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Kanzlerin Angela Merkel und weitere Spitzenpolitiker vor einem Jahr an der Gedächtniskirche.
© Hannibal Hanschke/Reuters

Jahrestag des Berliner Terroranschlags: Breitscheidplatz: Scharfe Kritik von Hinterbliebenen

Ein Jahr nach dem Terroranschlag werfen Angehörige Kanzlerin Merkel politisches Versagen vor. Der Opferbeauftragte Kurt Beck fordert bessere Hilfen.

Ein Jahr nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz steht der Staat in der Kritik wegen des Umgangs mit den Betroffenen. Der Opferbeauftragte Kurt Beck fordert, für einen besseren Schutz von Verletzten und Hinterbliebenen Gesetzeslücken zu schließen. So müsse es eine zentrale Anlaufstelle für sie geben. „Wichtig ist, dass Menschen in ihrer Betroffenheit nicht allein gelassen werden und von Pontius zu Pilatus laufen müssen“, sagte der frühere SPD-Chef und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Zugleich beklagten sich Hinterbliebene der Opfer bitter über die Reaktion des Staates. Sie warfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Offenen Brief Untätigkeit und politisches Versagen vor.

„Der Anschlag am Breitscheidplatz ist auch eine tragische Folge der politischen Untätigkeit Ihrer Bundesregierung“, zitiert das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Wochenende aus dem Brief der Hinterbliebenen der zwölf Todesopfer. In einer Zeit, in der die Bedrohung durch Islamisten zugenommen habe, sei versäumt worden, „die Reformierung der wirren behördlichen Strukturen“ voranzutreiben, kritisierten die Angehörigen.

Vom Staat fühlen sie sich im Stich gelassen. „Es ist unsere konkrete Erwartung an Sie, Frau Bundeskanzlerin, dass die Bundesrepublik unseren Familien unbürokratisch und umfassend hilft“, hieß es in dem Brief. Der Umfang der staatlichen Unterstützung bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Zudem kreideten sie Merkel an, sie habe auch fast ein Jahr nach dem Anschlag weder persönlich noch schriftlich kondoliert.

Unterstützung erfuhren sie vom früheren Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). „Den Hinterbliebenen und Verletzten ist nicht schnell genug und nicht großzügig genug geholfen worden. Das muss man feststellen“, sagte Thierse der „Heilbronner Stimme“. „Sowohl Berliner Stadtregierung als auch Bundesregierung müssen sich hier Kritik gefallen lassen.“

Merkel will zum Jahrestag Opfer und Angehörige treffen

Ein Regierungssprecher verwies darauf, dass Merkel bereits am Tag nach dem Anschlag den Tatort besucht und sich „umfassend über den Tathergang“ informiert habe. Zudem habe sie vor gut einem Jahr an einem ökumenischen Gedenkgottesdienst teilgenommen. Es sei der gesamten Bundesregierung wichtig, dass die Opfer und deren Familien „in ihrer oftmals verzweifelten menschlichen Lage möglichst gut begleitet und beraten werden“, sagte der Sprecher.

Nach seinen Angaben will sich Merkel am 18. Dezember mit Angehörigen der Todesopfer sowie Verletzten im Kanzleramt treffen. Die Kanzlerin wolle außerdem an der Einweihung eines Berliner Mahnmals für die Opfer am ersten Jahrestag des Anschlags teilnehmen und den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz besuchen.

Härtefallfonds: Beck will höhere Erstzahlungen

Nach Ansicht des Opferbeauftragten Beck sollten die finanzielle Hilfen neu geregelt und erhöht werden. Er schlug Veränderungen beim Härtefallfonds des Bundes vor. „Die Erstzahlungen, die ja eine Art Schmerzensgeld für Betroffene sind, müssen deutlich aufgestockt werden.“ Eine konkrete Höhe wollte Beck nicht vor der Präsentation seines Abschlussberichts am 13. Dezember in Berlin nennen. Seinen Angaben zufolge bekommt ein hinterbliebener Ehepartner derzeit 10.000 Euro, ebenso wenn ein Kind oder Elternteil zurückbleibt. Deutschland stehe dabei im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld, sagte Beck.

Bei dem bislang schwersten islamistischen Anschlag in Deutschland waren am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen getötet und mehrere Dutzend verletzt worden. Der Attentäter Anis Amri war einige Tage später auf der Flucht von italienischen Polizisten erschossen worden. (dpa)

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