Doppelt so teuer wie geplant: Bund bewilligt 160 Millionen Euro mehr fürs Museum der Moderne
Gedächtniskirche, Kulturforum, Schloss: Überall fehlt Berlin Geld für Alt- und Neubauten – der Bund springt ein und zahlt.
Wenn Berlin nicht weiter weiß und vor allem nicht zahlen kann, dann muss der Bund ran: Hunderte Millionen fließen für die Kulturbauten der Hauptstadt vom Bundeshaushalt nach Berlin – das beschlossen die Haushälter des Bundestages mit der Mehrheit von Abgeordneten der großen Koalition aus CDU und SPD am Donnerstagnachmittag.
Besonders umstritten war die Finanzierung des Museums der Moderne. Dafür waren ursprünglich 200 Millionen Euro bereitgestellt worden. Am Donnerstag hat der Haushaltsausschuss nun Baukosten in Höhe von 364,2 Millionen Euro bewilligt.
Die Gesamtsumme für das Projekt ist allerdings noch höher: Sie liegt bei rund 450 Millionen Euro. Doch die vom Finanzministerium bereits in Aussicht gestellte Finanzierung für eine mögliche Steigerung der Baukosten in Höhe von 52 Millionen Euro sowie knapp 34 Millionen Euro Risikokosten standen nicht zur Abstimmung.
Monika Grütter ist erleichtert, sagt aber auch: "Diese Summe ist für mich eine echte Schmerzgrenze."
Entsprechend erleichtert zeigte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters. „Ich danke den Abgeordneten des Deutschen Bundestages für diese Entscheidung“, sagte sie. Damit hätten sie den Anspruch Deutschlands als einer "großen Kulturnation" untermauert, mit ihren Weltklasse-Sammlungen angemessen umzugehen. "Das Museum wird sowohl mit seiner Kunst als auch mit seiner hochkarätigen Architektur weit in die Welt hinausstrahlen", kündigte Grütters an.
Und sie betonte: "Diese Summe ist für mich eine echte Schmerzgrenze." Deshalb hätte sie gemeinsam mit den Abgeordneten für ein strenges Kostenmanagement geworben, das Bauherren, Planer und Architekten verpflichtet, im 6-Monats-Rhythmus dem Bundestag über den Mittelabfluss und die Kostenentwicklung zu berichten.
Auch Hermann Parzinger freut sich: "Das ist ein guter Tag für die Kunststadt Berlin und das Kulturforum", sagte der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. "Die Museumsinsel der Moderne entsteht hinter dem Potsdamer Platz", so Parzinger weiter, in Anspielung auf die Gesamtplanung, wonach im Westen am Kulturforum die Moderne und im Osten auf der Museumsinsel die Kunst der "Klassik" ihren Platz bekommen.
"Ich bin sicher, dass auch die Kritiker die Chancen dieses Neubaus von Herzog & de Meuron erkennen werden", gab sich Parzinger zuversichtlich. Und auch er beteuerte, die Kosten für das Mega-Projekt nicht noch weiter zu erhöhen: "Wir wissen, dass die Kosten für das Projekt hoch sind. Gerade deshalb werden wir ein enges Monitoring haben, um den jetzt vorgegebenen Finanzrahmen einzuhalten."
Die Fertigstellung des Gebäudes ist für 2026 vorgesehen. Der erste Spatenstich ist noch in diesem Jahr geplant. Ursprünglich sollte das Museum 2021 öffnen.
Auch Humboldt Forum, Gedächtniskirche, Gedenkstätte Deutscher Widerstand und andere Kulturbauten bekommen mehr Geld
Mit etwa 68 Millionen Euro werden auch noch andere Berliner Kulturbauten vom Bund bedacht. Davon profitieren zum Beispiel das Humboldt Forum im Schlossneubau, das mehr Mittel braucht als geplant, und die Gedächtniskirche am Breitscheidplatz.
Einer der größten Brocken, 37,7 Millionen Euro schwer, entfällt auf das Humboldt Forum mit drei nachgebildeten Schlossfassaden. Den "Nachtrag zur Finanzierung" hatte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat angemeldet. Die "notwendigen Mehrausgaben" erklären die Bauherren mit den gestiegenen Preisen für Bauleistungen. Entschieden wird darüber in der Nacht.
Dass der Schlossbau finanziell ins Trudeln geraten war, lag auch an wiederholten Änderungen bei dessen Nutzung auf Wunsch der Intendanten. So war im vergangenen Jahr bekannt geworden, dass Gründungsintendant Neil MacGregor zur „Ausstellungsoptimierung“ in die weit fortgeschrittene Bauplanung eingreifen ließ, so dass beispielsweise die „Haustechnik“ verändert werden musste, was bei einem hochkomplexen Museumsbau wie dem Humboldt Forum zwangsläufig den Zeitplan durcheinander bringen musste – so kam es, dass die geplante Eröffnung von diesem ins nächste Jahr verschoben wurde.
