Natürlich nur mit Elektroautos: Brandenburgs Wirtschaftsminister lädt Berliner zum Autofahren in die Mark ein
Berlin und Brandenburg wollen bei umweltschonender Mobilität und Energiewende stärker kooperieren. Zuletzt gab es Spannungen wegen der Corona-Politik.
„Wir laden alle Berliner ein, in Brandenburg weiter Auto zu fahren, wenn man es in Berlin nicht mehr darf!“ Ja, so sagte es Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), für unorthodoxe Wortmeldungen bekannt, wörtlich am Mittwoch beim digitalen Business Breakfast des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), wo Steinbach gemeinsam mit seiner Berliner Amtskollegin Ramona Pop (Grüne) auftrat.
Seine Einladung war durchaus ernst gemeint. Und bezeichnenderweise widersprach Pop dem nicht, der mit seinem „Angebot“ natürlich Elektroautos meinte. Brandenburg als Flächenland mit vielen Einfamilienhäusern, wo man die E-Fahrzeuge aus der privaten Stromversorgung laden könne, hat es nach Steinbachs Worten leichter als Berlin.
In der Metropole könne man aus einem sechsgeschossigen Mietshaus ja kaum die Verlängerungskabel über die Bürgersteige baumeln lassen, um die Fahrzeuge zu laden.
Es war nur eine Szene dieses pointierten Talks, in dem sich Steinbach und Pop – ungeachtet der jüngsten Dissonanzen zwischen beiden Regierungen der Hauptstadtregion um den durchaus unterschiedlichen Anti-Corona-Kurs – in erstaunlicher Eintracht präsentierten. Beide zeigten sich besonders einig darin, bei der Energiewende, bei der Mobilität der Zukunft, enger als bisher zusammenarbeiten zu wollen.
Eigentlich sollte diese Woche eine neue Vereinbarung zur wirtschaftlichen Kooperation in der Hauptstadtregion bei einer gemeinsamen Sitzung des Brandenburger Kenia-Kabinetts und des Berliner Senats unterzeichnet werden, die aber wegen der bundesweiten Corona-Erschütterungen vertagt wurde. „Das holen wir nach“, betonte Pop.
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Die Wirtschaftssenatorin verwies auf die Tesla-Gigafactory in Grünheide und die Neuausrichtung des vorher gefährdeten Daimler-Werkes in Berlin-Marienfelde, das nun zur Digitalfactory – als Blaupause für Daimler-Werke weltweit – entwickelt werden soll. In der Hauptstadtregion „entsteht so etwas wie der Nukleus einer neuen Automobilindustrie“, sagte Pop.
Und Steinbach ergänzte, dass Mercedes in Ludwigsfelde auch die ersten vollelektrischen Sprinter-Transporter bauen wolle. „Wir haben es geschafft, Mercedes in Ludwigsfelde und Berlin-Marienfelde zu halten. Beide Standorte waren gefährdet“, sagte er. Das sei über die reinen Job- und Investitionszahlen auch wegen des Unternehmensnamens eine Werbebotschaft für die Region.
„Hauptstadtregion kann in zehn, fünfzehn Jahren mit Bayern und Baden-Württemberg wirtschaftlich auf Augenhöhe sein“
Wenn es gelinge, diesen Weg fortzusetzen, etwa die dichte Wissenschaftslandschaft der Region enger mit der Wirtschaft zu verzahnen, „kann das zu einer völlig neuen wirtschaftlichen Qualität des Ostens Deutschlands im Vergleich zu anderen Bundesländern führen.“ Seine Vision sei, „dass wir in zehn, fünfzehn Jahren mit Bayern und Baden-Württemberg wirtschaftlich auf Augenhöhe sind.“
[Ausgerechnet Rainald Grebe verschlug es in die Uckermark. Steht er noch zu seinem Brandenburg-Song? Ein Gespräch über Hymnen, AfD – und Sitzrasenmäher.]
Gemeinsam sprachen sich Steinbach und Pop dafür aus, wegen der nötigen Energiewende den Ausbau der Windkraft zu forcieren. „Wenn wir gleichzeitig aus der Kernenergie und der Braunkohle aussteigen, dann gehört der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Versorgungssicherheit“, betonte Steinbach. „Dann muss das aber auch genehmigungsrechtlich Priorität haben.“ Diese Forderung hatte letzte Woche auch Tesla in seinem Brandbrief gegen die Genehmigungsbürokratie in Deutschland erhoben.
“Bislang lebte jedes neue Windeignungsgebiet gerade einmal 48 Stunden, ehe es vom ersten Gericht gekippt wird“, sagte Steinbach, der Klartext zu den bisherigen Defiziten forderte. „Wir müssen zur Katze auch Katze sagen.“ Es gehe aber nicht nur um Elektromobilität oder Strom aus erneuerbaren Energien, sondern auch um klimaneutrale Wärmeversorgung oder auch den Einsatz von Wasserstofftechnologien, etwa in Bussen und Lastkraftwagen. Da sei Deutschland gegenüber Asien zehn Jahre im Rückstand, sagte Steinbach. Als Beispiel ergänzte er: „In Hongkong fährt kein Bus mehr ohne Wasserstoff.“
Pop und Steinbach für forcierten Windkraftausbau
Beide Wirtschaftsressortchefs betonten, dass sich nach getrennten Wegen in Folge der gescheiterten Fusion 1996 mit den Kabinetten unter Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke und Berlins Regierendem Michael Müller (beide SPD) die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg bereits deutlich verbessert habe. Nach seiner Einschätzung sei man „bei einem Drittel, vielleicht der Hälfte des Weges“, den man gehen könnte, sagte Steinbach.
Er widersprach der VBKI-Geschäftsführerin Claudia Grosse-Lege, die gefordert hatte, die Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse zwischen beiden Bundesländern stärker zu standardisieren. „Ich bin ein absoluter Gegner von standardisierter Zusammenarbeit. Ich bin für mehr Flexibilität“, sagte Steinbach. Für einen neuen Fusionsanlauf, den Pop und Steinbach grundsätzlich befürworten würden, sehen beide auf längere Sicht keine realistische Chance. Inzwischen finde aber, so nimmt es Pop wahr, jenseits der Politik zwischen Berlin und Brandenburg eine aufeinander zugehende „Suchbewegung“ statt.