Geflüchtete in Berlin: Brandschutz und Klage stoppen Unterkunft Heerstraße 16
Wird nichts aus dem Vorhaben, bis Jahresende alle Geflüchtete aus den Sporthallen zu holen. Großunterkünfte wie die Heerstraße gehen zu spät ans Netz.
Schade, dass im Machtvakuum der Koalitionsverhandlungen niemand politisch haftbar zu machen ist, denn sonst wäre der Druck wohl größer zum Umzug von Geflüchteten aus Turnhallen in neue, weniger improvisierte Provisorien. Ende Juli, so die Ankündigung des Senats, sollten die Sporthalle Prinzregentenstraße – und alle anderen bis Jahresende – eigentlich wieder frei und bereit sein für Sanierung und nachfolgende Rückgabe an Schulen und Vereine, die ihre Sportstätten schmerzlich vermissen. Daraus wird nichts, im Gegenteil: 3200 Geflüchtete leben – Stand heute – in 38 Turnhallen, heißt es beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und so einige Tausend von ihnen werden wohl auch die Neujahrsfeier dort verbringen müssen.
200 unter einem Dach seit 12 Monaten
Im Stadtteil Wilmersdorf ist die Lage besonders angespannt: „Die Turnhallen-Bewohner leben nun seit 12 Monaten zu 200 unter einem Dach, das ist ein Skandal“, postete Helma Boeck auf Facebook. So wie andere aus der Initiative „Willkommen in Wilmersdorf“ kann sie es einfach nicht fassen, dass das LAF den Umzugstermin in das umgebaute Bürogebäude seit Monaten immer wieder verschoben hat, obwohl das Gebäude bezugsfertig erscheint. Die Initiative hat Briefe an Bezirksbürgermeister, Stadtrat und an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschrieben. Ohne Erfolg. Nun warnt Kristina Tendel von der Initiative: „Wir haben es mit zunehmend verzweifelten und schlecht betreuten Menschen in der Turnhalle zu tun“.
Ein querulatorischer Betreiber klagt
Schuld daran ist zumindest im Fall der Heerstraße 16 mal nicht wirklich nur das Landesamt, sondern auch ein querulatorischer Betreiber von Flüchtlingsheimen. Dieser soll vor der Vergabekammer die Ausschreibung zur Vergabe für den Betrieb einer Unterkunft in der Heerstraße 16 angefochten haben und das zieht sich hin. Einfach abwarten, mochte das LAF nicht, das Amt hob die Ausschreibung auf und will in einem vereinfachten Verfahren eine provisorischen Betreiber einsetzen, für ein halbes Jahr mit Verlängerungsoption für weitere drei Monate. In dieser Zeit könne eine europaweite und dann sicher gerichtsfeste neue Ausschreibung erfolgen. „Alle sind gekniffen“, so die Bilanz eines Sprechers der Initiative, der seinen Namen nicht nennen will: „Der ausgewählte Betreiber, der schon Personal eingestellt hat, das Landesamt, die Sportvereine und die Flüchtlinge“.
Bürgeramt und Geflüchtete Tür an Tür
Die Heerstraße 16 ist Teil eines Baudenkmals, das zwischen 1938 und 1941 errichtet worden war als Sitz der „Reichsleitung der Reichsjugendführung“. Nach dem Krieg zog der Baukonzern Philip Holzmann ein. heute dienen die Gebäudeteile 12 und 14 dem Bezirk als „Bürgeramt Heerstraße“ und das bleibt auch bestehen nach dem geplanten Einzug der etwa 450 Geflüchteten in Hausnummer 16, darunter Bewohner der Turnhalle Prinzregentenstraße.
Immer wieder Ärger mit dem Brandschutz
Nicht nur der Vergabestreit blockiert den Einzug in die Heerstraße, sondern auch berlintypische Probleme beim Bau: „Noch immer ist das Thema Brandschutz im Gebäude Heerstraße 16 nicht abschließend geklärt“, sagt LAF-Sprecher Sascha Langenbach auf Anfrage. In diesen Tagen erwarte das Amt die Vorlage des abschließenden Gutachtens. Erst wenn dieses vorliege, sei gewährleistet, dass das frühere Bürogebäude künftig als Gemeinschaftsunterkunft genutzt werden kann. Die Vorschriften zum Schutz der Bewohner im Falle eines Brandes seien bei Wohnhäusern strenger als bei Bürobauten.
Anfang Juni hatte der Senat angekündigt, 600 Menschen in der Heerstraße unterbringen zu wollen, korrigierte die Zahl später auf 417 herunter. Diese Menschen leben bisher in den Hallen Prinzregentenstrasse, Forckenbeckstrasse und Wiesenstrasse.