Nachwuchs im Tierpark: Bühne frei für Berlins jüngste Eisbärin
Das Baby von Eisbärin Tonja wächst im Tierpark Berlin auf. An diesem Sonnabend ist es erstmals offiziell zu sehen.
Der Eisbär ist eines der gefährlichsten Raubtiere der Welt – aber im Tierpark Berlin dient die Vorderpranke von Eisbärin Tonja gerade als Schaukelstange. Daran hangelt am Freitag ihr Eisbärenbaby beim Premierenausflug an der frischen Luft.
Dann werden Gräser angeknabbert, Stöcker im Maul inspiziert – und das dreieinhalb Monate junge Eisbärenweibchen zieht es gleich mal ins Wasser, platsch, Schwimmen klappt auf Anhieb.
Und immer dabei: Eisbärenmuttertier Tonja, die das weiße Knäuel mit Tatze oder Maul in die richtige Richtung schiebt, wenn das Kleine trotz tierbabygerechten Umbaus mal einen Gehegefelsen nicht hochkommt. Die Generalprobe für den ersten Eisbären-Besuchertag am Sonnabend läuft also bestens.
„Tonja ist eine perfekte Mutter, sie kümmert sich hervorragend“, sagt Tierparkdirektor Andreas Knieriem. Bei der Pressepräsentation im Tierpark in Friedrichsfelde wird er ständig nach dem Namen der Kleinen gefragt, der aber noch nicht feststeht.
Manche finden ja, sie sollte Elsa heißen, nach der Disney-Figur, oder Greta, nach Greta Thunberg, schließlich ist das Baby auch ein Symboltier für die wegen des Klimawandels bedrohten Artgenossen in der freien Wildbahn. „Die Mutter hat ihr schon längst einen Namen gegeben“, sagte Knieriem.
Tonja ruft das Kleine in der typischen Eisbärensprache, eine Mischung aus Schnaufen und Lauten. Als Tonja das erste Mal nach all den Monaten ihre Wurfhöhle verlässt, dreht sie sich sofort um, als das Jungtier nicht folgt. Streckt den Kopf witternd in die Höhe und schimpft – möglicherweise hatte sie den Geruch eines Hundes in der Nase. Die Kleine saugt immer wieder und kuschelt sich an, alles zu beobachten im Besucheroval, vom Eingang Bärenschaufenster aus und dann rechts ab. An diesem Sonnabend ab 9.30 Uhr offen für alle Besucher.
Vor zwölf Jahren standen Zehntausende Besucher Schlange
Wieder ein Tag der Tage, diesmal in Lichtenberg, wie der 23. März 2007, als 100 Journalistenteams mit Übertragungswagen für Sender aus den USA, Skandinavien, Pakistan und Südafrika ihre Kameras an den Sicherheitsgittern vorm Gehege von Zooeisbär Knut aufbauten. 5000 Besucher zählt der Zoo in Tiergarten damals an einem konventionellen Tag, mehr als 10.000 Gäste waren es, als der kleine Elefant Kiri sich 2000 präsentierte.
Vor zwölf Jahren standen Zehntausende Besucher aus aller Welt bis nahe dem Breitscheidplatz in Charlottenburg Schlange, um ein paar Minuten lang einen Blick auf Thomas Dörflein und den handaufgezogenen Eisbär in Mitte zu erhaschen – Medien tauften die Tiervorstellung „Knut Show“. Die einen kritisierten das als völlig überzogenen Hype, die anderen fanden es im Sinne der Aufmerksamkeit in Sachen Erderwärmung gut, dass Knut zum Symboltier der UN-Klimakonferenz wurde, der Berlinale, zum Briefmarkensonderdruck, Couchgarnituren seinen Namen trugen und Filme von ihm handelten.
Das KaDeWe bot eine „limitierte Knut-Kollektion“, die KPM Berlin eine Porzellanfigur. Auch die Berlin Tourismus-Marketinggesellschaft wusste um den Werbefaktor des Raubtiernachwuchses: „Knut ist Sympathieträger und zieht das Wappentier, den Berliner Bären, imagemäßig mit."
Erster Eisbärennachwuchs seit einem Vierteljahrhundert
Ohne das Phänomen Knut, längst ein Schatten seiner selbst als Dauer-Dermoplastik im Naturkundemuseum, hätte es jedenfalls nie das heutige Interesse an einem Zooeisbären gegeben. Und es ist der erste Eisbärennachwuchs im Tierpark seit einem Vierteljahrhundert. Am Gehege freut sich darüber am Generalprobentag auch Bärenkurator Florian Sicks, mit den vier Tierpflegerinnen, und vielen anderen Mitarbeitern.
Beim zweiten Termin zur Tierarztvisite am Dienstag haben die Pfleger die agile Kleine schon gar nicht mehr auf die Waage bekommen, so hopste sie herum. Auch Tonja war in der Wurfhöhle – bewacht dank sechs Übertragungskameras – zuletzt nach der Winterpause deutlich munterer geworden.
Und so zog es das neue Bären-Dreamteam immer wieder raus, auf die 1957 bei der Eröffnung größte Eisbärenanlage der Welt. Auf den Tafeln gibt es viele Informationen zur tödlichen Bedrohung durch die menschliche Zivilisation, Eisbären können ohne Eisschollen nicht jagen, sind, wenn der Treibhausgasausstoß nicht sinkt, wie es auch Greta Thunberg mit Fridays for Future fordert, vom Aussterben bedroht, „weil sie nicht so schnell schwimmen können wie Robben“.
Der Tierpark kooperiert mit „Polar Bears International“, neben dem Gehege steht eine Spendenbox für den Artenschutz, und jeden Tag gibt es um 11 Uhr am Gehege einen Infotalk. Darauf freut sich auch eine der Security-Mitarbeiterinnen. Sie ist Fan der Kleinen, und auch des Teams Eisbären Berlin.
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