Dass Änderungen an Plänen längere Bauzeiten auslösen und das viel Geld kostet, ist dem „zweiten Nachtrag“ zu entnehmen, den die Haushälter des Bundes zu Kenntnis nehmen mussten: 17,5 Millionen Euro für die „Verlängerte Ausführungsdauer Bauabläufe“, weitere 4,2 Millionen Euro für die „Verlängerte Ausführungsdauer Planug“ sind in dem Antrag auf die Bewilligung der zusätzlichen Millionen zu lesen. Da der Kulturbau im Gewand des Schlosses von Schlüter so gut wie fertig ist, blieb den Haushältern keine Wahl. Zumal es in der Vorlage heißt: „Die Mehrkosten sind unabwendbar und zur Erreichung der Projektziele erforderlich."
Restrisiko bleibt
Ein Restrisiko bleibt bei dem Kulturbau trotzdem bestehen: „Dass das Spendenziel für die historischen Fassaden in Höhe von 80 Millionen Euro nicht vollständig erreicht werden kann“. Bisher habe die Stiftung den Eingang von mehr als 67 Millionen Euro an Spenden gemeldet. Hinzu kämen Sachspenden und Einnahmen aus Vorsteuer, so dass 73 von 80 Millionen Euro beisammen seien. Den Spendensammlern bleibt durch die hinausgeschobene Eröffnung des Humboldtforums nun fast ein Jahr Zeit, um diese finanzielle Lücke zu schließen.
644,2 Millionen Euro stehen „Stand Oktober 2019“ in der „Kostenprognose“ des Bundes für das Humboldt Forum – die „Kostenobergrenze“ war im November 2015 noch auf 595 Millionen Euro festgesetzt worden. Ursprünglich hatte der Bundestag einer Rekonstruktion des Schlosses zugestimmt zu Kosten von 480 Millionen Euro.
16 Millionen Euro für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Und sonst so? Für Sanierung und Instandsetzung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz will der Bund bis zu 16 Millionen Euro ausgeben – entsprechende „Verpflichtungsermächtigungen“ wurden bewilligt. Bereits für die Jahre 2019 und 2020 waren zuvor jeweils 1,5 Mio. Euro bewilligt worden.
Weiterhin erhalten der Friedhofsverband Berlin Stadtmitte – zu dem mehr als 40 Friedhöfe gehören – rund 23 Millionen Euro, davon 500.000 im kommenden Jahr und knapp 23 Millionen Euro als „Verpflichtungsermächtigungen“ für die in den kommenden Jahren anstehenden Aufgaben.
Außerdem vom Bund gefördert: Die Jesus-Christus-Kirche Dahlem (eine Million Euro), die Sankt-Matthäus-Kirche bekommt fünf Millionen Euro, weil sie saniert werden soll im Zuge des Baus des Museums für Moderne.
In Pankow investiert der Bund mehr als 6,8 Millionen Euro zur Instandhaltung der Immanuelkirche. Die Stephanuskirche in Berlin-Gesundbrunnen wird für 5,5 Millionen Euro saniert, die Sankt-Laurentius-Stadtkirche in Köpenick für zwei Millionen Euro.
Gedenkstätten profitieren
In die Gedenkstätte Deutscher Widerstand fließen 2,77 Millionen Euro vom Bund. Das Dokumentationszentrum zur NS-Zwangsarbeit Berlin wird mit 1,15 Millionen gefördert. Auch das Parkwächterhaus im Lietzenseepark in Charlottenburg erhält 245.000 Euro sowie die Akademie der Künste 200.000 Euro zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie für ein neues Archivgebäude.
Um sechs Millionen Euro in 2020 stockt der Bund die Unterstützung für Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin auf. Die Berliner Festspiele, das Haus der Kulturen der Welt sowie die Internationalen Filmfestspiele profitieren davon. In den Folgejahren sind 55 Millionen dafür vorgesehen.
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„Berlin ist Hauptstadt und internationales Aushängeschild Deutschlands. Da ist es folgerichtig, dass Berliner Kultur und Denkmäler auch mit Mitteln des Bundes unterstützt wird“, so der Berliner Haushaltsexperte und Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD). Klaus-Dieter Gröhler, Mitglied des Haushaltsausschusses und Wahlkreisabgeordneter von Charlottenburg-Wilmersdorf der CDU, sagte: „Als Berliner freue ich mich über die hohen Zuwendungen des Bundes im Bereich Kultur für meine Heimatstadt“.