zur Verkehrspolitik.
© Tsp/Twitter

Ex-Senator Czaja kritisiert Pendler-Kampagne: CDU-Tweet „gehört nicht mehr zum Wertekanon unserer Union“

Es geht um „rein und raus“ und „kein bisschen Spaß beim Verkehr“: Ein anzüglicher Tweet der Berliner CDU verärgert auch die eigenen Parteifreunde.

In Zeiten wie diesen müssen die Botschaften kurz, präzise und auch ein bisschen knallig sein, um aus dem Strom der tagtäglichen Einflüsse herauszuragen. So wie eine am Donnerstag veröffentlichte Werbekachel der Berliner CDU, die in den sozialen Netzwerken – vor allem auf Twitter - schnell die Runde machte. „Berliner Pendler: Täglich 320.000 Mal rein und raus. Und kein bisschen Spaß beim Verkehr“ war darauf zu lesen. Überschrieben war der Beitrag mit den Worten „Auto = Stau und Bahn = Verspätung. Kein Wunder, dass nicht mehr Berlinerinnen und Berliner den #ÖPNV nutzen.“

Eine Anspielung auf die Probleme der rot-rot-grünen Koalition bei der Umsetzung der von ihr forcierten Verkehrswende sowie die jüngst aufgeworfene Einführung eines Pflichttickets zur Finanzierung des ÖPNV – das die CDU ablehnt.

Der Effekt der von Kommentatoren wahlweise als „anzüglich“ oder „unterirdisch“ bezeichneten Wortwahl: Die legitime politische Botschaft rückte komplett in den Hintergrund.

Selbst in den eigenen Reihen schüttelten einige fassungslos den Kopf angesichts der allem Anschein nach mit den Spitzenvertretern des Landesverbandes abgestimmten Formulierung. Von einem „schmutzigen Touch“ sprach eine einflussreiche Christdemokratin im Hintergrund und davon, dass die Partei das drängende Problem der fehlenden Frauen in den eigenen Reihen so sicher nicht in den Griff kriegen würde.

Mario Czaja fordert Löschung des CDU-Tweets

Öffentlich Kritik an der Kachel äußerte mit Mario Czaja der ehemalige Sozialsenator Berlins, Czaja ist aktuell stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus und stammt aus dem Pendler-Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Auf Twitter erklärte er: „Diese Art der Kommunikation gehört für mich nicht mehr zum Wertekanon unserer Union.“ Er bat um die Löschung des Tweets und schrieb weiter: „Mobilitätskonzepte sollten ohne sexuelle Anspielungen überzeugend kommuniziert werden können.“

Czaja zufolge habe er dafür aus Partei und Stadtgesellschaft viel Zustimmung und gar Dank für die Klarstellung erhalten. Selbst auf Bundesebene habe es Irritationen gegeben. Dem Tagesspiegel sagte Czaja: „Auch berechtigte Kritik an der Koalition darf ein gewisses Niveau nicht unterschreiten.“

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Genau wie andere Mitglieder der Partei warf er den Verantwortlichen um Landeschef Kai Wegner vor, einzig und allein auf Reichweite zu setzen und diesem Ziel das Ansehen der Partei unterzuordnen. Schon die Premiere der Mitte Mai gestarteten Kampagne der Berliner CDU, in der sich die Partei selbst als geschlagener und reüssierender Schattenboxer dargestellt hatte, war intern als Fehlgriff bewertet worden. Angeblich soll Wegner selbst das mittlerweile eingeräumt haben.

CDU-Sprecher: „Auch mal provokant über Inhalte ins Gespräch kommen“

Ein Sprecher des Landesverbandes verteidigte den Tweet dagegen entschieden. „Wir haben einen Plan und eine Vision für Berlin. Wir haben gesagt, dass wir frecher, mutiger und auch mal provokant über unsere Inhalte ins Gespräch kommen werden. Das scheint uns zu gelingen“, erklärte er.

Am Ende seines Statements zur Verkehrspolitik – die CDU fordert den Ausbau von U-Bahn und Park&Ride-Parkplätzen sowie die Ausweitung des B-Bereichs, formulierte der Sprecher: „Denn wenn Berlin jedes Jahr 154 Stunden im Stau steht, vergeht einem sprichwörtlich die Lust am Verkehr. Wir wollen, dass der Verkehr in Berlin fließt.“

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