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Symbolbild für Autodiebstahl.
© Axel Heimken/dpa

Berliner Clans und die Organisierte Kriminalität: Brutale Entschlossenheit, dilettantisches Vorgehen

Antisemitische Pöbeleien, häusliche Gewalt, illegale Straßenrennen: Warum die Clans tatsächlich kaum organisierte Kriminelle sind. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Endlich also gibt es auch in Berlin eins: Innensenator Andreas Geisel hat am Mittwoch das erste Lagebild zur Organisierten Kriminalität, der OK, in der Hauptstadt veröffentlicht. Fachpolitiker, Ermittler und Journalisten hatten das gefordert, schließlich ist Berlin Hochburg organisierter Täter. Nur in Bayern und Nordrhein-Westfalen – wo ein Vielfaches an Menschen lebt – wurden 2018 mehr Taten erfasst, die von Juristen der OK zugerechnet werden. Und es wurde offenbar solide Arbeit geleistet: Geisels Beamte haben ermittelt, welche Netzwerke auf OK-Niveau agieren und welche nicht.

Nachdem der Sozialdemokrat vor einem Jahr die Clan-Kriminalität zum Schwerpunkt seiner Arbeit machte, weitet sich nun das Bild. Denn mit OK sind nicht nur die einschlägig bekannten Großfamilien gemeint, sondern all jene, die planmäßig, in arbeitsteiligen Gruppen, dauerhaft Straftaten begehen.

Vergangenes Jahr spielten Angehörige deutsch-arabischer Familien in fünf von 59 OK-Ermittlungsverfahren in Berlin die Hauptrolle. Die bekannten Clans gehen, bei aller brutalen Entschlossenheit, oft dilettantisch vor. Viele ihrer Taten sind von anderen Motiven als der Profitmaximierung geprägt: antisemitische Pöbeleien, häusliche Gewalt, illegale Straßenrennen.

Gestohlene Autos, gefälschte Papiere und Produkte

Geisels Beamte verhehlen auch nicht, dass von den 462 Verdächtigen, die in Berlin vergangenes Jahr durch OK-Taten aufgefallen sind, zwei Drittel aus dem Ausland kommen. Aus Bulgarien, der Ukraine, aus dem Baltikum und vom Balkan, aus Polen und Russland. Das wundert insofern nicht, als dass Hauptprofitquelle organisierter Banden oft der Schmuggel nach und von Osteuropa ist: gestohlene Autos, gefälschte Papiere und Produkte. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Dazu kommt die illegale, oft mit Zwang betriebene Prostitution junger Frauen, die ebenfalls aus Osteuropa stammen. Öffentlich erzeugen diese kriminellen Netzwerke eher wenig Angst – wer Beute will, lässt Unbeteiligte in Ruhe.

Anders die bekannten Clans. Diese zehn Großfamilien, die es zusammen auf mehr als 1000 Vorbestrafte bringen, werden von Geisel zu Recht als ein Sonderphänomen betrachtet, sozusagen als kriminalitätsanfällige Subkultur. Und deshalb wird der Innensenator im Frühjahr 2020 eine eigene Clan-Analyse vorstellen. Berlin verschafft sich also nur einen Überblick, es ist ein erster Schritt.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollten selbstverständlich zu spürbaren Verbesserungen führen. Das wäre Geisels nächste Aufgabe: In der rot-rot-grünen Koalition darauf drängen, mehr Personal ausbilden zu lassen, sich besser mit Bundesländern und Nachbarstaaten abstimmen, die verschärften EU-Geldwäscherichtlinien umsetzen und den Verfolgungsdruck so hoch zu halten, dass er auch geübte Täter bei ihren Taten stört. Der Anfang immerhin ist gemacht.

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