Verkauf umstrittener Immobilien in Berlin: Bund verklagt Bezirk Tempelhof-Schöneberg
Tempelhof-Schöneberg legte ein Veto gegen den Verkauf von 48 Wohnungen ein – jetzt gibt’s die Quittung. Linken-Politikerin Gesine Lötzsch fordert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf, einzulenken.
Im Streit um die Berliner Bundesimmobilien wird mit harten Bandagen gekämpft. Nachdem der Senat den Verkauf des Dragonerareals im Bundesrat gestoppt hat, geht der Bund jetzt vor Gericht und verklagt den Bezirk Tempelhof-Schöneberg nach allen Regeln der juristischen Kunst. Diesmal geht es um die Häuser in der Großgörschen- und Katzlerstraße in Schöneberg; die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) wollte sie zum Höchstpreis an einen Privatinvestor verkaufen, doch der Bezirk machte sein Vorkaufsrecht geltend. Gleichzeitig sitzen Bima und Senat weiter am Verhandlungstisch, um den einvernehmlichen Verkauf von 4600 Bundeswohnungen zum Vorzugspreis zu organisieren. Mit ungewissem Ausgang. Diese Parallelität können sich politische Beobachter nur noch mit dem näher rückenden Wahlkampfjahr 2016 erklären.
Die Klageschrift des Bundes ist 64 Seiten dick
Im Zentrum des Streits steht mit der Bima-Klage die grüne Baustadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz. Sie erhielt die Klageschrift einer großen Anwaltskanzlei, 64 Seiten dick. „Da wird eigentlich gegen alles geklagt, was wir auf den Weg gebracht haben“, sagt Klotz. Gegen den Bescheid über das Vorkaufsrecht wie gegen ein Verkehrswertgutachten, das der Bezirk anfertigen ließ, um einen geringeren Kaufpreis durchzusetzen.
In dem vor Kurzem zugestellten Schreiben wird laut Klotz auch angezweifelt, dass es überhaupt ein kommunales Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten gibt. Wegen des grundsätzlichen Charakters der Klage, die bei der Baulandkammer des Landgerichts anhängig ist, könnte sie auch durch die Instanzen gehen, bis hinauf zum Bundesgerichtshof.
Selbst SPD-Mitglieder kritisieren die Politik des Bundes
Unterdessen twitterte die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Linken-Politikerin Gesine Lötzsch: „Bundesminister Schäuble muss unverzüglich für die Rücknahme der Klage sorgen.“ In der nächsten Ausschusssitzung wolle sie das so beantragen. Allerdings mit geringen Erfolgsaussichten. Die Kritik an der Liegenschaftspolitik des Bundes aus den Reihen von Linken und Grünen und selbst von der regierenden SPD ist bislang ebenso lautstark wie wirkungslos.
Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) will dem Bund die Häuser in der Großgörschenstraße, das Dragonerareal und die übrigen Bundeswohnungen zum „Verkehrswert“ abkaufen. Weil es dafür im Haushalt keine Mittel gibt, sollen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften einspringen. Bausenator Andreas Geisel (SPD) erklärte vor Kurzem, der Bestand städtischer Wohnungen könnte auf 400 000 anwachsen. Die Zukunft des Dragonerareals soll sich am 25. Juni entscheiden. Dann tagen erneut die Länderfinanzminister im Bundesrat.
Die Hausverwaltung wollte, dass die Mieter ihre Protesttransparente abhängen
Die Mieter in den 48 Wohnungen der Großgörschen- und Katzlerstraße zahlen bereits seit April ihre Miete an den neuen Eigentümer. „Die neue Hausverwaltung hat uns auch gebeten, die Protesttransparente an den Balkonen abzuhängen“, sagt Mieterin Antje Grabenhorst. Dem wolle man aber nicht nachkommen. Die Mieter protestieren seit Monaten gegen den Verkauf ihrer Wohnungen durch den Bund.
Im Streit um die Bundesimmobilien ziehen Senat, Bezirke und Mieter an einem Strang. Steht am Ende ein Erfolg, könnte dies auch den drohenden Konflikt zwischen Senat und dem Bündnis Mietenvolksentscheid entschärfen. Bislang sammelt das Bündnis weiter Unterschriften für ein Volksbegehren. Gebraucht werden 20 000. Stand 15. Mai: 28 000.